"Dollar-Dämmerung": Markiert Lulas China-Besuch das Ende einer Ära?
"Wer hat entschieden, dass es der Dollar ist?", fragt Brasiliens Präsident. Die Chefin der "Neuen Entwicklungsbank" ist seine Amtsvorgängerin. Ist Brasilien nicht mehr "neutral"?
Die Kritik des brasilianischen Präsidenten an der Dominanz des US-Dollars im internationalen Handel erregt die Gemüter der westlichen Welt. "Warum können wir nicht in unserer eigenen Währung handeln?", hatte Luiz Inácio Lula da Silva am Mittwoch in einer Rede in der chinesischen Metropole Shanghai gefragt. "Wer hat entschieden, dass es der Dollar ist? Wir brauchen eine Währung, die die Länder in eine etwas ruhigere Situation bringt, denn heute muss ein Land dem Dollar hinterherlaufen, um zu exportieren."
Der brasilianische Präsident war mit knapp 300 Firmenvertretern nach Beijing gereist. China und Brasilien hatten sich bereits Ende März darauf verständig, mehr Handel direkt in ihren eigenen Landeswährungen zu ermöglichen, um unabhängiger vom US-Dollar zu werden.
Zu wenig neutral oder zu wenig parteiisch?
Nach Einschätzung des Spiegel hat Lula nun den Westen "verschreckt": Jahrzehntelang sei Brasilien außenpolitisch neutral gewesen, doch unter Lulas wende sich das Land China zu. Sein Ziel sei "die Neuordnung der Welt", schreibt das Magazin.
Allerdings war Lula schon von 2003 bis 2011 Präsident Brasiliens – in den letzten Monaten wurde ihm eher vorgeworfen, dass er im Ukraine-Krieg nicht parteiisch im Sinne westlicher Nato-Staaten und der Ukraine sein will. Er hatte Waffenlieferungen eine klare Absage erteilt und wollte sich bei Bedarf als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine zur Verfügung stellen. Auch das spielte nach Medienberichten eine Rolle bei seinen Gesprächen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
Weltwährungssystem vor "epochalem Umbruch"
"Lula sagt, was Peking hören will", kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung den China-Besuch des Brasilianers.Tatsächlich hat in Shanghai gerade Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, die als "Lula-Vertraute" gilt, den Vorsitz der 2015 von den BRICS-Staaten gegründeten "Neuen Entwicklungsbank" übernommen – in Konkurrenz zum Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Dem BRICS-Zusammenschluss gehören neben China und Brasilien noch Indien, Südafrika und Russland an.
Von der "Dollar-Dämmerung" spricht in diesem Zusammenhang die im Axel-Springer-Verlag erscheinende Welt: "Das Weltwährungssystem steht vor einem epochalen Umbruch", schreibt das Blatt. "Der Dollar hat gegenüber dem Euro stark abgewertet und steht auf einem Jahrestief. Auch ansonsten spricht einiges für ein Ende der Dollar-Hegemonie."
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits im März angekündigt, in Zukunft Öl- und Gasgeschäfte mit der Volksrepublik China in Yuan abzuwickeln. Erstmals war im vergangenen Monat der chinesische Yuan die meistgehandelte Devise an der Moskauer Börse.