Drohnenkrieg im Jemen: Wie die USA militärisch ins Straucheln geraten
KI-generierte Illustration
US-Luftangriffe treffen zentrale Huthi-Versorgungsadern – doch deren Drohnen holen sogar US-Reaper vom Himmel. Wie lange hält Washingtons Strategie noch stand?
Die Lage im Jemen hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verschärft. Nach Angaben von Al Jazeera haben die USA in einer umfassenden Militäroffensive zahlreiche Luftangriffe auf strategisch wichtige Ziele im Jemen durchgeführt, darunter 13 Luftschläge auf den Hafen und Flughafen von Al-Hudaida.
Diese Angriffe folgten einem früheren Luftschlag gegen den Hafen von Ras Isa, bei dem mindestens 80 Menschen getötet und mehr als 150 verletzt wurden.
Die Huthi-Rebellen, die weite Teile des nördlichen Jemen einschließlich der Hauptstadt Sanaa kontrollieren, haben trotz der intensivierten US-Angriffe angekündigt, ihre Operationen gegen Schiffe im Roten Meer fortzusetzen.
Vorbereitung für eine mögliche Bodenoffensive
Wie das US-Magazin Long War Journal berichtet, planen jemenitische Anti-Huthi-Gruppen nun eine Bodenoffensive gegen die Rebellen, nachdem die US-Luftangriffe die vom Iran unterstützte Gruppe geschwächt haben sollen.
Der saudische Staatssender Al Arabia spricht unter Berufung auf Geheimdienstquellen von mindestens 500 gefallenen Huthi-Kämpfern, darunter hochrangige Offiziere und technische Spezialisten, etwa Drohnenexperten oder Fachpersonal für Raketensysteme.
Al Arabiya geht davon aus, dass die systematischen Luftschläge die Vorbereitung für eine mögliche Bodenoffensive von dann US-unterstützten Anti-Huthi-Militärfraktionen sind.
Die Pläne für eine Bodenoffensive konzentrieren sich insbesondere auf die drei Häfen der Küstenregion am Roten Meer, die als wirtschaftliche Lebensader der Huthi gilt.
Die politische Situation und die Truppenstärken
Dabei ist die politische Situation im Jemen komplex: Das Long War Journal berichtet, dass im Süden Jemens diverse, zersplitterte Anti-Huthi-Gruppen operieren. Während Saudi-Arabien die offizielle Regierung (IRG) und deren Militär unterstützt, fördern die VAE den sezessionistischen Südübergangsrat (STC) sowie die von Brigadegeneral Tariq Saleh befehligten "Joint Forces" an der Westküste.
Saleh, Vizepräsident der IRG, führt über 50.000 Kämpfer und war 2018 an der gescheiterten Offensive auf Hodeida beteiligt. Laut der CIA umfassen alle regierungstreuen Kräfte bis zu 300.000 Personen – jedoch ohne einen einheitlichen Block bilden zu können. Die Huthis hingegen haben ihre Truppen seit 2023 massiv auf geschätzte 350.000 ausgebaut.
Militärische Erfolge der Huthis
Mit dieser Militärmacht haben die Huthi-Rebellen in jüngster Zeit bemerkenswerte Erfolge bei der Bekämpfung hoch entwickelter US-amerikanischer Militärtechnologie erzielt. Laut Defence Security Asia haben die Huthi seit Ausbruch der Feindseligkeiten am 7. Oktober 2023 insgesamt 17 MQ-9 Reaper-Drohnen der USA abgeschossen, von denen jede einen Wert von etwa 35 Millionen US-Dollar hat.
Diese Abschüsse stellen für Washington einen Verlust von insgesamt 595 Millionen US-Dollar an hoch entwickelter Militärtechnik dar.
Der jüngste Vorfall ereignete sich in der westjemenitischen Provinz Al-Hudaida, einer Region von wachsender geopolitischer Bedeutung aufgrund ihrer Nähe zur Meerenge Bab el-Mandeb, einer der wichtigsten maritimen Engstellen der Welt. Dies war bereits die zweite MQ-9, die innerhalb von nur 72 Stunden von Huthi-Kräften abgeschossen wurde.
Nach Angaben von Huthi-Quellen wurden diese Drohnen mit der Saqr-358 Rakete abgefangen, die vom Iran entwickelt wurde.
Außerdem griffen die Huthi vor rund einer Woche eine französische Fregatte der Aquitaine-Klasse mit einer Drohne an, wie ein dramatisches X-Video zeigt. Die Drohne kann erst relativ kurz vor dem Aufschlag auf das Schiff durch die Bordkanone des Schiffs abgefangen werden. Das Video belegt die Anfälligkeit selbst moderner Schiffe gegen die neue Waffengattung der Kamikaze-Flugdrohnen.
Bei einem Sättigungsangriff mit gleich mehreren Flugdrohnen hätte die französische Fregatte einen Treffer erhalten können. Dennoch ist dem französischen Kommandanten eine äußerst kostengünstige Bekämpfung der Drohne gelungen, nämlich ohne teure Flugabwehrraketen einzusetzen, wie das augenscheinlich die US-Marine praktiziert.
Hilfe aus China?
Es ist möglich, dass die Huthi die Positionsdaten für ihre Angriffe aus China erhalten haben könnten. Das berichtet der Blog Weapons and Strategy. Chinesische Satelliten könnten von den Huthi genutzt worden sein, um Handelsschiffe und möglicherweise auch Kriegsschiffe im Roten Meer und im Arabischen Meer anzuvisieren.
Neben der Bereitstellung von Satellitenunterstützung liefert China laut Weapons and Strategy auch Waffen und Waffenkomponenten an die Huthi. Bei einer der jüngsten Beschlagnahmungen seien Hunderte Flugkörper und Flossen für die lokale Montage von 270-mm-Badr-Klasse-Präzisionsartillerieraketen gefunden worden. Darüber hinaus wurden eine Reihe von "Sauerstoff"-Flaschen gefunden, die jedoch mit Wasserstoff gefüllt waren.
Die Huthi scheinen die Reichweite ihrer Drohnen durch den Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff zu verlängern, berichtet Weapons and Strategy. Gefunden worden sei auch eine kleine Turbojet-Turbine europäischen Ursprungs, die auch in iranischen Drohnen und Marschflugkörpern Verwendung findet.
Die Versorgung der Zivilbevölkerung
Die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen im Jemen haben die ohnehin prekäre humanitäre Situation im Land weiter verschärft.
Nach Angaben von Al Jazeera sind etwa 70 Prozent der Importe und 80 Prozent der humanitären Hilfe des Jemen auf die Häfen von Ras Isa, Hodeidah und as-Salif angewiesen. Die gezielten Angriffe auf diese kritische Infrastruktur haben daher unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgungslage der Zivilbevölkerung.
Der Hafen Ras Isa, der bei US-Luftangriffen stark beschädigt wurde, ist auch der Endpunkt der Hauptölpipeline des Jemen.
Laut dem UN-Entwicklungsprogramm handelt es sich sowohl bei der Pipeline als auch bei dem Hafen um "kritische und unersetzliche Infrastruktur" im Jemen, wie Al Jazeera berichtet. UN-Generalsekretär António Guterres äußerte neben seinen Bedenken bezüglich der zivilen Opfer auch Befürchtungen hinsichtlich möglicher Schäden am Hafen und "möglicher Öllecks im Roten Meer".
Die Angriffe vom 17. und 18. April in und um den Hafen von Ras Isa haben nach Berichten zu zahlreichen zivilen Opfern geführt, darunter auch fünf verletzte humanitäre Helfer.
Die US-Militäroperation soll die Versorgung und Finanzierung der Huthi unterbrechen – trifft aber vor allem auch die ohnehin schwer getroffene Zivilbevölkerung. Die Häfen sind nicht nur für kommerzielle Importe, sondern auch für lebenswichtige humanitäre Hilfsgüter von entscheidender Bedeutung.
Das Stockholm-Abkommen
Das Stockholm-Abkommen von 2018, das unter Vermittlung der UN zustande kam, hatte unter anderem das Ziel, die humanitäre Katastrophe im Jemen einzudämmen und insbesondere die wichtigen Häfen vor militärischen Angriffen zu schützen.
Laut Long War Journal wurde dieses Abkommen teilweise aufgrund des internationalen Drucks wegen der steigenden Todeszahlen und der humanitären Katastrophe geschlossen. Die aktuellen militärischen Entwicklungen stellen diese Bemühungen nun erneut infrage.
Die geplante Bodenoffensive gegen die Huthi, insbesondere in der strategisch wichtigen Küstenregion, könnte die humanitäre Lage weiter verschärfen, da hier die wichtigsten Zugangspunkte für humanitäre Hilfe und kommerzielle Importe liegen.
Die US-Strategie
Die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass die USA im Jemen zunehmend auf Proxi-Truppen setzen, um den Einfluss der Huthi-Rebellen militärisch zurückzudrängen. Verschiedene Anti-Huthi-Fraktionen, die teilweise von regionalen Mächten wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden, könnten künftig als verlängerter Arm amerikanischer Interessen im Konflikt fungieren.
Diese Strategie würde es Washington ermöglichen, ohne den Einsatz großer eigener Bodentruppen Einfluss zu nehmen – birgt aber das Risiko einer weiteren Fragmentierung der ohnehin instabilen politischen Lage im Land.
Das strategische Interesse Chinas
Besondere Aufmerksamkeit verdient die mögliche Rolle Chinas in diesem Konflikt. Sollten sich die Hinweise bestätigen, dass chinesische Satelliten den Huthi bei der Ortung maritimer Ziele helfen, würde das eine weitreichende geopolitische Dimension des Krieges offenbaren.
Peking hätte ein strategisches Interesse daran, die US-Marine dauerhaft im Nahen Osten zu binden – und somit von einer stärkeren Präsenz im Indopazifik abzuhalten. Bereits jetzt sind die amerikanischen Luftverteidigungssysteme durch die Vielzahl an Huthi-Drohnenangriffen stark beansprucht, und der Einsatz teurer Raketen zur Drohnenabwehr stellt die Effizienz der US-Militärstrategie infrage.
Bislang hat China laut verschiedenen Berichten vor allem einfache Waffenkomponenten und Unterstützung bei der Drohnentechnologie geliefert. Sollte jedoch in Zukunft – sei es durch China, den Iran oder Russland – eine direkte Lieferung von Anti-Schiffsraketen oder anderen komplexen Waffensystemen erfolgen, könnte dies die militärische Balance im Nahen Osten nachhaltig verschieben.
Eine solche Entwicklung würde nicht nur die operative Schlagkraft der Huthi erheblich erhöhen, sondern auch die maritime Vormachtstellung der USA massiv bedrohen.
Der Iran könnte ein großes Interesse daran haben, US-Militärkräfte durch die Huthi zu binden, um ein weiteres Vorgehen der USA gegen den Iran wirksam zu unterbinden.