Die nächsten 48 Stunden entscheiden über die Zukunft Frankreichs – und vielleicht sogar Europas

Proteste gegen die Regierung Barnier in Frankreich. Bild: Jean-Marc RICHARD/ Shutterstock.com

Frankreichs Premier Barnier kämpft um politisches Überleben. Rechte und Linke drohen mit einem Misstrauensvotum. Die nächsten zwei Tage könnten Europa erschüttern.

Die Regierung des französischen Premierministers Michel Barnier steht vor einer entscheidenden Bewährungsprobe, möglicherweise binnen 48 Stunden sogar vor dem Aus.

Wie die Tageszeitung Le Monde berichtet, droht die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen mit einem Misstrauensvotum, sollte Barnier nicht auf ihre Forderungen beim Haushalt eingehen. Auch die Linke spricht der Regierung das Misstrauen aus.

Le Pen hatte Barnier bis Montag Zeit gegeben, mehrere "rote Linien" im geplanten Sozialhaushalt für 2025 zu entfernen. Dazu gehören Steuererhöhungen auf Strom, das Verschieben der jährlichen Inflationsanpassung von Renten und Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung für Einwanderer ohne Papiere.

Barnier, der erst seit September im Amt ist, hatte bereits einige Zugeständnisse gemacht. Laut Budget-Minister Laurent Saint-Martin sind jedoch keine weiteren Kompromisse mehr möglich, ohne die Sanierung der Staatsfinanzen zu gefährden. Frankreichs Defizit wird dieses Jahr voraussichtlich 6,1 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen.

Die Regierung hat nun zwei Möglichkeiten, den Haushalt durch das Parlament zu bringen – beide erfordern zumindest die Duldung durch den RN. Da Barniers Mitte-Rechts-Koalition keine eigene Mehrheit hat, könnte sie versuchen, im Vertrauen auf RN-Enthaltungen eine Abstimmung zu gewinnen.

Alternativ kann sie die Abstimmung ganz umgehen, indem sie Artikel 49.3 der Verfassung auslöst und damit die Verantwortung der Regierung für das Finanzierungsgesetz der Sozialversicherung für 2025 übernimmt.

Barnier und sein Punkt der Wahrheit

Genau diesen Schritt ist Barnier am Montag gegangen. Vor den Abgeordneten versicherte der am 5. September ernannte Regierungschef, er sei nun an einem Punkt der Wahrheit angelangt, der jeden in die Verantwortung nehme:

Jetzt liegt es an Ihnen (...), zu entscheiden, ob (das) Land sich mit verantwortungsvollen, unverzichtbaren und nützlichen Finanztexten (für seine) Mitbürger ausstattet. Oder ob wir in unbekanntes Gebiet vorstoßen.

Frankreichs Premierministers Michel Barnier

Er rief zudem dazu auf, "die Zukunft der Nation" über "partikulare Interessen" zu stellen.

Prompte Reaktion der Opposition

Doch die Opposition reagierte umgehend. Jordan Bardella, Präsident des RN, kündigte an, dass seine Partei einen Misstrauensantrag einbringen werde, versicherte jedoch, dass die rechtsextremen Abgeordneten auch den Antrag der Linken unterstützen würden.

Die Linke hatte zuvor bereits einen eigenen Misstrauensantrag eingereicht und bedauert, dass "die Regierung zu keinem Zeitpunkt die Abstimmungen der Versammlung berücksichtigt und den Weg zur Diskussion eröffnet hat. Sie hat die Änderungsanträge der Gruppen der Neuen Volksfront abgetan".

Showdown bis Donnerstag

Eine Abstimmung über die Misstrauensanträge kann allerdings erst 48 Stunden nach deren Einreichung erfolgen, also frühestens am Mittwoch oder Donnerstag. Die Abgeordneten haben nach der Auslösung von Artikel 49.3 durch den Regierungschef vierundzwanzig Stunden Zeit, um einen Misstrauensantrag zu stellen.

Gemeinsam hätten RN und das linke Bündnis eine Mehrheit, die Regierung zu Fall zu bringen. Die Instabilität in Paris schürt auch Sorgen in Brüssel und Berlin. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat Frankreich eine Schlüsselrolle.

Belastung für die gesamte EU

Ein unkontrolliert wachsender Schuldenberg könnte die gesamte Währungsunion belasten. Zugleich ist Frankreich der engste Partner Deutschlands in der EU. Eine handlungsunfähige Regierung in Paris würde wichtige europäische Projekte verzögern.

Beobachter sehen die Ursachen der Krise im Erstarken der politischen Ränder seit der letzten Präsidentschaftswahl. Sowohl RN als auch NUPES hatten massiv Stimmen hinzugewonnen, während die Mitte um Präsident Emmanuel Macron stark geschwächt wurde. Hasardeur-Winkelzüge Macrons, wie vorgezogene Neuwahlen im September, verschärften die Lage weiter.

Premierminister Barnier versucht nun verzweifelt, die rechte Flanke mit weitreichenden Zugeständnissen zu besänftigen. Im Gegenzug verlangt der RN jedoch nicht nur inhaltliche Korrekturen, sondern auch medial sichtbaren "Respekt".

Ob der Spagat zwischen Sachpolitik und Symbolik gelingt, dürfte sich in den kommenden 48 Stunden entscheiden. Ein Scheitern Barniers würde Frankreich und Europa in eine Periode großer Unsicherheit stürzen.

Die Differenz zwischen den Zinssätzen der französischen und deutschen Anleihen hat sich nach dem Vorgehen nach dem Verfassungsartikel 49.3 bereits erheblich vergrößert – ein Indiz für die wachsende Nervosität der Märkte, die sich auf ganz Europa ausweiten könnte.