Droht die totale Überwachung im digitalen Kapitalismus?
- Droht die totale Überwachung im digitalen Kapitalismus?
- Albtraum totale Kontrolle: Gewerkschaftsbewegung könnte dagegen halten
- Auf einer Seite lesen
Die digitale Kontrolle dringt immer tiefer in die Gesellschaft ein. Es ist längst keine kommerzielle Spielerei mehr. In den Händen von Konzernen und Staaten werden Daten zum neuen Disziplinar- und Unterdrückungsinstrument. Ein Buchauszug.
Die Weiterführung von COINTELPRO (Das Counterintelligence Program war ein geheimes Programm des FBI, das ab 1956 politisch aktive Organisationen überwachte) wurde in den 1970er Jahren per Gerichtsbeschluss untersagt und soweit wir wissen, blieb es auch dabei. Ich persönlich vermute, dass wir in vorhersehbarer Zukunft weniger drastische Maßnahmen sehen werden, und zwar aus demselben Grund, aus dem heute keine Interventionen von der Art des Vietnamkriegs mehr durchführbar sind. Der Widerstand in der Bevölkerung ist einfach zu groß. Das Land, oder zumindest große Teile davon, ist heute zu zivilisiert.
Daher denke ich, dass künftige Maßnahmen eher dem entsprechen werden, was Shoshana Zuboff in ihrem Artikel »Früher suchten wir mit Google. Jetzt durchsucht es uns« darlegt, einem Auszug aus ihrem sehr interessanten 500 Seiten langen Buch über das Phänomen, das sie als »Überwachungskapitalismus« bezeichnet. Ihre Hauptaussage ist, dass derzeit Methoden entwickelt werden, um die gesamte Bevölkerung einer totalen Überwachung zu unterziehen. Alles, was man tut, wird aufgezeichnet, und die Daten gehen dann an Google und andere Tech-Unternehmen, die sie für kommerzielle Zwecke nutzen.
Ein Interview mit Noam Chomsky zum Buch "Konsequenzen des Kapitalismus" ist exklusiv auf Telepolis erschienen. Es besteht aus zwei Teilen. 1. "Wir können uns vom grausamen Staatskapitalismus befreien!" und 2. "Massenverehrung für Trump erinnert an Reichsparteitage unter Hitler".
Ein Beispiel dafür ist die Weitergabe von Verhaltensdaten, die für Werbeunternehmen zusammengestellt werden. Persönliche Profile, eine riesige Masse an Daten, die an diese Firmen geschickt werden, die dann ihre PR-Aktivitäten auf die persönlichen Interessen und Schwächen der betreffenden Person abstimmen und außerdem eine Kontrolle über das ausüben können, was diese Person dann tut.
So werden beispielsweise immer, wenn man Auto fährt, von den Autoherstellern massenhaft Daten gesammelt. Bis vor Kurzem wussten sie noch nicht, was sie damit anfangen sollten, aber jetzt arbeiten sie daran, sie gewinnbringend an Werbeunternehmen zu verkaufen. Das funktioniert etwa so: Der Autoverkäufer bietet einem irgendein Extra an und im Gegenzug stimmt man zu, dass das Anzeigegerät am Armaturenbrett Werbung bringen darf. Wenn man dann eine Straße entlangfährt und aus den persönlichen Daten, die über einen gesammelt wurden, hervorgeht, dass man japanische Restaurants mag, erscheint eine Anzeige, die einen darüber informiert, dass das nächste japanische Restaurant nur eine halbe Meile entfernt ist.
Bei all den Geräten, deren Name mit »Smart« beginnt, gehen die gesamten Daten in einen zentralen Speicher, in dem enorme Datenmengen über den Benutzer abgelegt werden. Was jetzt das »Internet der Dinge« genannt wird, ist für die Unternehmen eine gewaltige, aufregende Entwicklung, die es mit sich bringen wird, dass alles in der Nähe einer Person – der Kühlschrank, die Zahnbürste und was sonst noch ein Überwachungsgerät enthält – Informationen darüber sammelt, was diese Person tut.
Zuboff argumentiert ganz plausibel, dies sei ein neues Stadium im Kapitalismus. Im Kapitalismus muss ja, wie Marvin in verschiedenen Kapiteln diskutiert hat, alles in eine Ware irgendeiner Art verwandelt werden. Zuerst wurde das menschliche Leben in Arbeit verwandelt, die gekauft und verkauft wird. Die Natur wurde durch Einhegung und andere Mechanismen in Land (also Privateigentum) verwandelt, das gekauft und verkauft werden kann. Der normale Austausch zwischen Menschen wird in Geld verwandelt. Nun haben wir ein neues Stadium erreicht: Menschliche Erfahrungen können in Verhaltensdaten verwandelt werden, aus denen, um Zuboff zu zitieren, »Vorhersagen erstellt werden können, die gekauft und verkauft werden«.
Den Managern des neuen Stadiums des Kapitalismus ist klar, dass die Befriedigung genuiner Bedürfnisse der Menschen oft weniger lukrativ ist als der Verkauf von Vorhersagen über ihr Verhalten. Daher haben wir jetzt eine neue Stufe des Kapitalismus, in der Geräte nicht für den optimalen Gebrauch des Kunden entwickelt werden, sondern für die optimale Nutzung der über ihn gesammelten Daten durch Unternehmen, die sie nicht zuletzt dazu verwenden, um Kontrolle über ihn auszuüben. Sie können sein Verhalten so modifizieren, dass für sie dabei der maximale Profit herausspringt.