Ecuador: Zwischen Drogenkrieg und Chance auf Wandel

Luca Schäfer
Wahlurne mit ecuadorianischer Flagge

Am kommenden Sonntag findet in Ecuador die zweite Runde der Präsidentschaftswahl statt

(Bild: Edgar Daniel Yanchapaxi/Shutterstock.com)

Am 13. April wird in Ecuador über die Zukunft des Landes entschieden. Was die Wahl für den Kontinent bedeutet und warum Europa indirekt mit an der Urne steht. Eine Analyse.

Bereits Anfang Februar war klar, dass es einen zweiten Wahlgang geben würde. Im ersten Durchlauf konnte keiner der beiden Kandidaten, Amtsinhaber Daniel Noboa und Herausforderin Luisa Gonzaley, die notwendige Mehrheit von 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

Weichenstellungen

Mit 44,1 Prozent (Noboa) und 43,9 Prozent (Gonzaley) fiel die Wahl (90 Prozent Wahlbeteiligung) denkbar knapp aus, das Zünglein an der Waage könnten die Stimmen des Drittplatzierten Leonidas Iza von der Indigenen-Partei Pachakutik sein. Am Abend des 13. April wird die Welt schlauer sein.

Tatsächlich aber geht es im lateinamerikanischen Andenstaat weit weniger um politische Personalien als um handfeste Probleme, eine Wirtschaftskrise und die Weichenstellung für die Zukunft.

Aus dem einstigen Vorzeigeland an der Schwelle zu "failed states" wie Venezuela oder Kolumbien ist ein Moloch aus Kokaplantagen, Drogenkrieg und Vetternwirtschaft geworden. Die kommende Legislaturperiode dürfte entscheidend sein, um das 18-Millionen-Einwohner-Land (13 Millionen Wahlberechtigte) zwischen Wirtschaftskrise, organisierter Bandenkriminalität und institutioneller Instabilität auf einen neuen Kurs zu bringen.

Unterschiedlicher könnten die Ansätze und Angebote der beiden Kandidaten an die Wähler kaum sein: Wirtschaftsliberalismus versus Correismus.

Indigene Königsmacher

Auf dem lateinamerikanischen Kontinent gelten indigene Volksgruppen oft als politisch unterrepräsentiert und marginalisiert.

Häufig werden ihre Interessen von starken Lobbygruppen und finanzkräftigen Akteuren einfach übergangen – und so entbehrt es nicht einer gewissen Komik und Tragik, dass ausgerechnet das indigene Bündnis um Frontmann Leonidas Iza zum Königsmacher eines Staates werden könnte, der auf eine 500-jährige Kolonialgeschichte zurückblickt.

Iza ist erst in zweiter Linie Politiker, in erster Linie ist der studierte Umwelttechniker Aktivist der indigenen Landarbeiterbewegung und seit 2021 Präsident der Konföderation der Indigenen Völker Ecuadors (Conaie). In theoretischer Anlehnung an sein Vorbild Eduardo Galeano (Autor von "Die offenen Adern Lateinamerikas") kämpft Iza für die "Komponente eines plurinationalen Staates".

Folgerichtig wurden zu Beginn des Wahlmonats die Weichen gestellt: Iza und seine Pachakutik zur Wahl und zur Unterstützung der linken Bewegung von Luisa Gonzalez, der "Revolucion Ciudadana" (RC), auf.

Beide Bewegungen haben sich im Vorfeld der Wahlen zu einer wahlkampforientierten "Allianz der Progressiven Kräfte" zusammengeschlossen. Wer nun aber an eine bedingungslose linke Front gegen den Amtsinhaber denkt, sieht sich getäuscht.

Zwar wolle man angesichts des "Vormarschs einer gewalttätigen und antidemokratischen Rechten", so Iza, "Differenzen beiseite legen", gleichzeitig sei die Unterstützung für Gonzalez aber kein Blankoscheck. Es gelte, eigene Akzente zu setzen: mit explizitem Bezug auf soziale Gerechtigkeit und Antikapitalismus.

Ein Strich durch die Agenda

Die Bildung eines Wahlbündnisses stellt, bei aller Betonung der Fragilität und gegenseitigen Vorsicht, ein Novum in der jüngeren Geschichte dar. Denn Luisa Gonzalez will im Präsidentenpalast der Hauptstadt Quito in die politischen Fußstapfen von Rafael Correa treten. Zur Erinnerung: Ecuadors wichtigstes Exportgut ist neben Kokain, Bananen und Früchten Erdöl.

Die intensive Förderung des fossilen Rohstoffs führt im ecuadorianischen Oriente zu Raubbau an Mensch und Natur. Da auch die Regierung Correa zwischen 2007 und 2017 die Erdölförderung ausweitete, kam es zu großen Unruhen, viele Indigene wandten sich enttäuscht ab.

In letzter Konsequenz verweigerte die Conaie bei den Wahlen 2021 der gesellschaftlichen Linken die Unterstützung und machte damit den Weg frei für den wirtschaftsliberalen Banker Guillermo Lasso, den Vorgänger des jetzigen Präsidenten Daniel Noboa.

Aus gutem Grund: Die neoliberalen Maßnahmen trafen vor allem die Indigenen hart. Bereits 2021 organisierte die indigene Bevölkerung große Proteste gegen die Erhöhung des Benzinpreises (auf 10 Cent pro Gallone) und sah sich damit, als Nebeneffekt, auf einer Linie mit Ex-Präsident Rafael Correa, der inzwischen ins belgische Exil gehen musste.