Ein Durchbruch kommt selten allein
Nachdem gestern die Züchtung von menschlichen Embryonen für die Forschung an Stammzellen bekannt wurde, sorgten US-Forscher heute für die nächste Überraschung: die Herstellung von geklonten menschlichen Eymbryos
Erst gestern wurde aufgrund eine in eines Fachzeitschrift veröffentlichten Forschungsberichts bekannt, dass Wissenschaftler am Jones Institute for Reproductive Medicine erstmals Embryonen durch künstliche Befruchtung einzig aus dem Zweck geschaffen haben, daraus menschliche Stammzellen zu gewinnen und Zelllinien zu entwickeln (Züchtung von Embryos für die Forschung). Heute wurde bekannt, dass Advanced Cell, ein amerikanisches Bio-Unternehmen, das schon viel Erfahrung mit dem Klonen von Tieren besitzt, bereits eine Reihe von Experimenten gestartet hat, menschliche Embryonen zu klonen, um daraus ebenfalls Stammzellen zu gewinnen.
Die Politik ist offenbar wieder einmal viel zu langsam. Noch überlegt die Regierung, ob und wie sie mit der Forschung an Stammzellen umgehen und in welcher Form Klonen verboten werden soll, während Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Gründen heraus die Forschung vorantreiben. Erst am 20. Juni hatte noch der Staatsminister Claude Allen vom Gesundheitsministerium während einer Anhörung über das Klonen von Menschen vor dem Gesundheitsausschuss des Kongresses betont, das sich der Gesundheitsminister Thompson und Präsident Buch allen Versuchen entgegen stellen wollen, einen Menschen zu klonen: "Wir sind gegen die Verwendung von Klontechniken zur Kernübertragung vom Körperzellen, um die menschliche Reproduktion zu unterstützen oder zell- bzw. gewebebasierte Therapien zu entwickeln. Gleichzeitig fördern wir entschieden andere Ansätze, wie der mit dem Recht konformen Forschung an Genen, Zellen oder Gewebe von Menschen und Tieren, um solche Therapien zu entwickeln." Die Regierung werde daher bereits vorgeschlagene Gesetze zum Verbot des Klonens unterstützen. Allerdings ist bereits seit 1999 bekannt, dass neben Advanced Cell auch Geron mit der Herstellung von geklonten menschlichen Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen experimentiert (Klonen von menschlichen Embryos). Erst Anfang des Jahres scheiterte Advanced Cell mit einem groß angekündigten Klon-Experiment: Klon eines vom Aussterben bedrohten Wildrinds nach zwei Tagen gestorben.
Zwar wird in den USA nicht so heftig über die Todesstrafe oder gar über die medizinische Betreuung der schon geborenen Kinder gestritten, aber offenbar ist auch dort wie hier zu Lande Klonen zu einem Tabuwort geworden, während man zwar auch debile Menschen hinrichtet, aber gegen die Tötung von Embryonen in Form von einigen wenigen Zellen ist. Wie es immer so geht, wenn man sich auf einen Tabubruch als symbolische Stellvertretung einschießt, um Handlungsfähigkeit zu zeigen, vollziehen sich bereits andere Entwicklungen, die dasselbe machen, ohne wirklich den Tatbestand des Klonens zu erfüllen. Sind die Wissenschaftler am Jones Institute noch ganz herkömmlich im Rahmen der Reproduktionsmedizin geblieben, da ihr Tabubruch "nur" in der ausschließlichen Erzeugung von Embryos aus Eizellen und Samen von Spenden zur Gewinnung von Stammzellen bestand, finden schon andere Entwicklungen statt.
So ist Forschern an der Monash University in Australien im Tierversuch bereits gelungen, Eizellen mit DNA aus beliebigen Körperzellen zu befruchten. Spermien wären also gar nicht mehr nötig. Der Trick besteht darin, aus den Körperzellen einen Chromosomenstrang zu entfernen, da Eizellen und Spermien nicht wie Körperzellen zwei Chromosomensätze, sondern nur jeweils einen besitzen. Erst mit der Befruchtung entsteht wieder der doppelte Chromosomensatz. Kurz zuvor wurde ein anderes, aber ähnliches Verfahren vorgestellt. Reproduktionsmediziner des Center for Reproductive Medicine and Infertility der Cornell entkernten die Eizelle einer Spenderin und führten die DNA aus beliebigen Körperzellen der Frau ein, deren Eizellen unfruchtbar sind. Dann wird die Eizelle erst mit dem Sperma des "Vaters" befruchtet. Das ist im Prinzip bereits dasselbe Verfahren, das auch beim Klonen verwendet wird, nur dass hier noch die DNA von Frau und Mann durch die Befruchtung gemischt werden (Fast Klonen und ein kleiner Eingriff in die Keimbahn).
Auch wenn also tatsächlich in den USA das Klonen, auch das therapeutische, verboten werden sollte, könnte man auf diese Weise dennoch Embryos zur Gewinnung von Stammzellen züchten, aus denen dann wiederum Transplantationsgewebe für einen Patienten entstehen könnte, dessen DNA dann zwar nicht identisch mit dessen Genen ist. Möglicherweise bestünde ja ein Trick darin, schon einmal Embryos oder auch nur Gameten oder Zellen beider Eltern einzufrieren, wenn sie ein Kind bekommen, um daraus später, falls von deren Kind benötigt, nicht-geklonte Stammzellen zu gewinnen, die ein Zell- oder Organersatzteillager darstellen. Noch geeigneter wäre, Embryos zu splitten, um daraus mehrere genetisch identische Embryos zu erhalten, was bei Affen bereits gelungen ist (Neues Klonverfahren bei Affen):
Für die Züchtung von Gewebe oder Organen zur Transplantation wäre jedoch, wenn damit keine gesundheitlichen Risiken einhergehen, die Gewinnung von Stammzellen aus einem mit der DNA des Empfängers geklonten Embryo vermutlich erfolgsversprechender, weil dann das Risiko einer Abstoßung sehr gering sein sollte. Um gegen "vorschnelle" Schritte der Regierung zu warnen und das therapeutische Klonen oder die Forschung an Stammzellen nicht ganz zu verbieten, hat Michael West, der Präsident von Advanced Cell, vor kurzem zusammen mit anderen Wissenschaftlern einen offenen Brief in der Zeitschrift Science veröffentlicht, indem versucht wurde, die Forschung moralisch zu rechtfertigen. Die Regierung wurde gebeten, die weitere wissenschaftliche Entwicklung nicht durch nur religiöse Einwände zu verhindern, die nicht von allen Menschen geteilt würden. Der amerikanische Staat sei religiös und moralisch pluralistisch, weswegen hier die Regierung mit Gesetzen sich neutral verhalten solle. Zuvor hat er bereits einen Brief an die amerikanische Regierung initiiert, in dem eine ganze Reihe von Nobelpreisträgern für die Förderung der Forschung an Stammzellen plädieren (Das therapeutische Potenzial von embryonalen Stammzellen ist außerordentlich groß).
Was die Forschung mit geklonten Embryos anbelangt, wollte Michael West allerdings, wie die Washington Post berichtet, keine Einzelheiten mitteilen. Unbekannt ist daher, wie weit die Experimente tatsächlich fortgeschritten sind. Er betonte wieder, dass er und sein Unternehmen strikt gegen das reproduktive Klonen seien. Die Forschung sei mit Ethik-Komitees besprochen und von diesen gebilligt worden. Man suche nach einem Forschungsprogramm, dass zu den besten Ergebnissen für Therapien führe, aber möglichst keine moralischen Grenzen überschreite. Daher habe man vor dem Beginn einen unabhängigen Ethik-Rat eingesetzt, um eindeutigen moralischen Prinzipien zu folgen. Sichergestellt sei so, dass die Spenderinnen in Kenntnis gesetzt werden, dass ihre Eizellen für die Klonforschung eingesetzt werden und dass sie persönlich daraus keine Vorteile ziehen könnten. Man habe überdies Spenderinnen aus Gebieten gesucht, in denen es keine Fruchtbarkeitskliniken gibt, um eine Konkurrenz um Eizellen mit Frauen zu vermeiden, die Kinder wünschen.
Überlegt habe man überdies des längeren, ob man nicht einen anderen Begriff für Embryo für den aus wenigen Zellen bestehenden Organismus verwenden soll. Tatsächlich suggeriert der Begriff Embryo in aller Regel wohl die Vorstellung eines bereits in irgendeiner Form körperlich ausdifferenzierten Lebewesens, bezeichnet aber, je nach Definition, die gesamte Entwicklung, frühestens ab der "befruchteten entwicklungsfähigen menschlichen Eizelle von der Kernverschmelzung an" wie das deutsche Embryonenschutzgesetz bis hin zum Fötus (Abschluss der Organentwicklung in der 8. Schwangerschaftswoche). Für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen lässt man die befruchtete Eizelle einige Tage bis zu einem sogenannten Blastozyten heranwachsen, einem Haufen von über 100 Zellen, bei denen lediglich die äußere Schicht von einer inneren, dem Embryoblast, unterscheiden lässt.
"Wir versuchen dabei nicht, alles zu umgehen", sagte Ronald Green, Direktor des Instituts für Ethik am Dartmouth College und Leiter des Ethik-Rats von Advanced Cell, gegenüber der Washington Post. "Denken Sie darüber einmal nach. Es gab eine Zeit, als eine 'Mutter' noch die genetische Mutter, die schwangere Mutter und die gebärende Mutter gewesen ist. Aber jetzt trennt die Technik wie die Ersatzmutterschaft das, was einst verbunden war. Dasselbe trifft auf das zu, was wir 'Embryo' genannt haben." Offenbar kam man aber bei der Arbeit der Umbenennung, eine gerne eingesetztes Mittel, um Dinge in einem anderen Licht darzustellen, zu keinem überzeugenden Ergebnis. Green selbst findet "aktivierte Eizelle" am besten.
Ansonsten würde man sich allerdings sehr um die Sicherheit der geklonten Embryos, oder wie man sie immer auch nennen wird, kümmern. Transportiert werden sie nur unter dem Schutz von extra eingestelltem Sicherheitspersonal. Das Laboratorium wird mit Überwachungskameras gesichert, um Menschen davon abzuhalten, wie die Washington Post schreibt, die Embryonen in die Gebärmutter einer Frau einzupflanzen und so ein geklontes Kind zu erzeugen. Vermutlich wird es allerdings eher so sein, dass man sich vor möglicherweise wütenden Klongegnern schützen will ...