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EU-Korruptionsaffäre bringt Brüssel Personalprobleme

Lässt sich das Ehrenamt gut bezahlen: Dimitris Avramopoulos. Bild: Wassilis Aswestopoulos

Skandal bringt EU-Parlament weiter in Bedrängnis. Betroffen ist auch der ehemalige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Ist er als Vertreter in den Golfstaaten noch tragbar?

Die Korruptionsaffäre rund um die frühere EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili zieht immer weitere Kreise. Die italienischen und griechischen Medien konzentrieren sich auch auf Politiker, die mit Pier Antonio Panzeri, dem früheren Arbeitgeber von Francesco Giorgi, Kailis Lebensgefährten, in Zusammenhang gebracht werden und von diesem Geld erhielten.

Besonderes Augenmerk gilt dabei dem früheren EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos [1], der zudem als chancenreicher Kandidat für die EU-Vertretung in den Golfstaaten gehandelt wird.

Vertretung der EU in den Golf-Staaten vorläufig ohne Chef

Der Hohe Vertreter der EU für Außenpolitik, Josep Borrell, hat die Besetzung des Postens ob der jüngsten Vorwürfe gegen Avramopoulos vorläufig auf Eis gelegt. Avramopoulos galt gegenüber seinem Mitbewerber, dem früheren italienischen Außenminister Luigi Di Maio, als Favorit.

Nun aber ist bekannt geworden, dass er mit einem der Hauptverdächtigen – dem in U-Haft befindlichen Pier Antonio Panzeri, einem früheren EU-Parlamentarier aus der S&D-Fraktion – über die NGO Fight Impunity verbunden ist. Er erhielt Geld von der NGO, die nach Aussagen des ebenfalls inhaftierten Lebenspartners von Kaili, Francesco Giorgi, als Konstrukt für die Schmiergeldverteilung galt.

Avramopoulos beteuert, er habe von all dem nichts gewusst und sei mit einer Erlaubnis von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tätig gewesen. Im eigentlich ehrenamtlichen Verwaltungsrat der NGO sind außer Avramopoulos, die frühere EU-Außenbeauftragte Federica Morgherini, die frühere EU-Kommissarin Emma Bonino sowie der frühere französische Premier Bernard Cazeneuve [2] tätig.

Avramopoulos spricht von einer Kampagne gegen sich

Avramopoulos wirft nun den italienischen Medien eine gezielte Kampagne gegen sich vor. Gegenüber dem griechischen Nachrichtenportal Enikos sagte er:

Es gibt eine organisierte Bemühung bestimmter Kreise in Italien, das Bild meiner völlig legalen und formellen Teilnahme an (der NGO) Fight Impunity zu verzerren. Das erste Ziel besteht darin, die von mir erklärte Kandidatur für das Amt des Sonderbeauftragten der Europäischen Union im Persischen Golf zu schwächen und damit die Unterstützung des italienischen sozialistischen Kandidaten zu stärken. Jeder in Brüssel weiß, dass ich einen Vorsprung für diese Position habe. Ich schätze, dass sich die endgültige Entscheidung (zur Besetzung der Position) aufgeschoben wird.

Er muss sich aber selbst zuschreiben lassen, dass er direkt nach der Festnahme von Kaili am 9. Dezember zwar zusammen mit den weiteren Mitgliedern des Verwaltungsrats zurückgetreten ist, aber nicht ausdrücklich erwähnte, dass er von Panzeris Organisation 60.000 Euro erhielt. Das Geld war als Lohn für seine "ehrenamtliche Arbeit" deklariert.

Die EU-Kommission erlaubte diese Tätigkeit des früheren EU-Kommissars mit dem Verwaltungsakt Nummer C(2021) 9002 [3]. Darin heißt es "der Ausschuss nahm ausdrücklich zur Kenntnis, dass Herr Avramopoulos die Kommission informiert hatte, dass er für einen Zeitraum von einem Jahr vergütet wird".

Unterzeichnet ist die Erlaubnis von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 3. Februar 2021. Begleitet wird die Erlaubnis der Kommission mit einer "Stellungnahme der Unabhängigen Ethikkommission vom 10.12.2020". Darin findet sich die exakte Beschreibung von Avramopoulos Aufgaben:

Avramopoulos gab zusätzlich Angaben zu den Besonderheiten seiner Aufgaben: Es wird von ihm erwartet, dass er sich bei "Advocacy- und Sensibilisierungskampagnen, wie z. B. Veröffentlichung von Artikeln engagiert, an Konferenzen und Auftragsveranstaltungen teilnimmt und Interviews gibt ….

Dies tat Avramopoulos mindestens dreimal. Am Abend des 6. April 2022 war er beim Internationalen Delphi Forum in der gleichnamigen mittelgriechischen Stadt [4] als Redner für die NGO aufgetreten.

In einem damaligen Pressebericht heißt es [5]: "Während der Diskussion wurden die Aktionen von ‚Fight Impunity‘ von Panzeri und Avramopoulos vorgestellt. Avramopoulos ist Ehrenmitglied des Vorstands der Organisation, der eine Reihe von Persönlichkeiten von internationalem Ansehen und bekannter Erfahrung in Fragen der internationalen Sicherheit und Verteidigung der Menschenrechte angehören"

Ein Jahr zuvor sprach er am 12. Juli 2021 ebenfalls auf dem Delphi Forum, das 2021 wegen der Pandemie hauptsächlich virtuell über Videoschaltungen abgehalten wurde. Damals eröffnete er zusammen mit Panzeri eine Diskussionsrunde [6].

In der Agenda des Forums wird sowohl 2021 als auch 2022 hervorgehoben, dass Avramopoulos EU-Kommissar [7] war. Dies wiederum dürfte die Kommission jetzt stören. Während der 18-monatigen Sperrfrist, der frühere EU-Kommissare unterliegen, ist es ihnen nicht gestattet, ihre neue Tätigkeit mit der EU-Kommission in Verbindung zu bringen.

Avramopoulos wurde bei der Erlaubnis seiner Tätigkeit zudem aufgetragen, die EU-Kommission nicht im Namen der NGO zu kontaktieren. Dahinter muss, außer der offensichtlichen Nutzung von Avramopoulos früherer Position für Werbezwecke der NGO, kein illegales Handeln stecken. In Zeiten, in denen nun genauer hingeschaut wird, sind solche Details jedoch ein Karrierekiller.

Die EVP als politische Heimat des Karrierediplomaten

Anders als bei Eva Kaili ist die politische Heimat von Dimitris Avramopoulos nicht bei den Sozialisten und Sozialdemokraten. Er gehört zur Nea Dimokratia, der er als Außenminister, Gesundheitsminister, Tourismusminister und Verteidigungsminister diente.

Von 1993 bis 1994, sowie von 2004 bis 2014 vertrat er die Nea Dimokratia im Parlament. Von 1995 bis 2002 war er in der Phase der Vorbereitung der Olympischen Spiele von 2004 Athener Bürgermeister.

In dieser Zeit hatte er maßgeblich an der Umgestaltung und Modernisierung der griechischen Hauptstadt mitgearbeitet. Von 2014 bis 2019 war er in der Kommission von Jean Claude Juncker Kommissar für Inneres der EU.

Der 69-jährige Avramopoulos startete sein Berufsleben als Karrierediplomat und diente dem Vater des amtierenden Premiers, Konstantinos Mitsotakis, während dessen Regierungszeit von 1990 bis 1993 als Direktor des Diplomatischen Büros des Premierministers.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.lastampa.it/esteri/2022/12/20/news/avramopoulos_60_mila_euro_per_partecipare_a_due_eventi_avevo_lok_di_von_der_leyen-12422721/
[2] https://www.fightimpunity.com/who-we-are
[3] https://commission.europa.eu/about-european-commission/service-standards-and-principles/ethics-and-good-administration/commissioners-and-ethics/former-european-commissioners-authorised-occupations_en
[4] https://delphiforum.gr/sites/default/files/inline-images/April%206%20-%20Draft%20Agenda%20Delphi%20Economic%20Forum%20VII.pdf
[5] https://www.thenationalherald.com/delphi-forum-need-to-strengthen-the-intl-edifice-for-the-protection-of-human-rights/
[6] https://delphiforum.gr/sites/default/files/inline-images/FIGHT%20IMPUNITY%20FINAL%20AGENDA.pdf
[7] https://delphiforum.gr/dimitris-avramopoulos-2