zurück zum Artikel

Ehrenmitglieder und Ehrenmedaillen: Politiker als Zeitbombe

Aktive Politiker werden von Universitäten hofiert und mit Medaillen bzw. Ehrentitel überhäuft. Sie verwandeln sich damit in akademischen Zeitbomben, wie folgende Beispiele zeigen

Vor etwa zwei Jahren hat der Akademische Senat der FU Berlin beschlossen, dem Scheich von Dubai, Muhammad bin Raschid Al Maktum, die ihm im Jahre 2008 verliehene Ehrenmedaille abzuerkennen. Der Grund war die dubiose Rolle des Scheichs beim Sklavenhandel zu Lasten von Tausenden von Kindern, die jahrelang als Jockeys bei Kamelrennen eingesetzt wurden. Mehrere Familien aus armen Ländern, deren Kinder nach Dubai verschleppt worden waren, haben 2006 in den USA eine Sammelklage gegen den Scheich eingereicht [1]. Die Anklage lautete: "Sklaverei, Ausnutzung und Vermittlung von Kinderarbeit, Körperverletzung, psychische Gewalt, Totschlag". Die Richterin in Florida hat die Klage nur aufgrund mangelnder Zuständigkeit für Dubai abgewiesen.

Wenn der Scheich nicht mit Kamelrennen beschäftigt ist, kümmert er sich um seine Rennpferde. Er ist Besitzer des Godolphin-Rennstalls und ein passionierter Reiter. Aber hier ist er bereits als Tierfolterer und Dopingspezialist aufgefallen: 2009 wurde er für sechs Monate von Pferderennen verbannt. Nach einem 120 km langen Wettkampf waren bei seinem Pferd sowohl Drogen gegen hohen Blutdruck als auch Steroide entdeckt [2] worden. Natürlich hat der Scheich die Schuld jemand anderem zugeschoben.

Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum. Bild: IMF, Public Domain

Als Beweis dafür, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wurde sein Sohn nur zwei Wochen später für dasselbe Vergehen zehn Monate von Pferderennen verbannt [3]! Vater und Sohn hatten den Pferden Schmerzmittel verabreicht, wahrscheinlich um ihnen die Tortur des Wüstenrennens so "verträglich" wie möglich zu machen. Und als ob das alles nicht reichen würde, sind die Pferde des Godolphin Rennstalls vor einigen Wochen zum dritten Mal schon wieder beim Dopingtest durchgefallen [4].

Wenn jemand so ein absoluter Herrscher wie der Scheich ist, braucht er sich die Hände nicht selber schmutzig zu machen. Er muss die Spritzen nicht selber verabreichen - dafür ist der Rennstallmeister da, der auch keine schriftliche Anweisung benötigt. Hunderte von Menschenhändlern und Importeuren von versklavten Kinderjockeys wussten ebenfalls, dass ein gutes Kamelrennen das höchste Vergnügen der Oligarchie in Dubai ist, und dass Konsequenzen nicht zu befürchten waren.

Jemand, der aber auf die FU-Webseite mit der Liste der Persönlichkeiten, die mit der Universität verbunden sind [5], schaut, kann verwundert feststellen, dass der Scheich trotz des Beschlusses des Akademischen Senats immer noch als Ehrenmedaillenträger auftaucht. Was ist geschehen? Die nur mündlich vorgetragene Erklärung ist, dass der Scheich die Medaille behalten sollte, um die Mitarbeiter der FU in der Region "nicht zu gefährden". Der Scheich darf sich also bis auf weiteres über seine Pferde und seine Medaille freuen.

Das Problem mit den Politikern

Man darf sich aber weiter wundern. Auf derselben Webseite mit den FU verbundenen Persönlichkeiten sind folgende vier weitere Zeitgenossen zu finden:

Universitäten sollten aus Erfahrung wissen, dass aktive Politiker eine Zeitbombe sind. Man kann nie vorhersehen, was sie, mit der Ehrenmedaille noch am Hals, demnächst anstellen werden.

Fangen wir mit "Her excellency" Dr. h.c. mult. Suzanne Mubarak an ("First Lady Ägyptens erhält Ehrenmedaille" [6]). Als die Mubarak-Dynastie im Laufe des arabischen Frühlings im Gefängnis endete, konnte Frau Mubarak sich nur durch die Überweisung von einigen von der Familie erschwindelten Millionen retten [7]. Ihr Gemahl sitzt seitdem in Gefängnis. Ähnlich wie der Scheich, tut Suzanne Mubarak so, als ob sie von den Machenschaften ihres Mannes nichts gewusst hätte, obwohl Hosni Mubarak in seinen letzten Monaten als Präsident so häufig krank war, dass Frau Mubarak wesentliche Entscheidungen für ihn getroffen hat. Sie wurde bei der Absetzung von Hosni Mubarak als die eigentliche Macht hinter dem Thron bezeichnet.

Suzanne Mubarak. Bild: United States Federal Government, Public Domain

Leider wurden die Mubaraks bei ihren Staatsbesuchen in Deutschland regelrecht hofiert -- schließlich war Ägypten ein verlässlicher Partner der USA. Wie so häufig, schloss man die Augen vor der Realität und es wurde nur die "gute" Seite der Politiker entdeckt. Bei Suzanne Mubarak war es angeblich ihr Engagement für Frauenrechte. Es wurde übersehen, dass Suzanne Mubarak alle nicht offiziellen Frauenorganisationen in Ägypten schließen ließ. Nur die in ihrer eigenen offiziellen Organisation registrierten Gruppen durften unter ihrer Leitung agieren. Wie Nawal El Saadawi, eine ägyptische Schriftstellerin und ehemalige politische Gefangene, bitter erläuterte: womensenews.org/story/the-world/110216/cairo-leaders-suzanne-mubarak-held-women-back#.Uat_cdhl63N. [8]: "Suzanne Mubarak tötete die Frauenbewegung, so dass sie sie anführen konnte."

Der 150-Millionen-Nobelpreis

Schauen wir mal, ob wir mit Kim Dae-Jung, früherer Präsident von Südkorea und immerhin Nobelpreisträger, ein bisschen mehr Glück mit den Medaillisten haben. Im Jahr 2000 erhielt Kim den Friedensnobelpreis für seine Beiträge zur Verständigung mit Nordkorea. In der Tat hatte Kim versucht, die Beziehungen mit Nordkorea zu verbessern und einen viel beachteten "Gipfel" mit Kim Jong-Il in Pjöngjang arrangiert.

Kim Dae-Jung. Bild: President of the Russian Federation. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [9]

Der Nachweis, dass das Friedensnobelpreis-Komitee sich ein bisschen mehr Zeit mit solchen Auszeichnungen nehmen sollte, erfolgte prompt im Jahr 2003. Es brach der "Cash for summit"-Skandal aus. Was man in Oslo nicht wusste, ist, dass die Kim-Regierung das Gipfeltreffen mit 150 Millionen Dollar an Schmiergeldzahlungen an die nordkoreanische Regierung erkauft hatte (es sollten insgesamt 500 Millionen werden). Die illegalen Zahlungen wurden über die Hyundai Gruppe geleistet und in den Büchern der Firma gesetzwidrig verborgen. Nach der Aufdeckung des Skandals beging der Vorsitzende der Hyundai Asai Gruppe Selbstmord: Er sprang aus der zwölften Etage des Hyundai Gebäudes in Seoul.

Und Kim Dae-Jung? Er hatte gleich nach dem Gipfel im Jahr 2000 heimlich ein Komitee ins Leben gerufen, um seine Kandidatur für den Friedensnobelpreis voranzutreiben, was ihm auch glänzend gelang. Vor kurzem, im Februar 2013, hat er das Gedächtnis wieder erlangt und die Überweisungen zugegeben: "Ich fühle mich miserabel und mein Herz tut weh." Ein Jahr vorher hatte die Justiz seine beiden Söhne wegen Bestechung und "influence peddling" festgenommen. Die koreanische Opposition verlangte [10] die Aberkennung des Friedensnobelpreises.

Mafiosi aus Italien

Aber sicherlich werden wir in Umberto Vattani, einem früheren Botschafter Italiens in Berlin, ein verdientes Ehrenmitglied einer Universität finden können. Nun, er ist ebenfalls ein problematischer Fall. Es stellt sich heraus, dass Vattani eng verknüpft war mit Giulio Andreotti, dem "Paten" der italienischen Politik, und dass auch er eine dicke Akte bei der italienischen Justiz hat. Zur Erinnerung: Giulio Andreotti musste 29 Mal gegen die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität kämpfen, da ihm Verbindungen zur Mafia angelastet wurden.

Vattani hat 1994 zusammen mit diesem Andreotti eine Methode ersonnen, um dem obskuren afrikanischen Mittelsmann Omar Bassam Salamè Geld zukommen zu lassen. In Zaire wurde über diesen Mann angeblich ein Krankenhaus errichtet. Das Krankenhaus existierte aber nur auf dem Papier, die Zahlungen waren Schmiergelder. Auf der Flucht vor der italienischen Justiz hat sich der gute Bassam Salamè in der Londoner Wohnung von Vattani versteckt. Vattani hat auf Unkenntnis der wahren Sachlage plädiert und der Prozess kam zum Stillstand. Ein Jahr vorher war Vattani schon einmal in einen Fall von Schmiergeldzahlungen für eine Gaspipeline in Algerien verwickelt gewesen. Wieder versagte die italienische Justiz.

2009 wurde Vattani jedoch wegen Betrugs (peculato) verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, private Telefonrechnungen über 25.000 Euro durch sein Ministerium bezahlt zu haben. Eigentlich waren die italienischen Ermittler schon wieder hinter neuen Schmiergeldzahlungen für eine Gaspipeline (diesmal in Tunesien) her und haben unseren guten Vattani abgehört. So haben die Ermittler entdeckt, dass der Präsident des Instituts für Außenhandel eine frühere Mitarbeiterin in Brüssel über sein Mobiltelefon angerufen, dafür Tausende von Euros ausgegeben und zudem auch noch andere Frauen sexuell belästigt hat! Es war "Bunga-Bunga" am Telefon. Und so haben wir ein Universitäts-Ehrenmitglied, das zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt [11] worden ist.

Und so wie der Scheich und Kim Dae-Jung hat Signore Vattani auch illustre Kinder, die, wen wundert es, Karriere im Ministerium des Vaters gemacht haben. Mario Vattani, eines der beiden Kinder, war Generalkonsul Italiens in Osaka, als 2012 entdeckt wurde, dass er nebenbei als Sänger für eine faschistische Rockband [12] (Sotto Fascia Semplice) in Kneipen auftrat. Er wurde, die schwarze Fahne Mussolinis lobend, beim Faschistengruß aufgenommen. Umberto Vattani verteidigte natürlich seinen Sohn. Er weiß es am besten: der Figlio braucht nur eine Weile von der Bühne zu verschwinden, wie er es selber so oft in seiner Karriere tat.

Die Bankgesellschaft und die verschlungenen Milliarden

Schauen wir weiter auf unser nächstes Ehrenmitglied: Hubertus Moser, ehemaliger Vorstand der Landesbank Berlin. Moser würde über die Vattani angelasteten 25.000 Euro nur müde lächeln. Er hat mit Milliarden jongliert und Berlin das schwere Erbe der Schulden der Bankgesellschaft beschert. So beschreibt [13] Der Spiegel Mosers große Taten:

Bei der Gründung der Bankgesellschaft im Jahr 1994 wurde Moser zusammen mit Wolfgang Steinriede zum Vorstandssprecher bestimmt. (...) Doch die Arbeit verlief nicht unbedingt erfolgreich. Nachdem Milliardenrisiken im Finanzplan der Bank entdeckt worden waren, gab Moser sein Amt am 31.12.1996 an den vermeintlichen Sanierer Wolfgang Rupf ab. Eilig gebildete Rücklagen in Milliardenhöhe ließen Moser erklären, er übergebe ein "blitzblankes Haus" ohne "Leichen im Keller"- offensichtlich ein Trugschluss. Oder eine Erklärung wider besseren Wissens?

Ruchbar sind unter anderem Immobiliengeschäfte der Immobilientochter IBG geworden, für die auch Moser verantwortlich sein soll. Dabei geht es um steuerbegünstigte geschlossene Immobilienfonds, die zwischen 1992 und 1996 vor allem an "Freunde der Landesbank" - etwa Spitzenmanager oder -politiker - vertrieben worden sind. Anders als sonst üblich übernahm die Bank das komplette Risiko, etwa bei Mietausfällen. Für die Begünstigten ein risikofreies Geschäft.

Und beim Tagesspiegel lesen [14] wir:

Hubertus Moser wollte groß rauskommen. Er war Vorstandsvorsitzender der Landesbank und Aufsichtsratsvorsitzender der IBG, das ist die Immobilientochter der Bankgesellschaft. Der Aufsichtsrat spielt in dem ganzen Drama eine Schlüsselrolle. Moser will ordentlich Geld machen und plant, kräftig zu expandieren. Er trifft auf einen Geschäftsmann aus Bayern, Manfred Schoeps. Schoeps ist an der IBG beteiligt und hat einen prima Plan. Er will das Geschäft mit Immobilien ausweiten. Das trifft sich gut. Die Berliner Bank, die genau wie die Landesbank zur Bankgesellschaft Berlin gehört, hat nämlich gerade Probleme mit ihren Firmenkunden und freut sich über die Aussicht auf ein florierendes neues Geschäftsfeld. Die Zeitbombe beginnt zu ticken.

Und der Rest ist in die Annalen der Geschichte der Stadt als "Berliner Bankenskandal" eingegangen. Wie viele Milliarden verloren gingen, ist immer noch nicht feststellbar, die Abwicklung der faulen Immobiliengeschäfte läuft immer noch. Und das Ehrenmitglied Moser kann sich rühmen, einer der "tollkühnen Spekulanten" (Der Spiegel) gewesen zu sein, die Berlin einen großen Teil der heutigen finanziellen Notlage beschert haben.

Warum Gesetze segensreich sind

Es ist schwer, die Seele eines Menschen zu erspähen - aber Internet ist seit langem da. Viele der hier geschilderten Tatsachen waren bekannt, noch bevor manche Auszeichnungen verteilt wurden. Aber bei aktiven Politikern schaut man gerne weg. Geld und Macht haben eine erotische Wirkung, auch für Universitäten, die häufig die Wünsche der Politik nicht hinterfragen. Es wäre so einfach solche Pannen zu vermeiden und zwar so:

Dass eine Universität Ehrendoktorwürden und manche Medaillen verleiht, gehört zum Alltagsgeschäft. Desto größer ist die Verantwortung der Beteiligten, hinter dem Kandidaten nicht das Geld (wie beim Scheich), das Vernetzungspotential (wie bei Moser), die politische Wirkung (wie bei Mubarak), die Schlagzeile morgen (wie bei Kim) oder wer weiß was (wie bei Vattani) zu sehen. Bei Politikern muss immer bedacht werden, dass man sich eine mögliche Zeitbombe zulegt.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3399646

Links in diesem Artikel:
[1] http://news.bbc.co.uk/2/hi/5346430.stm
[2] http://horsetalk.co.nz/news/2009/08/020.shtml#axzz2V4pfsV00
[3] http://horsetalk.co.nz/news/2009/08/091.shtml#axzz2V4pfsV00
[4] http://www.guardian.co.uk/sport/2013/may/31/dawn-approach-Scheichh-mohammed-derby
[5] http://www.fu-berlin.de/universitaet/leitbegriffe/persoenlichkeiten/index.html
[6] http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2003/fup_03_023/index.html
[7] http://www.thenational.ae/news/world/middle-east/suzanne-mubarak-freed-after-she-hands-over-millions-in-assets-to-egypt#ixzz2V51ZI3qN
[8] http://erläuterte:womensenews.org/story/the-world/110216/cairo-leaders-suzanne-mubarak-held-women-back#.Uat_cdhl63N.
[9] http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[10] http://edition.cnn.com/2003/WORLD/asiapcf/east/02/13/kim.scandal/.
[11] http://www.giornalettismo.com/archives/25284/umberto-vattani-condannato-per-peculato-ministro-subito/
[12] http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/italy/9034972/Italys-Osaka-consul-recalled-over-fascist-rock-band-links.html
[13] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/vorstand-hubertus-moser-a-137165.html
[14] http://www.tagesspiegel.de/berlin/seid-verschlungen-milliarden/487736.html