Droht den Deutschen mit dem Heizungstausch ein Kostentsunami?
Rauchende Schornsteine könnten bald der Vergangenheit angehören. Bild: Pxhere / Public Domain
Milliarden über Milliarden Euro jährliche Kosten kommen auf deutsche Hausbesitzer zu. Die Wärmewende sei teuer und überfordere viele, heißt es. Tatsächlich gehört klimaneutralem Heizen auch aus wirtschaftlichen Gründen die Zukunft.
In den Medien wird vor den hohen Kosten angesichts der von der Bundesregierung geplanten Wärmewende gewarnt. So titelte etwa die Welt [1]: "Rund 12 Milliarden pro Jahr für Wärmepumpen? Die wahren Kosten dürften viel höher sein".
Der Artikel wie viele andere bezieht sich auf den geleakten Entwurf für ein neues Gebäudeenergiegesetz [2] (GEG) des Bundeswirtschaftsministeriums. Darin wird auch eine erste Kostenabschätzung für die Wärmewende vorgelegt.
Danach rechnet man mit neun Milliarden Euro (nicht zwölf, wie die Welt meint) an Ausgaben pro Jahr bis 2028, um auf klimaneutrale Heizversorgung wie Wärmepumpen, Solarthermie usw. umzusteigen. Ab 2029 belaufe sich die Summe dann auf rund fünf Milliarden Euro.
Wie sollen das die Bürger:innen bezahlen, wird jetzt von Politiker:innen, Journalisten und in Social-Media-Debatten immer wieder gefragt [3]? Die Frage ist an sich berechtigt, aber führt in die Irre und verunsichert unnötigerweise, wenn die Zahlen nicht eingeordnet werden.
Zuerst einmal geht es nur um Heizungen, die nicht mehr reparabel sind bzw. über 30 Jahre alt sind [4] und ohnehin ersetzt werden müssen – was nichts mit der Wärmewende zu tun hat. Funktionierende und zu reparierende Heizungen sind nicht vom Austausch betroffen.
Für den Austausch fallen zudem in jedem Fall Kosten an, die abgezogen werden müssen. Für ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmeter liegen die Aufwendungen für den Wechsel zu einer neuen Gasheizung bei rund 10.000 Euro [5]. Eine Wärmepumpe kostet demgegenüber rund 20.000 bis 25.000 Euro.
Das wären 10.000 bis 15.000 Euro an Mehrkosten. Doch Wärmepumpen werden staatlich gefördert, mit rund 40 Prozent. Die Firma Jänichen, die Wärmepumpen einbaut, sagte gegenüber Die Zeit [6], dass bei einer Wärmepumpe für ein durchschnittliches Einfamilienhaus am Ende mit Zusatzkosten in Höhe von circa 7.000 Euro zu rechnen sei.
Das hört sich schon anders an: neun Milliarden vs. 7.000 Euro Zusatzkosten für einen anstehenden Heizungstausch bei einem Einfamilienhaus.
Aber das sind nur die Investitionskosten. Dem müssen natürlich die Betriebskosten gegenübergestellt werden. Nun zeigen uns Berechnungen, dass die Betriebskosten von Wärmepumpen niedriger liegen als die von Gas- und Ölheizungen – ganz abgesehen von der Volatilität fossiler Energiekosten in der Zukunft.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) stellt im Gesetzesentwurf [7] daher den Investitionskosten einer Luft-Wasser-Wärmepumpe für ein Einfamilienhaus in Höhe von 19.115 Euro Einsparungen im Vergleich zu einem Gasbrennwertkessel bei den Betriebskosten über 18 Jahre von 21.996 Euro gegenüber. Der Umstieg lohnt sich also am Ende, auch wenn erst mal investiert werden muss.
Die Wirtschaftlichkeit nimmt außerdem zu. Da mit deutlichen Kostenreduktionen für Wärmepumpen in den nächsten Jahren zu rechnen ist – aufgrund der üblichen technologischen Dynamiken und Massenphänomenen –, reduzieren sich die Investitionen ab dem Jahr 2029 um rund 30 Prozent. Damit steigen die Einsparungen auf 23.436 Euro für einen Hausbesitzer an, so das BMWK.
Im Gesetzentwurf stehen daher den neun Milliarden Euro an Investitionskosten bis 2028 insgesamt auch elf Milliarden an jährlichen Einsparungen bei einer Betriebsdauer von 18 Jahren gegenüber [8].
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie kommt in einer Untersuchung [9] im Jahr 2022 ebenfalls zu dem Fazit, dass sich die Wende rechnet. Dafür hat man ein Sechs-Punkte-Förderprogramm für ein zukunftsfähiges, klimaneutrales Wärmenetz von 2022 bis 2035 erstellt, also ein deutlich ambitionierteres Ziel als die Bundesregierung.
In diesem Szenario müssen Gebäudeeigentümer:innen und Wärmeversorger pro Jahr annähernd hundert Milliarden Euro investieren, um Deutschlands Gebäude bis 2035 treibhausgasneutral zu versorgen. Diese Berechnung ist inklusive Sanierungen und Wärmedämmungen.
Davon sind aber nur etwa die Hälfte, nämlich rund 50 Milliarden Euro pro Jahr, durch die Energiewende und den Klimaschutz im Gebäudesektor bedingt, also zusätzlich zur normalen Instandhaltung bzw. zu neuen Gas-Brennwertkesseln. Der Rest müsste zwangsläufig aufgewendet werden.
Fast die Hälfte von den verbleibenden 50 Milliarden an zusätzlichen Kosten, nämlich 22 Milliarden, wird zudem durch diverse staatliche Förderungen bei der Sanierung abgedeckt, diese Gelder müssen nicht von den Haus- und Gebäudeeigentümer:innen aufgebracht werden. Innovationen und Nachfragebündelungen könnten diese Mittel aber noch weiter reduzieren, so die Studie.
Dazu kommen positive Effekte im Betriebsverlauf. Je nach Sanierungstiefe und -tempo seien ab dem Jahr 2035 bis zum Ende der Nutzungsdauer der jeweiligen Anlagen und Gebäudeteile Energiekosteneinsparungen für die Energieverbraucher:innen (einschließlich Unternehmen und öffentlicher Einrichtungen) von insgesamt 31 bis 36 Milliarden Euro pro Jahr zu erwarten.
Abzüglich der sogenannten Annuitäten (also Tilgungen und Zinsen für die Zusatzkosten der Wärmewende) blieben netto insgesamt 11,5 bis 17,5 Milliarden Euro an eingesparten Kosten übrig.
Alle Arten von Investitionen, die durch das Sechs-Punkte-Sofortprogramm angestoßen werden, sind im Durchschnitt für die Energieverbraucher:innen wirtschaftlich. Hinzu kommen weitere positive Effekte (Besserer Komfort – keine kalten Wände, keine Zugluft; Schutz gegen steigende Energiepreise; weniger Schimmel, bessere Luft bei Komfortlüftung).
Warum können es Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland?
Natürlich kann man auch darauf verweisen, dass gleichzeitig die enormen jährlichen Subventionen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro [10], die von uns Steuerzahler:innen jährlich für fossile Energien gezahlt werden müssen, im Zuge der Wärmewende automatisch abnehmen (siehe unter anderem die steuerfinanzierte Gaspreisbremse), da immer weniger davon gebraucht wird, während Klimaschutz auch Hausbesitzer:innen zugutekommt. Denn sie sind von den Klimafolgen in Form von Stürmen oder Überschwemmungen besonders betroffen. Allein für Deutschland rechnet man bis 2050 mit 900 Milliarden Euro an Klimaschäden [11].
Allerdings gibt es auch das "Vermietende-Mietende Dilemma", stellt das Wuppertal Institut fest. Denn für Vermieter würden trotz Förderung die Zusatzkosten meist nicht ganz abgedeckt, auch wenn der Wert der Gebäude steige und die Modernisierungsumlage genutzt werde. Dafür brauche es neue Mechanismen, Anreize und soziale Abfederungen.
Letzteres fordert auch der Paritätische Wohlfahrtsverband [12] gemeinsam mit dem Umweltverband BUND. Rund neun Millionen Eigenheimbesitzer:innen hätten 34.000 Euro oder weniger Finanzvermögen, ein Teil von ihnen gar keins.
Insbesondere für aufwändigere Dämmmaßnahmen oder Sanierungen brauche es daher eine soziale Unterstützung, jedoch nicht für jene, die über große Vermögen verfügten. So besitzen die reichsten zehn Prozent der Hausbesitzer:innen mehr als 156.000 Euro – Vermögensbestände, die steil nach oben gehen, je höher man die Leiter aufsteigt. Es dürfe daher nicht mit der Gießkanne gefördert werden, sondern gezielt für jene, die nicht über die notwendigen Mittel verfügen.
Aber auch hier ist darauf hinzuweisen, dass nicht die Wärmewende und die Pflicht, Öl- und Gasheizungen Schritt für Schritt aus dem Verkehr zu ziehen, Millionen Hausbesitzer:innen finanziell überfordert, wie die Taz schreibt [13]. Sie sind ja bereits belastet durch die starken Anstiege, insbesondere bei den Gaskosten.
Zudem geht es, wie schon gesagt, bei der Wärmewende um den Austausch von alten ausgedienten Thermen, die notwendigerweise erneuert werden müssen. Die Zusatzkosten einer Wärmepumpe kommen sicherlich obendrauf, aber es handelt sich nicht um "einige Zehntausende Euro" (wie der Paritätische Wohlfahrsverband und anschließend daran die Taz behaupten), die dafür anfallen.
Grünen-Chefin Ricarda Lang hat zudem angekündigt [14], dass man sich in der Regierung einig sei, dass es einen sozialen Ausgleich geben werde, sodass Menschen mit geringem Einkommen nicht mehr für Wärmepumpen zahlen müssten, als heute eine Gasheizung kostet. Auch ist eine Abwrackprämie im Gespräch.
Das Wuppertal Institut betont, dass eine schnelle Wärmewende bis 2035 eine halbe Million Arbeitsplätze in Deutschland schaffe und sichere. [15] Und es würden insgesamt am Ende 170 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart, womit Deutschland einen wichtigen Beitrag zum Pariser Klimaabkommen und zur Stabilisierung des Klimas beitrage.
Wir können dabei von skandinavischen Ländern lernen. In Norwegen, einem Gasförderland, haben mittlerweile 60 Prozent der Heizungen eine Wärmepumpe [16] – in Deutschland liegen wir bei marginalen drei Prozent. Seit 2013 dürfen in dänischen Neubauten keine Gas- und Ölheizungen mehr installiert werden [17], ab 2016 mussten die Dänen auch bei Sanierungen im Bestand auf alternative Heizungstechnologien umsteigen.
Ein Fünftel der Haushalte [18] heizt dort individuell mit Wärmepumpen und Biomasse. 65 Prozent sind ans Fernwärmenetz angeschlossen, die zu mehr als 70 Prozent aus erneuerbarer Energie gespeist wird. In Finnland wurden etwa 70, in Norwegen 62, in Schweden rund 40 Wärmepumpen pro 1.000 Haushalte letztes Jahr installiert [19]. In Deutschland waren es nicht mal 6.
Ein Vorschlag: Beginnen wir in Deutschland, endlich, nach Jahrzehnten des Verdrängens und Aufschiebens, die Wärmewende anzupacken und sie sozial gerecht auszugestalten, statt sie über Wochen weiter kaputt zureden.
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https://www.heise.de/-8533819
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.welt.de/wirtschaft/plus244633978/12-Milliarden-pro-Jahr-fuer-Waermepumpen-Die-wahren-Kosten-duerften-viel-hoeher-sein.html
[2] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/20230331-referentenentwurf-2-geg-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[3] https://www.idowa.de/inhalt.sanierungszwang-bei-heizungen-waermewende-wird-buerger-milliarden-kosten.bc1ee021-928a-420c-9cbe-8ba0a6142b93.html
[4] https://www.energie-experten.org/news/bmwk-zum-oel-und-gasheizungsverbot-waermepumpen-sollen-nicht-teurer-werden-als-gasheizungen
[5] https://www.zeit.de/2023/14/waermepumpe-kosten-wartezeiten-einbau-knappheit
[6] https://www.zeit.de/2023/14/waermepumpe-kosten-wartezeiten-einbau-knappheit
[7] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/20230331-referentenentwurf-2-geg-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[8] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/heizungen-auf-private-hauseigentuemer-kommen-hohe-ausgaben-zu-18797953.html
[9] https://www.greenpeace.de/infomaterial/Heizen%20ohne%20Ol%20und%20Gas_0.pdf
[10] https://presseportal.greenpeace.de/205309-deutschland-subventioniert-kohle-ol-und-gas-mit-46-milliarden-euro-pro-jahr
[11] https://www.sueddeutsche.de/politik/klimawandel-deutschland-kosten-1.5763352
[12] https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Sozialpolitik/doc/Parit%C3%A4t-Kurzexpertise_Einkommen-Verm%C3%B6gen-Immo-Besitzende.pdf
[13] https://taz.de/Geplanter-Austausch-fossiler-Heizungen/!5923526/
[14] https://www.welt.de/politik/deutschland/article244630590/Gebaeudeenergiegesetz-Gruene-fordern-Milliarden-Programm-fuer-Heizungsaustausch.html
[15] https://www.greenpeace.de/infomaterial/Heizen%20ohne%20Ol%20und%20Gas_0.pdf
[16] https://www.merkur.de/wirtschaft/aufregung-oel-gasheizung-daenemark-energie-klima-habeck-92162410.html
[17] https://www.waermepumpe.de/presse/news/details/daenemark-verbietet-gas-und-oelheizungen/
[18] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166474.energiepolitik-daenemark-setzt-auf-gruene-fernwaerme.html
[19] https://www.ehpa.org/press_releases/heat-pump-record-3-million-units-sold-in-2022-contributing-to-repowereu-targets/
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