EU knickt bei Nachhaltigkeitsregeln ein

Bernd Müller
Schwächere ESG-Regeln werden in der EU besiegelt.

(Bild: chayanuphol / Shutterstock.com)

EU will ihre strengen Nachhaltigkeitsregeln für Unternehmen deutlich abschwächen. Damit reagiert Brüssel auf massiven Druck aus den USA sowie von Deutschland und Frankreich.

Nachhaltigkeit stand einst bei der Europäischen Union ganz oben auf der Agenda. Unternehmen sollten mit Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) gezwungen werden, nicht nur für den Moment zu wirtschaften, sondern auch die Umwelt und Menschen im Blick zu behalten.

Doch nun jetzt sollen bedeutende Teile der geplanten ESG-Vorschriften zurückgenommen werden, berichtet Bloomberg. Damit kommt Brüssel dem Druck aus den USA, aber auch aus Frankreich und Deutschland nach.

Druck auf die EU von innen und außen

Der US-Handelsminister Howard Lutnick hatte kürzlich mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollte die EU die geplanten ESG-Kriterien wie geplant verabschieden. Lutnick kritisierte, dass Tausende US-Firmen, die in Europa Geschäfte machen, zu kostspieligen Anpassungen ihrer internen Prozesse und Berichtspflichten verdonnert würden – selbst für ihre Standorte in den USA.

In Washington sah man in diesen Regeln auch einen Eingriff in die eigene Souveränität. Denn die US-Unternehmen müssten sich an strengere europäische Standards halten, auch wenn der Großteil der Geschäfte außerhalb Europas stattfindet. Ein Verstoß gegen die ESG-Grundsätze hätte Bußgelder von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes zur Folge gehabt.

Kritik gab es aber auch innerhalb der EU. Besonders Deutschland und Frankreich, die beiden größten Volkswirtschaften des Wirtschaftsraums, hatten sich dafür eingesetzt, kleinere und mittlere Unternehmen von umfassenden ESG-Berichtspflichten auszunehmen. Ein französischer Regierungssprecher bezeichnete die geplanten Regeln laut Bloomberg sogar als "Hölle" für die betroffenen Unternehmen.

Konkrete Pläne der EU-Kommission

Die EU-Kommission schlägt nun vor, die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht für Unternehmen (CSDDD) deutlich abzuschwächen. Diese sollte Unternehmen eigentlich einer gesetzlichen Haftung aussetzen, wenn in ihren Lieferketten Verstöße gegen ESG-Grundsätze festgestellt werden.

Jetzt sollen die potenziellen Bußgelder gesenkt und die Verpflichtungen zur Überwachung von ESG-Risiken bei Geschäftspartnern reduziert werden. Auch der geplante CO2-Grenzausgleichsmechanismus, der Abgaben auf klimaschädliche Importe vorsah, soll entschärft werden.

Laut dem Vorschlag sollen nur noch Großunternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Jahresumsatz den vollen ESG-Regeln unterliegen. Das würde etwa 85 Prozent der ursprünglich betroffenen Firmen ausnehmen – ganz im Sinne der Forderungen aus Berlin und Paris.

Scharfe Kritik von Umweltschützern

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Pläne scharf. Es handle sich um "reine Deregulierung", nicht um eine Vereinfachung, sagt etwa Maria van der Heide von der NGO ShareAction gegenüber Bloomberg.

"Nachhaltigkeitsgesetze, die zur Bewältigung der dringendsten Krisen – Klimakollaps, Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung durch Unternehmen – entwickelt wurden, werden hinter verschlossenen Türen und in Rekordgeschwindigkeit durchgestrichen", kritisiert sie.

Auch aus dem EU-Parlament kommt Widerstand. Die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini sieht in den Plänen eine "Illusion". Die Wettbewerbsprobleme der EU-Wirtschaft seien nicht auf ESG-Regeln zurückzuführen, sondern auf "den aktuellen China-Schock, einen Mangel an Innovation, hohe Energiepreise wegen des Ukraine-Kriegs und unzureichende Investitionen."

Die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness hatte zuletzt betont, es gehe nur darum, "das Tempo anzupassen", während "der Anker gehalten" werde. Eine völlige Deregulierung sei nicht geplant. Doch angesichts des nun geleakten Entwurfs bezweifeln Kritiker diese Darstellung.

Die finalen Vorschläge will die Kommission am 26. Februar vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob die EU tatsächlich ihre Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit in der Wirtschaft aufgibt – oder doch an ihren ambitionierten Plänen festhält.