EU im Autofieber: 15.000 km an Schienen weg, dafür 30.000 km neue Autobahnen

Seite 2: Die Ampel-Regierung auf Crash-Kurs

Für Großbritannien ist das besonders bemerkenswert, da das Land lange Zeit für den schlechten Zustand seiner Bahnstrecken bekannt gewesen ist, eine Folge des Liberalisierungsprozesses, gestartet unter der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher.

Deutschland mit seiner langen Tradition, die Straße zu bevorzugen, gehört zu den Ländern mit der höchsten Autobahndichte. Hierzulande gibt man auch weiter doppelt so viel Geld für Straßen aus wie für Schienenwege. Eine signifikante Veränderung ist nicht abzusehen. So lagen die Investitionen für die Schiene pro Einwohner im Jahr 2018 bei 91,5 Euro, für die Autobahnen bei 190,7 Euro.

Die deutsche Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich beschlossen, einen Dialog über Prioritäten für den Ausbau der Bundesinfrastruktur zu beginnen. Doch der aktuelle Bundesverkehrswegeplan bis 2030 favorisiert nach wie vor den Autobahnausbau, der, wie Forscher warnen, hohe Risiken bei den Investitionskosten in sich berge. Zudem will man eine Reihe von Autobahnausbauprojekten sogar noch beschleunigen.

In Wales geht man einen anderen Weg. Dort sollen nach dem National Transport Delivery Plan Investitionen in neue Straßenbauprojekte ausdrücklich reduziert und andere Prioritäten gesetzt werden. Dem Zufußgehen und Radfahren wird Vorrang einräumt, gefolgt von den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Zahlreiche Projekte und Initiativen für den öffentlichen Verkehr, zum Aufladen von Elektrofahrzeugen, zur Erleichterung des kombinierten Reisens mit verschiedenen Transportmitteln sowie Verhaltensänderungen sollen die Verkehrswende beflügeln. Damit will man dem Kreislauf (mehr Straßen, mehr Autoverkehr), der von Verkehrsforschern als selbsterfüllende Prophezeiung bezeichnet wird, entkommen.

Die Studienautoren fordern von den Regierungen in Europa – gemäß ihrer Verpflichtungen, Energie- und Verkehrsarmut zu bekämpfen und die Pariser Klimaziele einzuhalten – eine Kehrtwende in der Verkehrspolitik.

Während sich die europäischen Regierungen darauf vorbereiten, ihre Haushalte für das nächste Jahr festzulegen, verlangt Greenpeace von den politischen Entscheidungsträgern auf nationaler und EU-Ebene, die Finanzierungsprioritäten endlich von der Straße auf die Schiene zu verlagern, die Schieneninfrastruktur besser instand zu halten und den öffentlichen Verkehr erschwinglicher zu machen.

Das Neun-Euro-Ticket in Deutschland während der dreimonatigen Phase im letzten Jahr, das in kurzer Zeit 52 Millionen Mal verkauft wurde, was zu Kapazitätsgrenzen im Netz und Betrieb führte, zeigt, dass die Menschen bereit sind für die Wende. Was fehlt, ist der politische Wille, dafür dauerhaft das notwendige Geld bereitzustellen.

Jetzt droht sogar, dass das 49-Euro-Ticket vor dem Aus steht. Es sieht leider so aus, dass große Teile der Investitionen im Verkehrssektor in Deutschland weiter nicht in die notwendige, von Experten geforderte Richtung fließen.