Diskriminierung durch Polizei: Indizien für Racial Profiling in Deutschland

Verhaltensunabhängige Polizeikontrollen aufgrund von Äußerlichkeiten verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot. Symbolbild: Henning Schlottmann / CC-BY-SA-4.0

Als "ausländisch" wahrgenommene Personen werden deutlich häufiger kontrolliert – allerdings gibt es auch Unterschiede nach Geschlecht und Alter. Welche Faktoren entscheidend sind.

Dunkelhäutige Personen und Kopftuchträgerinnen werden in Deutschland etwa doppelt so häufig von der Polizei kontrolliert als Menschen, die nicht als "ausländisch" wahrgenommen werden – das ergab eine bundesweite Befragung, die der wissenschaftliche Stab des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) veranlasst hat.

"Unsere Daten zeigen, dass es ein Ungleichgewicht bei polizeilichen Kontrollen im öffentlichen Raum gibt. Menschen mit Migrationshintergrund werden häufiger überprüft als Menschen ohne einen solchen Hintergrund", so der Mitautor des SVR-Policy Briefs zu Racial Profiling in Deutschland, Maximilian Müller.

"Analysiert man die Daten des SVR-Integrationsbarometers genauer, zeigt sich, dass dafür nicht der Migrationshintergrund an sich ausschlaggebend ist, sondern die phänotypische Differenz. Damit gemeint sind vor allem äußere Merkmale: die Hautfarbe und die Kleidung, wie etwa ein Kopftuch."

Befragte, die nach eigenen Angaben als ausländisch wahrgenommen werden, berichteten mit 8,3 Prozent etwa doppelt so häufig von Polizeikontrollen im öffentlichen Raum als Befragte, die aus ihrer Sicht der "weißen Norm" entsprechen. Von ihnen gaben nur 4,4 Prozent an, polizeilich überprüft worden zu sein.

Junge Männer am häufigsten betroffen

Allerdings werden auch unabhängig vom individuellen Erscheinungsbild Männer im Vergleich zu Frauen häufiger kontrolliert. Dies trifft vor allem auf junge Männer zu. Müller spricht allerdings auch von "Intersektionalen Effekten", da insgesamt keine Gruppe so häufig kontrolliert werde wie Männer in der Altersgruppe zwischen 15 bis 34 Jahren, die als "ausländisch" wahrgenommen werden.

Zu beachten sei aber auch die unterschiedliche Zusammensetzung der beiden Gruppen nach Geschlecht und Alter, sagt Müller: "Anders formuliert: Phänotypisch differente Personen werden bis zu einem gewissen Grad allein deshalb häufiger von der Polizei kontrolliert, weil es in dieser Gruppe schlicht mehr junge Männer gibt."

Insgesamt werden junge Männer unabhängig von der Herkunft häufiger straffällig als andere Bevölkerungsgruppen. Aber auch wenn dieser und weitere soziodemografische Unterschiede statistisch berücksichtigt würden, bleibe "ein signifikanter Unterschied in der Kontrollwahrscheinlichkeit". Müller wertet die Ergebnisse somit als Indiz dafür, "dass Racial Profiling in Deutschland existiert".

Heftig umstritten war die Thematik bisher, weil Polizeikontrollen, die aufgrund äußerlicher Merkmale und nicht aufgrund des Verhaltens der Betroffenen stattfinden, als unzulässige Ungleichbehandlung gelten – sie verstoßen gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. Racial Profiling lässt sich in Deutschland aber nicht anhand administrativer Daten untersuchen, da die entscheidenden Merkmale in den einschlägigen Statistiken nicht erfasst werden.

Wohnortverteilung nicht berücksichtigt

Repräsentative Erhebungen wie das SVR-Integrationsbarometer seien daher eine wichtige Basis, um das Phänomen zu untersuchen, so Alex Wittlif, Ko-Autor des Policy Briefs: "Erstmals können wir empirisch auf einer repräsentativen Basis Unterschiede in der Kontrollhäufigkeit von phänotypisch differenten Menschen untersuchen."

Dabei sei es allerdings wichtig anzuerkennen, dass die vermehrten Kontrollen nicht zwangsläufig nur auf Racial Profiling zurückzuführen sind.

"Es gibt viele Faktoren, die hier eine Rolle spielen können – nicht alle konnten in unserem Studiendesign erfasst werden. So können wir den Effekt einer unterschiedlichen Wohnortverteilung nicht 'herausrechnen'. Kriminalitätsschwerpunkte, in deren Umgebung generell häufiger kontrolliert wird, befinden sich häufig in sozial benachteiligten Stadtvierteln mit einem hohen Anteil an Zugewanderten und ihren Nachkommen."