ENFOPOL und das Recht auf "Eigentumsfreiheit"

Scheitert die Realisierung des Überwachungsstaates an einer "grundrechtswidrigen Kostenüberwälzung"?

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Ein heute Vormittag in Wien präsentiertes Rechtsgutachten attestiert dem ENFOPOL 98 Papier, dass es "das Ausmaß der technisch möglichen und rechtlich (mit geringen Ausnahmen) bereits zulässigen Datenerfassung im Zuge der Überwachung des Fernmeldeverkehrs in erschreckender Deutlichkeit" festhalte.

Das "Unbehagen" gegenüber den ENFOPOL-Beschlüssen geht, laut Gutachten (RTF-Dokument, veröffentlicht von quintessenz.at), vor allem auf zwei Entwicklungen zurück: Einerseits sei die Datenbasis, die von den Behörden genützt werden kann, durch neue technische Möglichkeiten größer denn je, andererseits sei der von der Überwachung potentiell betroffene Personenkreis - ebenfalls technologiebedingt - stark gewachsen.

Das Gutachten, dessen Präsentation unter dem Titel "ENFOPOL-Vorstufe zum totalen Überwachungsstaat?" stand, beschäftigt sich in der Hauptsache mit der Frage, wie die ENFOPOL-Bestimmungen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit der österreichischen Verfassung vereinbar sind.

Die beiden Autoren, der Verfassungsrechtler Heinz Mayer und der auf Telekomfragen spezialisierte Anwalt Michael Pilz, kommen in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die Umsetzung der ENFOPOL-Bestimmungen zumindest in zweierlei Hinsicht bedenklich wäre:

  1. Erstens würde das Fernmeldegeheimnis ausgehöhlt und dadurch vor allem die Nutzer von Mobilfunktelefonen über weite Strecken ihres grundrechtlichen Schutzes beraubt.
  2. Zweitens stelle es einen Eingriff in das "Recht auf Eigentumsfreiheit" dar, wenn den Betreibern die Pflicht auferlegt werde, Überwachungseinrichtungen auf eigene Kosten zu installieren. Die Passage im Wortlaut: "Die Verpflichtung zur Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur ohne Kostenersatz und die damit verbundene Überwälzung der Kosten der Überwachungseinrichtungen auf die Kommunikationsgebühren ist grundrechtswidrig und daher abzuändern."

An dieser letzten Einsicht erkennt man, aus welcher Ecke der Wind diesmal weht: Das Gutachten wurde von den österreichischen Mobilfunkbetreibern finanziert. Deren Vertreter bemühte sich in der Diskussion,auch darauf hinzuweisen, dass die Kosten für die Überwachung doch, bitte schön, der "Bedarfsträger" zu zahlen habe - in diesem Fall das Innen- und das Justizministerium. Wer die Daten anfordere, der solle auch berappen. Die Kosten mit denen zu rechnen sei, bewegen sich nach Angaben den Mobilfunkanbieter in "dreistelliger Millionenhöhe". [Anm.: Österreichische Schilling]

Feigenblatt User-Vertretung

Ein wenig fadenscheinig nimmt es sich allerdings aus, wenn Unternehmen, die wegen ihres saloppen Umganges mit Kundendaten kürzlich noch für den Big Brother Award nominiert waren, plötzlich die Liebe zu den Grundrecht entdecken. Die sowohl von den Mobilfunkbetreibern, wie auch von den Internet Service Providern im Zusammenhang mit ENFOPOL heftig geforderte Öffentlichkeit scheint ein Ende zu haben, wenn sie nicht so berechenbar ist, wie ein paar Journalisten, denen man Brötchen reicht.

So ist wohl auch der Eiertanz um die Beteiligung der User-Vertretung VIBE!AT an der Pressekonferenz zu interpretieren. Diese hätte zuerst mit am Podium sitzen sollen, wurde dann auf die Teilnahme als Zuhörer zurückgestuft und schließlich im letzten Moment ohne Angabe von Gründen ganz ausgeladen. Am Ende durften die User-Vertreter ihre Erklärung immerhin der offiziellen Pressemappe beilegen. "Als Feigenblatt", meint Peter Kuhm von VIBE!AT, "damit es nicht so aussieht, als würde es nur um die Kohle gehen."