E.on und Google: Zur Sonne, zur Freiheit!
Allmählich scheinen auch die alten Energieversorger zu begreifen, dass die Zukunft den Erneuerbaren gehört - Ein Kommentar
Jede bedeutende Innovation verläuft über drei Konflikt-Phasen. Erstens: Das Neue wird verlacht. Zweitens: Das Neue wird politisch, juristisch und finanziell mit allen Mitteln bekämpft. Drittens: Das Neue setzt sich durch und dann sagen alle, dass sie schon immer dafür waren - vor allem diejenigen, die dagegen waren.
An diese Entwicklung wird erinnert, wer jetzt liest, dass Deutschlands größter Energieversorger E.on zusammen mit dem Internet-Riesen Google auf Deutschlands Dächern Millionen Solaranlagen installieren will. Es hat sehr lange gedauert, aber allmählich scheinen auch die alten Energieversorger zu begreifen, dass die Zukunft den Erneuerbaren gehört. In Deutschland ist der Atomausstieg besiegelt und der Kohleausstieg nur noch eine Frage der Zeit.
Als ich in der ARD in meiner "Zeitsprung"-Serie im Januar 1993 zusammen mit Hermann Scheer Millionen Fernsehzuschauern aufzeigen konnte, dass und wie der 100%-Umstieg auf erneuerbare Energie bis 2035 möglich ist, setzte die Phase 1 ein. In ganzseitigen Anzeigen in allen großen deutschen Tageszeitungen wurde die Sendung lächerlich gemacht.
Allen Ernstes wurde behauptet, dass Deutschland nach Berechnungen der Fachleute bis zum Ende des 21. Jahrhunderts höchstens vier Prozent Ökostrom produzieren könne - und zwar aus grundsätzlich physikalischen Gründen. Alles andere sei schlichte Illusion. Im Jahr 2000 war Deutschland dann bei fünf Prozent Ökostrom, im Frühjahr 2017 sind wir bei 36.5%.
Aber auch heute kämpfen E.on, RWE und Co. noch immer für ihre alten Kohlekraftwerke und haben dabei die Große Koalition in Berlin auf ihrer Seite. Soeben wurde bekannt, dass seit 2014 RWE 40 Gespräche bei der Kanzlerin, bei Ministern und Staatsekretären im Sinne ihrer Interessen führen konnte, die Vertreter der Erneuerbaren Energien jedoch nur drei Gespräche mit Ministern und Staatssekretären der Großen Koalition. Diese Bundesregierung kuschelt noch immer mit der Kohlewirtschaft.
Die alte Energiewirtschaft führt nur noch Rückzugsgefechte, um ihre alten Kohlemeiler noch etwas länger laufen lassen zu können und um den unvermeidlichen Umstieg hinaus zu zögern. Doch ihre Aktien sind bereits total eingebrochen und ihre Verluste werden immer dramatischer.
E.on: Bundesweit können mindestens 30 Kraftwerke durch Solarenergie ersetzt werden
Immerhin setzt jetzt auch E.on in Kooperation mit Google Solarrechner ein, die jedem Hausbesitzer leicht ausrechnen können, wie viel Solarstrom oder solare Wärme sein Dach ihm anbietet und wie viel Geld er damit sparen beziehungsweise verdienen kann.
Solarrechner nutzen Satelliten-Daten von Google-Earth und Google-Maps und schätzen an Hand der Dachneigung, der Sonneneinstrahlung und des eventuellen Schattenwurfs von Bäumen und Nachbargebäuden die mögliche Solarnutzung eines Gebäudes. Jeder kann sich im Internet schnell darüber informieren.
Allein in München, Berlin, dem Rhein-Main-Gebiet und dem Ruhrgebiet sollen so sieben Millionen Gebäude für die Erzeugung von Solarenergie benutzt werden können, die noch heute energetisch völlig umsonst in der Gegend herumstehen. Endlich wird jetzt im großen Stil begriffen, was es heißt, dass die Lösung des Energieproblems am Himmel steht. Theoretisch schickt uns allein die Sonne etwa 15.000 mal mehr Energie auf die Erde als die Menschheit heute verbraucht. Hinzu kommt die gesamte Sinfonie der Erneuerbaren aus Windkraft, Wasserkraft, Bioenergie, Erdwärme sowie Wellen- und Strömungsenergie der Ozeane.
E.on geht davon aus, dass bundesweit mindestens 30 Kraftwerke durch Solarenergie ersetzt werden können. Die vier großen Energieversorger lernen allmählich, dass künftig vor allem mit erneuerbarer Energie, mit Stromnetzen und Serviceleistungen Geld verdient werden kann.
Bei der Entwicklung dieser Innovation sind wir inzwischen bei Phase zwei bis drei. Es lacht keiner mehr. Aber zum raschen Durchbruch ist die alte Energiewirtschaft immer noch nicht bereit. Kein Fortschritt ohne Kampf, schrieb Hermann Scheer kurz vor seinem Tod.
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