Digitale Mauer durch Europa: USA spaltet EU mit KI-Chip-Politik

Bernd Müller
3D illustration, USA und KI-Chips

(Bild: DesignRage / Shutterstock.com)

USA teilen Länder in Kategorien ein, um KI-Chip-Exporte zu kontrollieren. Osteuropäische EU-Staaten fühlen sich benachteiligt. Droht ein transatlantischer Handelskrieg?

Zwischen den USA und der Europäischen Union gibt es neuen Konfliktstoff. Die Ursache ist ein der letzten Entscheidungen, welche die Biden-Regierung getroffen hat. Um die Dominanz bei der Künstlichen Intelligenz zu behalten, hatte sie die Ausfuhr von KI-Chips beschränkt – auch für alle Länder Ost- und Südosteuropas.

Washington will mit dieser Maßnahme sicherstellen, dass die USA Taktgeber bei der KI-Entwicklung bleiben. Diese solle mit amerikanischen Standards übereinstimmen und auf US-Technologie basieren, heißt es bei Bloomberg.

Dreistufiges System für KI-Chip-Exporte

Washington hat demnach ein dreistufiges System eingeführt, um den Verkauf der Chips, die in Rechenzentren für künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden, zu regulieren. Dabei wurden die Länder in drei Kategorien eingeteilt:

  1. Enge Verbündete wie Kanada, Japan, Großbritannien und westeuropäische Staaten haben weitgehend uneingeschränkten Zugang.
  2. Die weltweit meisten Länder, darunter auch osteuropäische EU-Staaten wie Polen, unterliegen Obergrenzen für den Import von Chips.
  3. Gegner wie China und Russland sind faktisch vom Kauf ausgeschlossen.

Unternehmen aus Ländern der zweiten Kategorie könnten die Beschränkungen umgehen, indem sie sich auf US-Sicherheitsstandards und Menschenrechtsvorgaben einlassen. Sie würden dann als "verifizierte Endnutzer" höhere Kontingente erhalten.

EU sieht Verletzung des Binnenmarkts

Für Europa bedeutet dies, dass sich ein Riss mitten in Europa auftut. Die Länder auf der einen Seite können sich technologisch schneller entwickeln als die Länder auf der anderen Seite – obwohl fast alle der EU angehören und Teil des europäischen Binnenmarkts sind.

In Europa regt sich dagegen zaghaft Protest. Die EU-Kommission beabsichtigt, ihre Bedenken gegen Washington vorzutragen, berichtet Bloomberg. Schließlich verstoßen die Bestimmungen gegen die Regeln des EU-Binnenmarkts, und sie würden im Osten des Wirtschaftsblocks Innovationen behindern, während westeuropäische Unternehmen auf unfaire Weise begünstigt würden.

In Polen, das sich in den vergangenen Jahren als enger Verbündeter Washingtons sah, treffen die neuen Ausfuhrbestimmungen auf reichlich Unverständnis. Digitalminister Krzysztof Gawkowski bezeichnete die US-Entscheidung als "unverständlich und nicht sachlich begründet". Die baltischen Staaten erklärten, sie untergrabe "die Entwicklung unserer nationalen KI-Ökosysteme".

Chiphersteller warnen vor Folgen

Auch die US-Chipindustrie hatte vor den neuen Exportregeln gewarnt. Chiphersteller Nvidia betonte laut Bloomberg:

Eine Regel, die in letzter Minute die Exporte in den größten Teil der Welt einschränkt, wäre eine bedeutende Änderung der Politik, die das Risiko des Missbrauchs nicht verringern, aber das Wirtschaftswachstum und die Führungsrolle der USA gefährden würde.

Der Branchenverband SIA erklärte:

Eine Änderung der Politik in diesem Umfang und dieser Bedeutung sollte nicht in einer Zeit des Präsidentenwechsels und ohne sinnvolle Beiträge der Industrie überstürzt werden. Hier steht zu viel auf dem Spiel, als dass man einen Beratungsprozess umgehen könnte.

Chance und Risiko für die USA

Doch die US-Regierung sieht in den Regeln auch eine Chance. Da US-Chips bei KI chinesische weit übertreffen, verleihe dies Amerika "eine einzigartige Rolle als Torwächter" und "potenziell bedeutenden Einfluss auf die Gestaltung der globalen KI-Entwicklung", so Insider laut Bloomberg.

Der US-Kongress drängt die Regierung, dies zu nutzen. Es sei "eine einmalige Gelegenheit, die KI-Technologie der USA wirksam einzusetzen", schrieben führende Demokraten und Republikaner an die frühere Handelsministerin Gina Raimondo. Die Chipnachfrage sei "eine Gelegenheit, sowohl Unternehmen als auch Länder aus Pekings Einflussbereich herauszulösen."

Ob die USA damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Klar ist: Der Streit um die Zukunftstechnologie KI dürfte die Handelsbeziehungen mit Europa auf eine neue Belastungsprobe stellen. Und er könnte den technologischen Wettlauf mit China weiter befeuern.