Echt alt

Jetzt ist es bewiesen: Die Hominiden-Fossilien der Kibish-Formation sind die bislang ältesten Überreste anatomisch moderner Menschen.

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Viele Jahre hat die Forschung debattiert, ob die Überreste der Omo-Hominiden, die vor fast vierzig Jahren in Äthiopien gefunden wurden, tatsächlich die ältesten Spuren der frühen Vorfahren des Mensch sind, und ob der Schädel von Omo II nicht vielleicht jünger ist. In der aktuellen Ausgabe von Nature präsentieren australische Anthropologen ihre recht eindeutigen Ergebnisse.

Omo II: älter oder gleich alt?

Im Jahr 1967 fand der Kenianer Kamoya Kimeu in der Kibish-Formation im Omo-Becken in Südäthiopien einen Schädel mit Teilskelett (Omo I), wenige Kilometer entfernt wurde ein weiterer Schädelknochen (Omo II) geborgen. Diese Fossilien sind bis heute eine Sensation, denn sie sind gegenwärtig die ältesten Überreste des Homo sapiens sapiens. Ihr Alter wird auf 195.000 Jahre geschätzt. Sie stammen damit aus der Zeit, in der die ersten modernen Menschen überhaupt begannen die Erde zu erkunden.

Die beiden Schädel im Vergleich (Bild: Michael Day)

Doch über Omo I und Omo II entbrannte schnell eine Debatte, darüber nämlich, ob die beiden Fossilien gleich alt sind: In den Augen der Wissenschaft sieht Omo I moderner aus als Omo II, denn Omo II hat zwar kein erhaltenes Gesicht mehr, doch sein Schädel ist erheblich massiver gebaut. Er zeigt kräftige Muskelansätze und eine fliehende Stirn.

Die Kibish-Formation

Ein Forscherteam um Ian McDougall von der Research School of Earth Sciences der Australian National University in Canberra hat sich daher die umstrittenen Überreste noch einmal vorgenommen, genauer: Die Wissenschaftler haben das Gestein, in dem die Fossilien eingeschlossen waren, einer eingehenden Analyse unterzogen.

Die Kibish-Formation ist 100 Meter dick. Ihre Schichten stammen aus einer Zeit, als der Turkana See und das Omo-Flussdelta noch etwa 100 Kilometer weiter nördlich von ihrer jetzigen Position lagen. Die Formation wurde in vier Abschnitte (I bis IV) aufgeteilt. Omo I wurde in der Kamoya's Hominid Site (KHS) geborgen, in Abschnitt I, einer Siltsteinschicht. Omo II wurde zweieinhalb Kilometer weiter nordwestlich in Paul‘s Hominid Site (PHS) ausgegraben. Er lag etwas tiefer, aber ebenfalls in Abschnitt I. Anhand verschiedener Sedimentproben untersuchten McDougall und sein Team nun mittels der Argon-Argon-Datierung das Alter der Ablagerungen und sie kommen zu einem sehr klaren Ergebnis: Die beiden Frühmenschen sind rund 195.000 Jahre alt -- plus/minus 5.000 Jahre. Damit sind Omo I und Omo II tatsächlich so alt wie bisher angenommen und sie stammen beide aus derselben Zeit.

Spannende Unterschiede

Durch gewisse Merkmale des Schädels unterscheiden sich beide Frühmenschen, trotzdem sind sie mehr oder weniger gleich alt. Und es sind gerade diese Unterschiede, die die Funde so interessant und aufschlussreich machen. Denn die Abweichungen bilden die Anhaltspunkte, mit denen sich die Forschung ein Bild davon zu machen versucht, wie und in welchem Tempo sich die ersten Menschen im Zeitraum vom Mittleren zum späten Pleistozän in Afrika entwickelten.

In 2001 ausgegrabene Knochen konnten mit den Funden von 1967 kombiniert werden (Bild: John G. Fleagle)

Die jetzt vorliegende Gesteinsdatierung lässt in den Augen von Dougall und Kollegen so gut wie keine Zweifel mehr daran, dass die Funde tatsächlich so alt sind, wie bislang geschätzt. Omo I und Omo II stellen die bislang ältesten Überreste anatomisch moderner Menschen dar. Sie sind damit älter als die Herto-Hominiden, die ebenfalls in Äthiopien ausgegraben wurden und deren Alter mit rund 160.000 Jahren angegeben wird.