EU-Gesetze vs. chinesische Vorschriften: Europäische Unternehmen in der Zwickmühle
Neue EU-Regelnt bringen Firmen in Konflikt mit China. Unternehmen müssen Lieferketten überprüfen. Droht eine (schneller als gedachte) Entkopplung?
Europäische Geschäftsführer schlagen Alarm: Eine Welle neuer EU-Gesetzgebungen könnte Unternehmen in direkten Konflikt mit chinesischen Gesetzen bringen und zu einer Teil-Entkopplung von Lieferketten führen, berichtet die South China Morning Post.
Konfliktfeld Xinjiang
Die Europäische Union hat kürzlich Gesetze verabschiedet, die den Verkauf von Produkten verbieten, die unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden, und die große Unternehmen dazu verpflichten, bei ihren ausländischen Lieferanten Menschenrechts- und Umweltprüfungen durchzuführen.
Diese Gesetze treten nach einer dreijährigen Übergangsfrist im Jahr 2027 in Kraft. Unternehmen müssen dann nachweisen, dass ihre Zulieferer die EU-Standards einhalten und dass es in ihren Lieferketten keine Zwangsarbeit gibt. Diese Anforderungen könnten europäische Unternehmen ins Visier der chinesischen Behörden rücken.
Die EU-Handelskammer in China verwies auf das Beispiel der US-amerikanischen Modekette PVH Group, die derzeit vom chinesischen Handelsministerium wegen "ungerechtfertigten Boykotts von Baumwolle und anderen Produkten aus Xinjiang" untersucht wird.
Obwohl das Ministerium die Vorwürfe gegen PVH nicht näher erläuterte, wird vermutet, dass sie mit der Einhaltung von US-Vorschriften zu tun haben, die den Verkauf von Baumwolle aus Xinjiang aufgrund von Bedenken über Zwangsarbeit verbieten.
Regulatorischer Nebel
Beijing hat Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten in Xinjiang wiederholt zurückgewiesen und behauptet, seine Politik in der Region ziele darauf ab, Extremismus und Terrorismus zu beseitigen. Beijing argumentiert weiter, dass die als "Internate" bezeichneten Umerziehungslager inzwischen geschlossen seien, was von westlichen Beobachtern bestätigt wurde.
Wirtschaftsverbände befürchten jedoch, dass der Versuch, die Gesetze einzuhalten und Informationen von chinesischen Lieferanten zu sammeln, gegen Chinas umfassende Anti-Spionage- und Datenübermittlungsgesetze verstoßen könnte.
Luisa Santos, stellvertretende Direktorin der Confederation of European Business (BusinessEurope), betont, dass Unternehmen vor schwierigen Entscheidungen stehen könnten, die im schlimmsten Fall zu einer Entkoppelung der Geschäftstätigkeit führen könnten.
Chinesische Lieferanten würden zudem in eine prekäre Lage gebracht, wenn von ihnen Informationen verlangt würden, die als Verstoß gegen die schwer zu definierenden chinesischen Gesetze angesehen werden könnten.
Die Einhaltung kann sich für Unternehmen, die in Xinjiang tätig sind, als besonders schwierig erweisen, da unabhängige Prüfungen dort praktisch unmöglich sind. Vergangene Woche geriet der deutsche Autoriese Volkswagen in Schwierigkeiten, nachdem ein Audit, das das Unternehmen von Vorwürfen der Zwangsarbeit in der Region entlasten sollte, von der Financial Times als nicht internationalen Standards entsprechend bezeichnet wurde.
Daraufhin forderten 50 Gesetzgeber aus aller Welt Volkswagen auf, sich aus Xinjiang zurückzuziehen, wo Menschenrechtsgruppen Beweise für weit verbreitete Zwangsarbeit dokumentiert haben – Vorwürfe, die von der chinesischen Regierung bestritten werden.
Dabei bleibt ein regulatorischer Nebel, der egal von welcher Warte aus nur schwer zu durchdringen sein wird.
Unternehmen in der Zwickmühle
Die Handelskammer fordert Beijing indes auf, "die Bedingungen für unabhängige Audits zu schaffen" und argumentiert, dass europäische Unternehmen "zunehmend zwischen Hammer und Amboss" geraten. Wenn sie ihre Aktivitäten in Regionen wie Xinjiang einstellen oder aufhören, Waren von dort zu beziehen, riskieren sie eine heftige Reaktion der chinesischen Regierung und der Verbraucher.
Bleiben sie, riskieren sie negative Konsequenzen auf ihren heimischen und anderen internationalen Märkten, einschließlich Rufschädigung und Sanktionen nach europäischem und/oder US-amerikanischem Recht.
Trotz dieser Bedenken stiegen die Exporte aus Xinjiang in die 27 EU-Mitgliedstaaten im August im Vergleich zum Vorjahr um 141,2 Prozent, wie aus chinesischen Zolldaten hervorgeht. Chinesische Unternehmen beklagen sich auch über die sich entwickelnden unterschiedlichen Compliance-Anforderungen in Europa und China.
Neue Verordnung über Subventionen
Die EU hat auch eine neue Verordnung über ausländische Subventionen (Foreign Subsidies Regulation - FSR) eingeführt, die darauf abzielt, illegale staatliche Subventionen in den Büchern von außereuropäischen Unternehmen, die auf dem Binnenmarkt tätig sind, zu beseitigen. Dies kann dazu führen, dass chinesische Unternehmen detaillierte Informationen auch über ihre Muttergesellschaften in China offenlegen müssen.
Das Luxemburger Gericht entschied, dass die Durchsuchungen der Europäischen Kommission bei Nuctech, einem staatlichen chinesischen Hersteller von Flughafenscannern, rechtmäßig waren, obwohl das Unternehmen argumentierte, dass es im Rahmen der Untersuchung gegen chinesische Strafgesetze verstoßen musste.
Michel Struys, Regulierungspartner bei Hogan Lovells in Brüssel, sieht diese Auseinandersetzungen als "Symptom einer viel tiefer liegenden Krankheit", die auf eine wachsende Kluft im globalen Handelssystem hindeute. "Für Unternehmen, die sich darin bewegen müssen, wird es ein Albtraum sein", sagte er.