Drittes Entlastungspaket: Das große 65-Milliarden-Euro-Versprechen

Haupteingang des Bundeskanzleramtes. Bild (2020): Tischbeinahe/CC BY 3.0

Die Regierung kündigt Einmalzahlungen, Steuererleichterungen für Midi-Jobs und Sonderzahlungen, ein neues Wohngeld, mehr Bürgergeld und ein neues Deutschland-Ticket an. Zur Hälfte soll das Geld von "Zufallsgewinnen" der Unternehmen am Strom- und Wärmemarkt kommen.

"Unser Land steht vor einer schweren Zeit". Mit einiger Dramatik kündete Kanzler Scholz heute Mittag das Entlastungspaket an, das Deutschland sicher durch die Krise und den Winter bringen soll und "niemanden alleine lassen wird".

Historische Zeiten, historische Maßnahmen: Der Umfang des Entlastungspaktes wird mit 65 Milliarden Euro veranschlagt. Das ist mehr als die beiden vorgängigen Entlastungspakete zusammen (30 Milliarden) und stellt Fragen nach der Finanzierung.

Die Hälfte, so führte Finanzminister Lindner bei der heutigen Pressekonferenz aus, 32 Milliarden, sind vom Haushalt für 2022 und 2023 gedeckt. Dafür sei kein Nachtragshaushalt nötig. So weit das Versprechen des Finanzministers.

Bei der anderen Hälfte beginnt das richtig unsichere Gelände. Die Absicht besteht, auf einen kurzen Nenner gebracht, darin, so in den Strom- und Wärmemarkt einzugreifen, dass "Zufallsgewinne" oder "Übergewinne" - beide Formulierungen wurden in der Pressekonferenz abwechselnd, ohne Präzisierungen verwendet – von Unternehmungen abgeschöpft werden, um mit den Milliarden aus diesem Topf, Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren.

Marktordnung bei den Strom- und Wärmemärkten ändern

Man werde die Marktordnung bei den Strom- und Wärmemärkten ändern, sagte Scholz. Die EU-Kommission arbeite schon daran; man warte ab, was als europäische Lösung herauskomme, um im Einklang mit Europa zu stehen, nötigenfalls aber werde es auch national geregelt, ließ der Kanzler verstehen.

"Strompreisbremse" und "Erlösobergrenze" waren Schlagworte, die in diesem Zusammenhang fielen. Finanzminister Lindner sprach von einem zweistelligen Milliardenbetrag, "der aus dem Strommarkt abgezogen wird".

Wie es aussieht, ist es eine Prämisse für das große Versprechen, dass dies auch so funktioniert, wie es "einfach so" klingt. Zu ahnen ist, dass hier viel juristische, nicht zuletzt auch vertragsjuristische, und politische Arbeit gegen oder auch mit Lobbys, mit oder gegen europäischen Nachbarn, etwa die Niederlande, verrichtet werden muss, um das zu realisieren.

Für diejenigen, die sich beim Markt an der Angebotsseite orientieren, zeigt sich da ein grundsätzlich schwieriges Problem, wie es in einer Phönix-Presserunde zum Entlastungspaket aufgetischt wurde: Wie kriegt man hin, dass diejenigen Unternehmen, die "uns mit Energie versorgen", mit der Aussicht tätig sind, dass ihre Gewinne zum großen Teil abgeschöpft werden?

Und dann gibt es noch Rechenaufgaben, die, wie die Diskussion über die Gasumlage von Habeck gezeigt hat, sich manchmal erst später in ihrer politisch wuchtigen Konsequenz zeigen.

Winter der Solidarität: "Wir haken uns alle unter"

Gedacht ist das Entlastungspaket zur Beruhigung, zur Linderung der Nöte und Sorgen, von kleineren Handwerksbetrieben, Mietern, Geringverdienern bis zu Unternehmern, die man "sehr sehr ernst nimmt" (Scholz).

Von einem "Winter der Solidarität" sprach der Ko-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour. Der Kanzler hatte vorher wieder sein liebes Bild "Wir haken uns alle unter" beschworen. "Wir werden uns nicht spalten lassen", hieß die Botschaft Richtung Moskau.

Ein großes Angebot

Steht die Finanzierung, so hat das Entlastungspaket viel zu bieten. Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro jetzt auch für Rentnerinnen und Rentner und 200 Euro Studierende, eine Wohngeldreform, "die größte der Geschichte" (Scholz), die die Zahl der Unterstützungsberechtigten auf zwei Millionen wachsen lassen soll, eine Kindergelderhöhung um 18 Euro, einen Kinderzuschlag, ein Deutschlandticket – in der Nachfolge des Neun-Eurotickets –, das 69 Euro kosten soll. So der Preis, der auf der Pressekonferenz ohne Gewähr verbreitet wurde. (Nach der Pressekonferenz präzisierte die Tagesschau : "Ziel sei ein Ticket im Rahmen von etwa 49 bis 69 Euro pro Monat.")

Der Bund stellt dafür 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung, den Rest müssen die Länder aufbringen. Eine nächste Unsicherheit des "Konditionalpaktes", wie dazu in der Phönix-Presserunde angemerkt wurde.

Die Beitragssätze des Bürgergelds, das es ab 1. Januar 2023 geben wird, werden angehoben. Zum ersten Mal soll die künftige Inflation bei der Berechnung miteinbezogen werden. Konkret wurde die Summe von 500 Euro monatlich für eine(n) Erwachsene(n) als Regelsatz genannt – "ein schlechter Witz wie die Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro", heißt es vom Chef des Paritätischen Gesamtverbands –, aber auch die Minderjährigen sollen mehr bekommen, so die SPD-Ko-Vorsitzende Esken. Sie plädiert auch für höhere Löhne.

Ein großer Teil der Entlastungen läuft über die Steuer. Neu in die Diskussion wird der Begriff "Midi-Job" gebracht, das ist die "Zone nach den Mini-Jobs". Ab 520 Euro monatlich bis zunächst 1.600 Euro und ab Januar 2023 für "alle Einkünfte bis 2.000 Euro" (Scholz). Für sie soll es "mehr Netto vom Brutto" geben, so der Kanzler.

Rentenbeiträge sollen ab 1. Januar vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden. Sonderzahlungen von Arbeitgebern zur Unterstützung in der Krise sollen bis 3.000 Euro jährlich steuerfrei bleiben. Bei den unteren und mittleren Einkommen, so schätzte der Regierungschef, könnte sich die Entlastung, Wohngeld, Kindergeld und anderes mit einbezogen, auf etwa 1.000 Euro summieren.

Finanzminister Lindner sprach davon, dass er die kalte Progression eindämmen werde, wie er bereits zuvor angekündigt hatte, zur Präsentation des Entlastungspakets hatte er noch "innovative Maßnahmen" in petto. So soll es eine Home-Office-Pauschale geben, damit die Umständlichkeiten bei der Steuererklärung für das Arbeitszimmer beendet werden. Das Deutschlandticket soll, so Lindner, über ein digitales Abo laufen. Auch das sei neu.

Insgesamt, so der FPD-Politiker, verbinde das Paket "Solidarität mit Solidität und Leistungsgerechtigkeit". Es wird für Diskussionen sorgen.