Drohnen fliegen auch da, wo Menschen nichts mehr sehen

Bernd Müller
Autonome Drohnenroboter, die im Lagerverkehr fliegen, mit künstlicher Intelligenz und MiFly-Navigationssystem.

Symbolbild

(Bild: ART STOCK CREATIVE / Shutterstock.com)

Drohnen sind längst unverzichtbare Helfer in der Industrie. Doch in dunklen Hallen stoßen sie an ihre Grenzen. Eine neue Technologie könnte das jetzt ändern.

Bisher ist es kaum möglich gewesen, autonom agierende Drohnen in Innenräumen zu nutzen. Das schränkt ihre Nutzung in der Warenwirtschaft von Unternehmen deutlich ein. Doch Forscher des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben jetzt das MiFly-System entwickelt, mit dem die Navigation in dunklen Innenräumen etwa wie Lagerhäusern ermöglicht wird.

GPS und Lidar in Innenräumen unzuverlässig

Bisher navigieren die meisten Drohnen mithilfe von GPS oder Technologien wie Computer Vision und Lidar. Doch diese Systeme stoßen in Innenräumen schnell an ihre Grenzen. GPS funktioniert in Gebäuden nicht und auch Lidar und Computer Vision sind in dunklen Umgebungen oder Räumen mit einfachen Wänden und sich wiederholenden Strukturen unzuverlässig.

Genau hier setzt MiFly an. Das System ermöglicht es einer Drohne, sich in Innenräumen und Umgebungen mit schlechter Sicht selbst zu lokalisieren, also ihre Position zu bestimmen. Diese Selbstlokalisierung ist ein entscheidender Schritt für die autonome Navigation.

Millimeterwellen ermöglichen Navigation im Dunkeln

Das Herzstück von MiFly sind Millimeterwellen. Diese Funkwellen, die auch in modernen Radargeräten und 5G-Kommunikationssystemen zum Einsatz kommen, haben entscheidende Vorteile: Sie funktionieren im Dunkeln und können durch alltägliche Materialien wie Pappe, Kunststoff und Innenwände dringen.

Die Drohne sendet Millimeterwellen aus, die von einem einzigen kleinen Tag in ihrer Umgebung reflektiert werden. Dieser Tag, der wie ein Aufkleber an einer Wand angebracht werden kann, dient als Referenzpunkt für die Drohne. Da der Tag die Signale nur reflektiert und nicht selbst erzeugt, kommt er mit sehr wenig Strom aus.

Doppelte Polarisation und Modulation für präzise Positionsbestimmung

Zwei handelsübliche Radargeräte an der Drohne, eines horizontal und eines vertikal montiert, empfangen die reflektierten Signale. Durch die unterschiedliche Polarisation der Radargeräte können die Signale isoliert werden. Zudem wird den Signalen eine leichte Frequenzänderung hinzugefügt, ein Verfahren, das als Modulation bezeichnet wird.

"Jetzt kommen die Reflexionen aus der Umgebung mit einer Frequenz zurück, aber die Reflexionen vom Tag kommen mit einer anderen Frequenz zurück. Dadurch können wir die Antworten trennen und uns nur die Antwort vom Tag ansehen", erklärt Forschungsassistentin Laura Dodds.

Sensorfusion für Positionsschätzung in sechs Freiheitsgraden

Um die Position der Drohne im Raum vollständig zu bestimmen, reichen die Radardaten allein jedoch nicht aus. Die Forscher mussten auch die Rotation der Drohne berücksichtigen. Dazu nutzten sie die integrierte Trägheitsmesseinheit der Drohne, einen Sensor, der Beschleunigung sowie Höhen- und Lageänderungen misst.

Durch die Fusion dieser Sensordaten mit den Millimeterwellenmessungen vom Tag ermöglicht MiFly die Schätzung der vollständigen sechs Freiheitsgrade der Drohne in Echtzeit. Das bedeutet, dass neben der Position auch die Ausrichtung der Drohne im Raum bestimmt werden kann.

Beeindruckende Genauigkeit in Testflügen

In Hunderten Testflügen in verschiedenen Innenräumen, darunter auch in dunklen Tunneln unter den Campusgebäuden des MIT, bewies MiFly seine Leistungsfähigkeit. Das System lokalisierte die Drohne durchweg auf weniger als sieben Zentimeter genau.

Selbst wenn der Tag für die Drohne nicht direkt sichtbar war, blieb die Genauigkeit nahezu unverändert. Bis zu einer Entfernung von sechs Metern zum Tag lieferte MiFly zuverlässige Positionsschätzungen.

Vielversprechende Zukunftsaussichten für autonome Drohnen

Die Forscher sehen in MiFly eine solide Grundlage für die Entwicklung vollautonomer Drohnen-Navigationssysteme. Durch die Integration von MiFly könnte eine Drohne in Zukunft selbstständig entscheiden, wohin sie fliegen soll und eine Flugroute ausführen.

"Während sich unser Verständnis von Wahrnehmung und Datenverarbeitung verbessert, vergessen wir oft Signale, die außerhalb des sichtbaren Spektrums liegen. Hier haben wir uns über GPS und Computer Vision hinaus mit Millimeterwellen befasst und damit neue Möglichkeiten für Drohnen in Innenräumen erschlossen, die bisher nicht möglich waren", sagt Studienleiter Fadel Adib.

Mit weiteren Verbesserungen an Hardware und Algorithmen könnte MiFly schon bald den Weg für eine Vielzahl kommerzieller Anwendungen ebnen. Die Vision der MIT-Forscher: Autonome Drohnen, die selbstständig durch riesige, dunkle Lagerhallen navigieren und Waren genau dort abliefern, wo sie gebraucht werden.