Ebola - und die Suche nach dem Sündenbock
Das Ebola-Virus ist außer Kontrolle. Kirchenvertreter wie Erzbischof Lewis Zeiglier glauben: Schuld sei angeblich der Zorn Gottes. Ein Kommentar
Im Dezember 2013 ist die Ebola-Epidemie in Guinea ausgebrochen; seitdem hat sich das Virus auch nach Liberia, Sierra Leone und Nigeria ausgebreitet. Beim größten Ebola-Ausbruch in der Geschichte wurden bislang nach einer Mitteilung der WHO vom 8. August 1.779 Menschen als infiziert gemeldet, 961 von ihnen sind an dem Virus gestorben (Stand: 6. August 2014). Bei der aktuellen Epidemie handelt es sich um das Zaire-Ebola-Virus, mit einer Sterblichkeitsrate von 60 bis 90 Prozent die gefährlichste der fünf bekannten Spezies des Ebola-Virus.
"Diese Epidemie ist beispiellos, sie ist ganz und gar nicht unter Kontrolle und die Situation verschlechtert sich immer weiter", warnt Bart Janssens, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen. Aufgrund der katastrophalen Lage in Westafrika hat die Weltgesundheitsorganisation WHO am 8. August 2014 den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen (Public Health Emergency of International Concern).
Im Angesicht des Todes liegt die Suche nach einem Sündenbock nicht fern. Man könnte Flughunde dafür verantwortlich machen, die eine Infektion mit dem Virus überleben und nach aktuellem Stand der Überträger des Zaire-Ebola-Virus sind. Man könnte die Regierungen der westlichen Industriestaaten dafür verantwortlich machen, die sich nicht im geringsten um das Elend in Afrika kümmern (nicht selten: in ihren ehemaligen ausgebeuteten Kolonien). Man könnte die Pharmakonzerne dafür verantwortlich machen, die doppelt so viel Geld (39,3 Mrd. Euro) für Werbung ausgeben als für Forschung und Entwicklung (21,5 Mrd. Euro); da werden Antifalten-Hautcremes mit Topmodels beworben, während ein Medikament gegen das Virus auf sich warten lässt - wirtschaftlich zu unrentabel für Pfizer, Novartis und Co. Dabei gibt es aktuelle Studien, die ein Medikament gegen Ebola in Aussicht stellen - es hapert nur am Geld und am Willen, das Virus ernsthaft zu bekämpfen.
Die Kirche scheint vor all dem die Augen zu verschließen und präsentiert ihre ganz eigene Version der Geschichte: Am 30. Juli 2014 haben sich in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, mehr als hundert Vertreter der christlichen Kirchen getroffen und eine verhängnisvolle Erklärung abgegeben:
Gott ist sauer auf Liberia, und Ebola ist eine Plage. Die Liberianer müssen beten und Gott um Vergebung bitten für Korruption und unmoralische Handlungen (wie beispielsweise Homosexualität, etc.), die weiterhin unsere Gesellschaft durchdringen. Als Christen müssen wir Reue zeigen und um Gottes Vergebung bitten.
Einmal mehr also sollen Schwule und Lesben für das Elend der Welt verantwortlich sein. Die Erklärung ist auch deshalb so fatal, weil unter ihren Unterzeichnern sowohl Jonathan B.B. Hart, anglikanischer Erzbischof von Liberia, als auch Lewis Zeiglier, Erzbischof der Hauptstadt Monrovia, zu finden sind. Lewis Zeiglier wurde 2011 von Papst Benedikt XVI - seines Zeichens ebenfalls ein Gegner von Schwulen und Lesben - zum Erzbischof ernannt und übt seitdem großen Einfluss auf gesellschaftspolitische Debatten in Liberia aus. Im April 2014 hetzte Lewis Zeiglier:
Wo kommen wir als Liberianer nur hin, wenn wir für Homosexualität werben? Verfluchen wir uns damit nicht selbst? Wie kann ein Mann einen anderen Mann heiraten, das ist eine Abscheulichkeit. Das sind dieselben Dinge, die schon Sodom und Gomorrha zu Fall gebracht haben.
Herr, lass Hirn vom Himmel regnen.
Patrick Spät lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin. Zuletzt erschien von ihm: Und, was machst du so?, Zürich: Rotpunktverlag, 2014.