EU-Waldschutz auf der Kippe: Grüne Ambitionen treffen harte Realität
EU verschiebt Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Kritik aus Übersee und Wirtschaft führte zum Rückzieher. Droht nun das Aus für den Green Deal?
Vor drei Jahren versprachen mehr als 100 Staats- und Regierungschefs auf der Klimakonferenz COP26, die weltweite Entwaldung von Millionen Hektar pro Jahr zu stoppen. Die EU entwickelte damals einen ehrgeizigen Plan mit strikten Fristen.
Doch nun macht sie einen Rückzieher, berichtet Bloomberg. Demnach gab die Kommission am Mittwoch dem Druck von Ländern wie Brasilien und den USA nach und verschob die Einführung der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr auf Ende 2025.
Dieser Fall symbolisiert die Herausforderungen, vor denen die EU steht, wenn sie die Welt von ihren grünen Plänen überzeugen will. Ehrgeizige Umweltziele kollidieren mit der harten wirtschaftlichen Realität. Unternehmen forderten mehr Zeit und Geld, um sich auf die angestrebte Regulierung vorzubereiten. Auch Schwellenländer kritisierten das hohe Tempo.
Enormes Handelsvolumen von Verordnung betroffen
Über 110 Milliarden Euro Handelsvolumen sollten von der EUDR erfasst werden. Ziel war es, die Entwaldung für Güter wie Kaffee, Kakao, Soja und Rindfleisch zu stoppen, die die EU in großen Mengen importiert.
Die Verschiebung erfolgte nach monatelanger intensiver Lobbyarbeit von Handelspartnern, Rohstofflieferanten und sogar einigen EU-Mitgliedstaaten, die dem Plan vor weniger als zwei Jahren noch zugestimmt hatten. Seither hat sich viel verändert. Der Green Deal der EU ist zu einer politischen und wirtschaftlichen Herkulesaufgabe geworden.
Widerstand von rechts und aus Übersee
In ganz Europa sind rechte Parteien auf dem Vormarsch. Sie fordern weniger Bürokratie und mehr Wettbewerbsfähigkeit statt grüner Ideale. Landwirte protestierten in Brüssel gegen steigende Kosten und Regulierungen. Weltweit wächst der Widerstand gegen vermeintliche europäische Bevormundung, etwa bei CO2-Grenzsteuern und Verpackungsvorschriften.
Indonesien sprach von "regulatorischem Imperialismus". EU-Beamte betonten dagegen, die Rückverfolgung jedes Produkts sei notwendig und zumutbar. Entwicklungsländer beklagten zu viel Bürokratie für Kleinbauern, die die EU-Vorgaben gar nicht erfüllen könnten. Die USA kritisierten den zusätzlichen Kontrollaufwand, weil zunächst alle Länder als "Standardrisiko" eingestuft werden. Die Kommission versprach Verbesserungen.
Bürokratieabbau statt strikter Vorgaben?
Der Streit passt zum neuen Kurs von von der Leyen. Die einstige Verfechterin des Green Deal setzt nun stärker auf Bürokratieabbau und Hilfen für Unternehmen. Zwar möchte sie die grünen Pläne nicht aufgeben, doch Umweltschützer sind skeptisch. Sie sehen die Glaubwürdigkeit der EU beschädigt und befürchten eine Verwässerung des Klimaschutzes.
"Die Verzögerung ist ein Frontalangriff auf den Green Deal", warnte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. Auch Malaysia, der weltweit zweitgrößte Palmölproduzent, befürchtet Nachteile durch das Gesetz. Das Thema überschattet die Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit der EU.
Ob die Verschiebung der EUDR die Wogen glätten kann, ist offen. Sicher ist: Der Schutz der Wälder bleibt eine globale Mammutaufgabe – mit Folgen, etwa für die Preise von Kaffee und Kakao. Die könnten in 20 Jahren zu Luxusgütern werden, sagen Experten. Ein Cappuccino für 13 Euro? Noch ist das Zukunftsmusik. Doch der Druck wächst.