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EU bereitet Gesetz für den Corona-Pass vor, Vorbild ist Israel

Harald Neuber

Technische Grundlagen sollen binnen drei Monaten geschaffen werden. Vorteile für Inhaber des Nachweises sind wahrscheinlich

Nun also doch: Der Corona-Pass in der EU kommt mit Riesenschritten. In einer Rede vor CDU- und CSU-Abgeordneten im Europaparlament hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Agenturberichten eine Verordnung zur Einführung eines Grünen Passes für EU-Bürger angekündigt, die eine Corona-Impfung erhalten haben. Die sei notwendig, um Klarheit darüber herzustellen, wie der künftige Impfnachweis konkret aussieht, sagte die CDU-Politikerin und ehemalige Bundesministerin. In den kommenden Monaten würden die technischen Voraussetzungen für einen solchen digitalen Ausweis geschaffen.

Die Teilnehmer eines EU-Gipfels in der vergangenen Woche hatten sich darauf geeinigt, binnen drei Monaten die Grundlagen für den Corona-Impfpass zu schaffen. Das erklärte Ziel besteht darin, die Immunisierung fälschungssicher nachweisen zu können. Die derzeitige Diskussion deutet darauf hin, dass dies über einen personalisierten QR-Code geschieht, den Geimpfte ausgedruckt oder auf einem mobilen Endgerät bei sich führen.

Schon nach dem EU-Gipfel in der vergangenen Woche war angekündigt worden, einen entsprechenden Nachweis bis zur Urlaubssaison im Sommer zur Verfügung zu stellen. Nach anfänglichen Differenzen hatte EU-Ratspräsident Charles Michel eine Annäherung der 27 Mitgliedsstaaten in dieser Frage bestätigt. Dabei geht es vor allem um die technischen Voraussetzungen, also die Umsetzung des Nachweises und die Einrichtung einer gemeinsamen Datenbank.

Ausdrücklich ausgeklammert wird von politischen Entscheidungsträgern in der EU bislang die Frage, ob und wie der Impfnachweis an Privilegien geknüpft sein wird. Nach dem EU-Treffen in der vergangenen Woche hieß es, dies würde jedes Land für sich entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, dies sei "bei der geringen Durchimpfung der Bevölkerung gar nicht das Thema". Aber man müsse sich ja vorbereiten, so Merkel weiter.

Israel hatte vor zwei Wochen Fakten geschaffen

Nicht nur diese Formulierung weist darauf hin, dass Geimpfte künftig Vorteile genießen werden, es also zu einer forcierten Spaltung der Gesellschaft mit allen damit einhergehenden verfassungsrechtlichen Implikationen kommt. Auch wenn in der Bundesregierung eine heftige Debatte über Privilegien für Geimpfte tobt, läuft es auf dieses Modell hinaus. Nach dem EU-Gipfel etwa sagte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die EU habe sich den Grünen Pass in Israel zum Vorbild genommen. Gerade dort aber ist das Dokument nach Durchimpfung von weit über 50 Prozent der Bevölkerung mit zahlreichen Vorteilen und mehr Bewegungsfreiheit verbunden.

Die israelische Regierung hatte Bürgern, die gegen das Coronavirus geimpft oder von einer Covid-19-Erkrankung genesen sind, vor zwei Wochen Privilegien eingeräumt. Angehörige dieser Personengruppen dürfen nun mit einem grünen Pass unter anderem Sportstätten, Hotels und kulturelle Einrichtungen betreten sowie Sportevents besuchen. Israel war damit der erste Staat, der einen Corona-Impfpass einführt und damit Geimpften und Genesenen Vorteile gewährt.

Nach Angaben des israelischen Gesundheitsministers Juli Edelstein können ab sofort mehr als 3,2 Millionen Bürger des Landes Vorteile genießen. Die Maßnahme ziele auch darauf ab, die Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln. "Mit dem Grünen Pass wird das Land schrittweise wieder geöffnet", hatte auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag bekräftigt [1].

Die neue Regelung ermöglicht es Bürgern Israels, sich nach der zweiten Impfung einen Ausweis online ausstellen zu lassen. Darauf sind dann alle relevanten persönlichen Informationen über einen sogenannten QR-Code auszulesen. Besitzer des selbsterstellen Impfausweises können im zweiten Schritt den Grünen Pass beantragen. Die Behörden haben dafür eine eigene App entwickelt.

Corona-Impfpass: EU erkennt Realitäten an

Innerhalb der EU hatten mit Griechenland und Zypern zwei Regierungen ihre Forderung nach einem Impfpass bekräftigt, die engere Kontakte mit Israel unterhalten [2]. Der konservative griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis sprach sich bereits vor zwei Wochen auch für eine EU-weite Lösung aus: "Das fordern wir von der EU", so Mitsotakis nach einem Treffen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiades. Für beide Regierungen wäre eine solche EU-weite Bescheinigung wichtig, um ihre Tourismusindustrie wieder in Gang zu bringen.

Auch die schwedische Regierung hatte Anfang Februar nach den erfolglosen EU-Verhandlungen die Einführung eines digitalen Impfpasses bis zum Sommer in Aussicht gestellt. Derzeit entwickeln die Behörden des nordeuropäischen Landes die dafür notwendige digitale Infrastruktur.

"Mit einer digitalen Impfbescheinigung wird es schnell und einfach, durchgeführte Impfungen vorzuweisen", sagte Schwedens Digitalisierungsminister Anders Ygeman [3]. Der Minister geht davon aus, dass Corona-Impfnachweise künftig von einigen Ländern als Bedingung für die Einreise oder – im Inneren – den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen gefordert werden könnten.

Indem Israel und benachbarte Staaten Fakten schaffen und entsprechende Regelungen auch in anderen Ländern der EU und weiterer Weltregionen vorbereitet werden, war die flächendeckende Einführung von Corona-Pässen in diesem zweiten Pandemiejahr wahrscheinlicher geworden. Die Beschlüsse des EU-Gipfels erkennen damit also die Realität an – oder hasten ihr hinterher. Wie man es sehen will.


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https://www.heise.de/-5068117

Links in diesem Artikel:
[1] https://twitter.com/netanyahu/status/1363206676267073536
[2] https://riknews.com.cy/article/2021/2/14/sunantese-ptd-netaniakhou-diabaterio-emboliasmou-gia-tous-polites-pou-emboliastekan-6745234/
[3] https://www.regeringen.se/pressmeddelanden/2021/02/vaccinationsintyg-blir-digitala/