Die regelbasierte Weltordnung und ihre Feinde
- Die regelbasierte Weltordnung und ihre Feinde
- Nordkorea "stört" in Asien
- Streben nach atomarer Dominanz
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Westliche Staaten propagieren eine regelbasierte Weltordnung, die nicht von allen Ländern anerkannt wird. Über zwei Störenfriede und wie sich der Westen gegen sie durchsetzen möchte. (Teil 1)
Die "regelbasierte Weltordnung" sieht sich seit geraumer Zeit mit vielfältigen, ärgerlichen, aus ihrer Sicht inakzeptablen und nicht mehr hinnehmbaren Herausforderungen konfrontiert. Für die regelbasierte Weltordnung westlicher Prägung und ihre sachkundigen Organisatoren, Betreuer und Verteidiger ist dies kein Grund, den Kopf hängenzulassen, sondern vielmehr willkommener Anlass zu neuen geo- und weltpolitischen Großtaten. Die Herausforderungen werden dadurch nicht kleiner. Und gemütlicher wird die Welt erst recht nicht.
Grund genug, den Antworten der Macher und Gegner der regelbasierten Weltordnung ein wenig nachzugehen und sie einmal explizit zu Wort kommen zu lassen. Der eine oder andere historische Rückblick ist bisweilen angebracht, denn immerhin kann die regelbasierte Weltordnung seit 1945 auf eine "Erfolgsgeschichte" zurückblicken. Es ist kein Zufall, dass die heute sogenannten "Autokratien" Iran und Nordkorea neben Russland von Anfang an bis heute eine prominente Rolle inmitten der regelbasierten Weltordnung spielen; und mit dem Aufstieg der VR China scheint für diese Weltordnung ernsthaft einiges auf dem Spiel zu stehen.
Iran – der Störenfried im Mittleren Osten
Mit dem illegalen Staatsumsturz/"Regime Change" 1979 durch Ayatollah Khomeini und der Umkehrung der persischen Staatsräson vom US-Verbündeten und brutalen Folterstaat unter Schah Reza Pahlewi zum antiamerikanischen und antiwestlichen schiitischen Gottesstaat hat sich der Iran über Nacht die entschiedene Feindschaft der USA bzw. des Westens zugezogen.
Radikalisiert haben die USA diese Feindschaft umso mehr, als der Iran gerade in Konkurrenz und Gegensatz zu den westlichen "Partnern" Saudi-Arabien und Israel praktisch Regionalmachtambitionen geltend macht. Diese Ambitionen setzt der Iran mit Diplomatie und Stellvertretergruppen um: Hamas, Hisbollah, Huthis, Al-Kuds-Brigaden.
Außenpolitisch greift der regional ambitionierte Iran damit in den arabischen Krisenbogen ein, um eine antisunnitisch-schiitische Achse zu schaffen. Und mit der Unterstützung Syriens zeigt der Iran, dass er nach wie vor nicht bereit ist, sich den von den USA vorgegebenen regionalpolitischen Regeln und Vorgaben für die Region ohne weiteres zu beugen.
Damit verletzt der Iran die globalen Interessen der Weltordnungsmacht Nr. 1 in dieser Region. Kein Wunder also, dass Irans Atomprogramm zur friedlichen Nutzung der Kernenergie unter dem westlich-amerikanischen Verdacht steht, sich ohne Erlaubnis der atomaren Weltsupermacht USA atomar bewaffnen zu wollen.
Dieser US-Regeln und -Vorgaben verletzende Störenfried ist mit seinem orientalisch-fremden Mullah-Regime definitiv als außen-, welt- und geopolitischer Feind markiert, sieht sich als "Schurkenstaat" mit der Kapitulationsforderung der USA konfrontiert und steht ganz oben auf der Abschussliste der wertegeleiteten USA.
Irans ehrgeiziger Selbstbehauptungswille verdient daher seit 1979 ein Sanktionsregime, und zwar ein Sanktionsregime unter "maximalem Druck" (Donald Trump), mit der Perspektive eines Putsches von US-Gnaden: Unter anderem mit dem Ziel der massiven Verarmung der iranischen Bevölkerung, um den Boden für einen erneuten, diesmal hauptsächlich innenpolitisch getriebenen Staatsumsturz zu bereiten.
Jüngste Ereignisse bestätigen den negativen Befund über den Iran und bestärken die USA in ihrer Entschlossenheit, den heutigen Iran zu zerstören. Der Tod der 22-jährigen Kurdin Masha Amini bietet zugleich die Gelegenheit, die deutsche "feministische Außenpolitik" im Zuge ihrer offensiven Einmischung in das Weltgeschehen ins Spiel und ins allgemeine Bewusstsein zu bringen, ihre moralische Erhabenheit zur Schau zu stellen und weitere Sanktionen zu verhängen.
... braucht die iranische Zivilgesellschaft, die täglich neue Maßstäbe für die Definition von Mut setzt, unsere Unterstützung. Auch wenn es aktuell kaum möglich ist, Menschenrechtsprojekte in Iran selbst zu unterstützen, ist es wichtig, dass unsere Solidarität mit den Protestierenden auf Irans Straßen auch konkret spürbar wird.
Annalena Baerbock, Außenministerin Deutschlands, am 26.10.2022
Solch aufmunternde, den "Mut" vor Ort fördernde und "konkret spürbare" Unterstützung, die die Ukrainer seit dem 24. Februar 2022 ganz praktisch in den Opfergang treibt, will die feministische deutsche Außenpolitik auch den Iranern angedeihen lassen. Und hier hat sie bereits einige Erfolge zu vermelden: Die Proteste und die staatliche Unterdrückung der Proteste gehen weiter – was wiederum die moralische Güte und den Humanismus der deutschen "feministischen Außenpolitik" unter Beweis stellt.
Und was leistet sich der Iran trotz "maximalem Druck" durch das Sanktionsregime? Vermutlich liefert er Russland Drohnen für den Ukraine-Krieg. Nach der unmissverständlichen Klarstellung der Weltsupermacht, dass ausschließlich die USA und im Verbund mit ihr die NATO und die EU darüber entscheiden, wer, wann, an wen, in welchem Umfang und in welcher Qualität Waffen liefern darf, um das laufende Gemetzel namens "Krieg" am Laufen zu halten, hat der Iran eher defensiv den Tatbestand eingeräumt:
Bislang hatte der Iran bestritten, Russland mit Drohnen versorgt zu haben, die im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz kommen. Nun räumt der Außenminister des Landes ein, man habe vor dem Krieg eine "geringe Zahl" geliefert.
Tagesschau, 5.11.2022
Dennoch bleibt festzuhalten: Der Iran gibt in seinen Regionalmachtambitionen nicht nach, sondern legt ein außenpolitisches Verhalten an den Tag, das grundsätzlich den USA und den mit ihnen in NATO und EU verbündeten Wertepartnern vorbehalten ist:
Vor allem der Iran mischt sich in die inneren Angelegenheiten seiner Nachbarn ein, verbreitet über Stellvertreter Raketen und Drohnen, plant Anschläge auf Amerikaner, auch auf ehemalige Beamte, und treibt ein Atomprogramm voran, das über jeden glaubwürdigen zivilen Bedarf hinausgeht.
Biden-Harris National Security Strategy, October 2022
Neben dem Iran macht sich ein weiterer Selbstbehauptungswille bemerkbar, der sich der US-geführten westlichen Welt und ihrer globalen regelbasierten Weltordnung nicht umstandslos unterordnen will und deshalb im Lichte der westlichen Weltöffentlichkeit moralisch durchweg negativ markiert ist.