Ehemaligem Langzeitmachthaber droht Todesstrafe
Im Sudan hat der Prozess gegen Omar al-Baschir begonnen
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und Allahu-Akbar-Rufen von Angehörigen der Beschuldigten begann gestern der Prozess gegen den ehemaligen sudanesischen Langzeitmachthaber Omar al-Baschir und 27 seiner Gefolgsleute - darunter zehn Militärs und mehrere ehemalige Minister und Provinzgouverneure. Erstes Ergebnis der Verhandlung war eine Vertagung auf den 11. August. Bus dahin soll ein neuer Gerichtssaal gefunden und gesichert werden, in dem mehr Angehörige und alle 150 Anwälte der Angeklagten Platz haben.
Die Anklage wirft dem 76-jährigen al-Baschir unter anderem einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Landes nach Kapitel 96 des sudanesischen Strafgesetzbuchs von 1983 vor, das dafür die Todesstrafe vorsieht. Die Anwälte der Angeklagten argumentieren unter anderem, dass die Ereignisse, auf die sich die Anklage dabei bezieht, inzwischen zu weit zurückliegen würden.
Mentor al-Turabi kann nicht mehr angeklagt werden
Sie geschahen am 30. Juni 1989, als der damalige Brigadier al-Baschir eine Gruppe von Offizieren anführte, die den damaligen Regierungschef Sadiq al-Mahdi und den damaligen Präsidenten Ahmed al-Mirghani im öffentlich-rechtlichen Radio für entmachtet erklären ließen und den Flughafen der Hauptstadt schlossen. Damals orientierte sich al-Baschir stark an den Lehren des Islamisten Hassan al-Turabi, der 2016 starb und nicht mehr angeklagt werden konnte.
Dieser islamistische Kurs und ein längerer Aufenthalt Osama bin Ladens brachten dem Sudan in den 1990er Jahren einen Platz auf der amerikanischen Liste der Länder ein, die Terrorismus unterstützen. Eine andere Folge davon war, dass die internationale Unterstützung für eine Abspaltung des Südsudan nach dem dort geführten Dschihad gegen die dort ansässigen nichtislamischen Volksgruppen stark zunahm.
Südsudan und Darfur
So stark, dass sich al-Baschir auf eine Unabhängigkeit des Gebiets einlassen musste, in dem sich nun Dinka und Nuer einen Dauerkrieg liefern (vgl. Sollbruchstellen eines neuen Staates). Die bei der Staatenbildung in den 1950er Jahren propagierte Idee, dass der Norden des Sudan nach der Unabhängigkeit im Süden für Bildung und Entwicklung sorgen werde, wurde von der Realität falsifiziert: Der Südsudan ist auch heute noch ganz überwiegend ohne Infrastruktur und von Hirten geprägt, die staatliche Einrichtungen vor allem als Melkkühe für ihre Verwandten begreifen (vgl. Zahl der Staaten steigt auf 193).
Auf die Fahndungsliste des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag kam al-Baschir aber nicht wegen des "Dschihads" im Südsudan, sondern wegen des Konflikts im islamischen Darfur (vgl. Darfur - Ethnographie und Geschichte eines Konflikts), an dem auch die 1999 erfolgte Spaltung der islamistischen Bewegung im Sudan in einen al-Turabi- und einen al-Bashir-Flügel Anteil hatte (vgl. Die Rückkehr der Waffen).
Auslieferung nach Den Haag versprochen
Der Platz auf der Fahndungsliste hatte jedoch weniger große Auswirkungen als der Wegfall des Südsudan, in dem etwa drei Viertel der Ölvorkommen des ehemaligen Gesamtsudan liegen. Ohne dieses Öl der "Kuffar" produzierte der Restsudan wenig - außer Geburten: Die Bevölkerung wächst jährlich um 2,4 Prozent, das Durchschnittsalter liegt bei lediglich 18,9 Jahren. Dagegen sank das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2017 und 2019 von 58,24 auf 30,87 Milliarden US-Dollar. Pro Kopf gerechnet verringerte es sich sogar von 1428,03 auf 714,30 Dollar. 2011 lag das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen noch bei 2308,84 Dollar.
Das führte zu einer Abwertung der Währung und zu Kürzungen der Subventionen für Lebensmittel und Energie. Diese Maßnahmen lösten Ende 2018 Proteste aus, die 2019 nicht abebbten, sondern zunahmen (vgl. Sudan vor dem Umsturz?) - bis das Militär eingriff und al-Baschir am 11. April 2019 entmachtete (vgl. Sudan: Militär stürzt al-Baschir).
Der vom nicht gewählten Übergangsparlament eingesetzte aktuelle Regierungschef Abdalla Hamdok ist ein Ökonom, der den Sudan so bald wie möglich von der amerikanischen Liste der Terrorunterstützerstaaten löschen lassen will. Sein Kabinett hat inzwischen die Genitalbeschneidung von Frauen verboten, ein Gesetz gegen den Abfall vom Islam gestrichen und Alkohol für nichtislamische Ausländer erlaubt. Ob er sich an eine Zusicherung seiner Vorgänger aus dem Februar hält, al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auszuliefern, wird sich nach dem Prozess zeigen.
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