Ein Hobby-Koch zeigt Flagge
Ministerpräsident Roland Koch zur "Nationalen Identität"
"In seiner knapp bemessenen Freizeit betätigt sich der Politiker gerne als Hobby-Koch" heißt es auf der offiziellen Webpage des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Nomen est omen. Wahrscheinlich ist seine knapp bemessene Zeit dafür verantwortlich, dass uns Koch diesmal nur einen deutschen Eintopf zaubert. Das Gericht trägt den Namen "Nationale Identität". Darin mischen sich "Innere Sicherheit", Richter "Gnadenlos" Ronald Barnabas Schill, Nationalflagge und Deutschlandlied zu einem sämigen Brei, den nun der Wähler schmackhaft finden soll.
Aber hier geht's nicht nur um Schnellverzehr, sondern Koch verlangt von deutschen Schulkindern neuen Lerneifer: Schülerinnen und Schüler sollten endlich wieder Respekt vor der deutschen Fahne haben und das Deutschlandlied können. Glaubten wir zuvor, die Werte der Gemeinschaft wären ausreichend gewahrt, wenn wir Respekt vor Menschen zeigen, werden wir nun eines Besseren belehrt. Auch nationale Symbole verdienen Respekt, weil anders ein Gemeinwesen seine Identität nicht finden kann. Die Frage ist indes, ob Politiker überhaupt für die nationale Identität zuständig sind oder sich nicht darauf beschränken sollten, die ihnen aufgetragenen Interessen ordentlich zu vertreten und es im Übrigen der Gesellschaft zu überlassen, ob sie ihre nationale Identität wieder aufkochen will.
Koch im Interview: "Der Begriff der nationalen Identität hat etwas mit Interessenwahrung zu tun. Das heißt, im gemeinsamen Europa geht es nicht darum, in Beliebigkeit unterzugehen, sondern präzise eigene Interessen zu haben." Ach so, das klingt doch schon viel vertrauter. Aber wie viel deutsche Interessen verkraftet die Welt inzwischen wieder?
Nationale Identität ist in Deutschland ein numinoser Begriff mit dem Hang zum Superlativ. Deshalb ist die respektheischende Nationalhymne unter Strafandrohung zurzeit auch nur in der Kurzfassung anzustimmen. Aber deutsche Interessen müssen doch klar artikuliert werden, wenn wir im europäischen Einheitsbrei nicht untergehen wollen. Bundeskanzler Gerhard Schröder ist nach dem hessischen Chefkoch "völlig ungeeignet", das Thema "nationale Identität" zu besetzen. Fehlt es da etwa an Deutschem Wesen?
Roland Koch ist gegen solche Polemik zu schützen. Sein Begriff der "Nationalen Identität" kommt über die Schrumpfstufe von nationalen Symbolen und ein bisschen Rauschen im deutschen Blätterwald nicht hinaus. Mehr will er nicht, mehr hat er nicht. Und das ist gut so.
Als Wahlkampfthema dürfte Kochs Nationalrezept ideal sein, weil jeder abschmecken mag, was ihm zur Nationalküche Deutschland so gerade einfällt. "Innere Sicherheit", die Stärkungsbeilage im Polit-Eintopf, macht immerhin Appetit auf mehr. Belastet den Wähler ja nicht mit schwer verdaulichen Fragen der europäischen Einigung, mit paradoxalen Globalisierungsproblemen, Rentenödemen oder gar den unheimlichen Raffinessen der Steuergerechtigkeit. "Nationale Identität" ist der wahlkampfkulinarische Restposten, der jede Multikulti-Pizza um Bratwurstlänge überragt. Wählt Koch und esst, was auf den Tisch kommt.