Die grüne Partei: Zwei Jahre Heuchelei in der Regierung

Die Ampelkoalition dargestellt in Form der drei Affen "nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ vor dem Bundestag in Berlin, eine Kampagne von Greenpeace. Bild: Mike Schmidt / Greenpeace

In ganz Europa werden grüne Regierungsparteien zu Anhängern des autoritären Liberalismus. In Deutschland am stärksten. Warum ist das so? Ein Gastkommentar.

Gerade findet in Karlsruhe der Bundesparteitag der Grünen statt. Nach fast zwei Jahren Ampelkoalition ist es an der Zeit eine Zwischenbilanz der Politik der Grünen in dieser Koalition zu ziehen. Aus Sicht der emanzipatorischen Linken ist diese einfach nur als katastrophal zu bezeichnen.

Im Herbst 2021 hatte die sogenannte "Fortschrittskoalition" eine hohe Messlatte an sich selbst angelegt. Der grüne Wirtschaftsminister Habeck versprach, den "Wohlstand klimaneutral zu erneuern".

Doch dieses Versprechen ist in das Gegenteil umgekippt. Nicht das kleinste klimapolitische Ziel haben die Grünen umsetzen können.

Das Tempolimit auf Autobahnen scheiterte am Widerstand der FDP, das von der Merkel-Regierung verabschiedete Klimaschutzgesetz wurde so aufgeweicht, dass insbesondere der Verkehrsbereich von einer Reduzierung der CO2-Emissionen verschont bleibt.

Am Beispiel des Gebäudeenergiegesetzes mit der Vorgabe, bei neuen Heizungen ab 2025 nur noch klimaneutrale Wärmesysteme wie die Wärmepumpe einzubauen, erweist es sich, dass die Grünen für die ärmere Hälfte der Bevölkerung und für die kleinen Hausbesitzer keine Antenne haben.

Investitionen von über 20.000 Euro können sich viele nicht leisten und die Modernisierungskosten werden großenteils in den Mietshäusern auf die Mieter:innen abgewälzt.

Klimagerechtigkeit heißt vor allem auch eine soziale Absicherung für die Ärmeren hier in den Metropolen, aber auch in den Ländern des Südens. Das ist aber in der Ampelkoalition ein Fremdwort. Kein Wunder, dass dieses zentrale Gesetzesvorhaben des Energieministers auf eine breite Ablehnung gestoßen ist.

Durch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2023 steht allerdings jetzt die Finanzierung der gesamten Klimapolitik auf der Kippe. Mittels eines simplen Taschenspielertricks hatte die Koalition die übrig gebliebenen 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Notfallfond einfach umdeklariert in den Klimafonds.

Haushaltspolitisch und juristisch eine höchst umstrittene Umbuchung, weil damit die gesetzliche "Schuldenbremse", die der Finanzminister Lindner (FDP) unbedingt einhalten will, umgangen wurde. Jetzt klafft bei den großenteils schon zugesagten Klimainvestitionen eine zweistellige Milliardenlücke. Dazu gehört auch die Finanzierung des sogenannten "Klimageldes" aus den Überschüssen der CO2-Steuer für die ärmeren Schichten.

Damit steht das Herzstück der Grünen, massive und schnelle Investitionen in Sachen Klimaschutz für die Zeit nach 2024, völlig infrage. Bleibt Lindner hart und verweigert eine neue Schuldenaufnahme zur Finanzierung der Investitionen, ist ein Bruch der Koalition nicht mehr ausgeschlossen.

In der Energie- und Industriepolitik verfolgt der Energieminister das "business as usual". An erster Stelle steht die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und ihrer Großkonzerne, inklusive der großen CO2-Emittenten aus Chemie-, Stahl- und Zementindustrie.

Habeck will mittels eines steuerlich subventionierten "Industriestrompreises" die Stromgroßverbraucher gegen ausländische Konkurrenz schützen und verzichtet nahezu vollständig auf Vorgaben zur Energieeinsparung in diesen Sektoren. Stattdessen werden gegen den Widerstand lokaler Gruppen vier neue LNG-Terminals gebaut und in der rheinländischen Braunkohleregion wird das Widerstandsdorf Lützerath entgegen dem Wahlversprechen der Grünen mit einem massiven Polizeiaufgebot zerstört.

Mittelfristig soll die fossile Industrie durch die Umstellung auf grünen Wasserstoff überleben. Dazu haben Habeck und andere Minister in Marokko, Namibia, Kolumbien und Chile zusammen mit deutschen Energiegroßkonzernen wie der RWE Verträge mit den Regierungen abgeschlossen, um in großem Maßstab Wasserstoff mittels Sonne und Wind zu produzieren und diesen dann nach Deutschland zu exportieren.

Dass dabei der lokalen Bevölkerung das Wasser als ihrer Lebensgrundlage entzogen wird, interessiert den Grünen-Freund der Konzerne nicht sonderlich. Zu Recht wird diese Politik als neuer, diesmal grüner Extraktivismus und Neokolonialismus kritisiert.

Auch in der Landwirtschaftspolitik geht es den Grünen vordringlich um das Wohlergehen der Konzerne und weniger um die Gesundheit der Verbraucherinnen. Der Koalitionsvertrag der Ampel von 2021 hatte ausdrücklich das Verbot von Glyphosat verlangt.

Vor ein paar Wochen knickte der zuständige Minister Özdemir jedoch ein und enthielt sich der Stimme in der Frage, ob die EU ein Verbot von Glyphosat erwirken soll, was seit Jahren durch viele wissenschaftliche Untersuchungen im Verdacht steht, krebserregend zu sein (in den USA verwendet neuerdings Bayer in dem Pestizid "Round-up" kein Glyphosat mehr auf dem Einzelhandelsmarkt, da Zehntausende gegen Monsanto klagen, weil Roundup bei ihnen Krebs verursacht hat).

Die FDP und eine Lobby aus der Agrarchemie, hier vor allem Bayer-Monsanto, und dem Bauernverband hatte zu viel Druck gemacht. Die EU-Kommission verlängerte jetzt die Genehmigung für das Pestizid um zehn Jahre.

In der Sozialpolitik ist die im Koalitionsvertrag beschlossene Kindergrundsicherung nur noch Makulatur. Die grüne Ministerin Lisa Paus ist völlig vor dem Widerstand von SPD und FDP eingeknickt.

Der Finanzminister Lindner blockte dieses zentrale Vorhaben der Grünen als "nicht finanzierbar" ab. Die Sozialverbände sind verzweifelt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kommentierte: "Die sogenannte Kindergrundsicherung der Ampel ist schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel, der Bekämpfung von Kinderarmut, gescheitert".

Die Grüne waren einmal, in den 1980er-Jahren, eine pazifistische Partei. Doch seit dem Jugoslawienkrieg 1998 und ihrem damaligen Außenminister Fischer befürwortet diese Partei sowohl die Nato wie den Krieg als "friedensstiftendes Mittel".

Heute unter der Außenministerin Baerbock ist das Bellizismus pur. Sie warnte schon vor einem Jahr im Ukrainekrieg die deutsche Bevölkerung vor Kriegsmüdigkeit, "man könne es sich nicht mehr leisten, Pazifist zu sein". Ihr Kabinettskollege Verteidigungsminister Pistorius will Deutschland "kriegsfähig" machen – und kein prominenter Grüne protestiert.