Ein Fisch verspürt keinen Schmerz
Fische empfinden Schmerzen nicht wie der Mensch
"Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden." Paragraph 4, Absatz 1 der Mitte Juli in Kraft getretenen neuen Version des Tierschutzgesetzes betrifft nicht nur Schlachtbetriebe, sondern auch Millionen Angler und Aquarianer. Denn Fische, das ist klar, sind Wirbeltiere. Darf also ein Angler einen gefangenen Fisch wieder in den Fluss entlassen, statt ihn fachgerecht zu schlachten und zu braten? Macht sich ein Aquarianer strafbar, der seine Fische in einem zu kleinen Aquarium hält?
Das hängt davon ab, was das überhaupt ist: Schmerzen. Tatsächlich ist die Schmerzwahrnehmung von Fischen mit der des Menschen nicht zu vergleichen, wie Forscher unter anderem des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in einer Metastudie im Fachmagazin Fish and Fisheries feststellen. Das Problem, das die Wissenschaftler bei vielen anderen Studien zum Schmerzempfinden ausgemacht haben, ist die nicht adäquate Definition von Schmerz.
Beim Menschen ist das Schmerzempfinden ein komplexer Vorgang. Schmerzrezeptoren in der Haut leiten ihre Signale über Nervenverbindungen und Rückenmark in die Großhirnrinde. Dort entsteht der eigentliche Schmerz. Legt man, etwa bei der Narkose, die Großhirnrinde lahm, empfindet der Mensch auch keinen Schmerz mehr. Außerdem wird die Schmerzempfindung in der Großhirnrunde moduliert. Teils wird sie von starken Gefühlszuständen (Angst, Freude) überlagert, von Gewöhnung minimiert oder auch vom eigentlichen Sinnesreiz abgekoppelt (chronischer Schmerz).
Fische besitzen keine Großhirnrinde. Diejenigen Nervenfasern, die beim Menschen für besonders intensive Schmerzreize zuständig sind, sind bei den allen Knochenfischen (Karpfen, Forellen...) sehr selten und fehlen bei Knorpelfischen (Haie, Rochen...) ganz. Beim Menschen und anderen Tieren wirksame Schmerzmittel wie Morphin zeigen bei Fischen denn auch keine Reaktion. Auch auf manche, für uns schmerzhafte Eingriffe reagieren Fische nicht. Sie nehmen zwar Schmerzen wahr (wie auch Wärme oder Druck) und verhalten sich dementsprechend, wie es die Evolution vorgibt - sie vermeiden zum Beispiel die Schmerzquelle.
Doch fraglich und bisher von keiner Studie bestätigt ist, ob sie den Reiz bewusst als Qual wahrnehmen. Das ist, betonen die Forscher (denen als Fischwissenschaftler allerdings ein gewisses Eigeninteresse zuzuschreiben ist), rechtlich relevant, denn die Strafbarkeit nach dem Tierschutzgesetz ungesetzlicher Handlungen ist an die Leidensfähigkeit des Tieres gekoppelt.