zurück zum Artikel

Die reichen Staaten zahlen nicht für ihre Klimaschäden – vor allem in Afrika

Somalier, die vor Klimaschocks wie Dürren und Überschwemmungen fliehen müssen. Bild: Flickr / CCO

Energie und Klima – kompakt: Auf dem afrikanischen Klima-Gegengipfel in Nairobi werden echte Reparationen gefordert. Der Kontinent leidet am meisten, hat aber kaum zum Klimawandel beigetragen. Was eine neue Studie offenlegt.

Es ist eine kleine Premiere. Erstmals kommen Afrikas Staats- und Regierungschefs dieser Tage im Vorfeld der jährlichen UN-Klimakonferenz [1] zu einem eigenen Klimagipfel [2] zusammen.

In Kenias Hauptstadt Nairobi haben sich rund 30.000 Beobachter und Delegierte versammelt, um über die Klimakrise in Afrika, über Anpassungsmaßnahmen und ihre Forderungen an die reichen Länder zu sprechen, die für den ganz überwiegenden Teil der in der Atmosphäre akkumulierten Treibhausgase verantwortlich sind. Auch UN Generalsekretär António Guterres ist gekommen.

Die Ära der globalen Erwärmung ist vorbei, die Ära des globalen Kochens hat begonnen. Keine Entschuldigungen mehr. Kein Warten auf andere mehr. Wir haben keine Zeit mehr dafür. Noch kann die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius beschränkt und die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindert werden. Aber nur mit dramatischen und sofortigen Klimaschutzmaßnahmen,

… hatte der UNO-Chef-Diplomat im Juli gewarnt [3].

Afrika gehört zu den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Regionen des Planeten und hat zugleich nur sehr wenig zum Problem beigetragen. Die Weltmeteorologie Organisation WMO, der Dachverband der nationalen Wetterdienste, hatte im September 2022 in seinem letzten Bericht [4] über das afrikanische Klima festgestellt, dass die Niederschlagsmuster gestört sind und viele Gemeinschaften und Ökosysteme schwer unter Wasserstress leiden.

Das afrikanische Klima habe sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stärker erwärmt als der globale Durchschnitt, und der Meeresspiegel würde an den afrikanischen Küsten, insbesondere am Roten Meer und im Südwesten des Indischen Ozeans, ebenfalls überdurchschnittlich steigen.

Zur Zeit des Berichts drohte am Horn von Afrika eine schwere Hungerkrise, weil das wiederholte Ausbleiben von ausreichend Niederschlägen in der Regenzeiten die Ernten und damit das Einkommen vieler Menschen vernichteten. Hohe Preise für Nahrungsmittelimporten führten dazu, dass 58 Millionen Menschen in Somalia, Kenia und Äthiopien unter extremer Unsicherheit der Nahrungsmittelversorgung litten.

Gabriella Bucher, Geschäftsführerin der Entwicklungsorganisation Oxfam International stellte seinerzeit fest [5]:

Die Menschen in Ostafrika hungern nicht, weil es der Welt an Nahrung oder Geld mangelt, sondern weil es an politischem Mut fehlt. Obwohl es immer mehr Alarmsignale gab, haben führende Politiker zu spät und zu verhalten reagiert, sodass jetzt Millionen Menschen mit einer Katastrophe konfrontiert sind. Hunger ist die Folge politischen Versagens.

Inzwischen bereitet sich die Region auf extreme Niederschläge vor, die aber die Situation nicht wirklich verbessern werden, weil der harte, ausgedörrte Boden kaum Wasser aufnehmen kann. Überschwemmungen und Zerstörungen von Ernten sind die wahrscheinliche Folge. Die Fernwirkungen des sich im tropischen Pazifik seit einigen Wochen entwickelnde El-Niño-Ereignisses, werden sich am Horn von Afrika voraussichtlich als Starkregen bemerkbar machen.

Gebrochene Versprechen

Verschlimmert wird dies Situation dadurch, dass die meisten Menschen meist ohne Vorwarnung getroffen werden, weil es an funktionierenden Systemen der Wetterbeobachtung, -vorausberechnung und -frühwarnung fehlt. Das riesige Afrika ist zum Teil regelrecht ein weißer Fleck auf den Wetterkarten. Die dortigen Wetterdienste sind oft schlecht ausgerüstet und das Netz der Wetterbeobachtungen ist viel zu weitmaschig.

Die WMO wies auch darauf hin, dass nur 40 Prozent der afrikanischen Bevölkerung Zugang zu Unwetterwarnungen haben. Nach ihren Angaben [6] gibt es zum Beispiel nur 26 Wetterradars in Afrika, von denen sieben nicht im Betrieb sind und der Rest sich überwiegend in Südafrika konzentriert. Im viel kleineren Europa sind es hingegen 354.

Doch der Aufbau von Wetterstationen, die Ausbildung von Meteorologinnen und Meteorologen, Großrechner für die Wettermodelle und manches mehr, kosten viel Geld. Auch Küstenschutz, die Anpassung der Landwirtschaft an das wärmere und wechselhaftere Klima, die Anpassung der Städte an Hitze und Starkregen und nicht zuletzt der Aufbau einer erneuerbaren Energieversorgung benötigen umfangreiche Finanzierungen.

Geld, dass eigentlich die Verursacher der Misere, die reichen Industrieländer zahlen sollten. Tatsächlich gibt es auch entsprechende Zusagen. Schon auf dem UN-Klimagipfel in Kopenhagen [7] – berüchtigt unter anderem für die massive [8] Polizeigewalt [9] gegen Demonstranten, die mehr Klimaschutz forderten – gab es die Zusage, dass die reichen Länder ab 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich in einen Anpassungsfonds zahlen würden.

Doch davon kann noch immer keine Rede sein. Nur ein kleines Rinnsal an Geldern erreicht die am härtesten betroffenen Staaten. Oxfam kritisiert [10], dass zum Beispiel 2021 Kenia, Südsudan, Somalia und Äthiopien nur 2,4 Milliarden US-Dollar klimabezogener Gelder bekommen haben. Das stünde im krassen Gegensatz zu den 53,3 Milliarden US-Dollar, die Ostafrika jährlich benötige, um seine Klimaziele für 2030 zu erreichen.

Die reichen Länder hätten lediglich einen symbolischen Betrag gezahlt. "Im Zentrum der ostafrikanischen Hungerkrise steht eine himmelschreiende Klimaungerechtigkeit: Reiche Umweltverschmutzer ignorieren die Milliarden, die sie Ostafrika schulden, während dort die Menschen aufgrund der Klimakatastrophe hungern müssen", meint Fati N'Zi-Hassane, die Direktorin von Oxfam in Afrika.

Eine lang anhaltende Dürre und unregelmäßige Regenfälle haben in der Region Ostafrika fast 13 Millionen Tiere getötet, heißt es bei Oxfam. Millionen von Menschen seien durch die Dürre ohne Einkommen und Nahrung und über 40 Millionen Menschen in den vier Ländern litten Hunger. Trotz des enormen humanitären Bedarfs hätten die reichen Länder in diesem Jahr bisher nur etwa ein Drittel des UN-Hilfsaufrufs für Ostafrika in diesem Jahr erfüllt.

Auch in Deutschland ist es grünen, liberalen und sozialdemokratischen – und der rechten und faschistischen Opposition sowieso – offensichtlich wichtiger, Waffen [11] für die Bundeswehr einzukaufen, neue Kriege vorzubereiten und ansonsten Braunkohlekonzerne zu subventionieren [12].


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9296724

Links in diesem Artikel:
[1] https://unfccc.int/cop28
[2] https://africaclimatesummit.org/
[3] https://www.un.org/sg/en/content/sg/speeches/2023-07-27/secretary-generals-opening-remarks-press-conference-climate
[4] https://africaclimatesummit.org/
[5] https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2022-05-18-ostafrika-oxfam-save-the-children-untersuchen-studie-dangerous
[6] https://wrd.mgm.gov.tr/Home/Wrd
[7] https://www.telepolis.de/features/Nach-dem-Scheitern-in-Kopenhagen-3383900.html
[8] https://www.telepolis.de/news/Kopenhagen-Naechtlicher-Ueberfall-2019752.html
[9] https://www.telepolis.de/news/Chaos-in-Kopenhagen-1988728.html
[10] https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2023-09-04-reiche-laender-zahlten-weniger-fuenf-prozent-benoetigten
[11] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/bundeswehr-sondervermoegen-waffen-panzer-100.html
[12] https://www.wecf.org/de/milliarden-subventionen-fuer-braunkohle/