Ein Rechtsanwalt sieht rot oder rosa?
Juristen und Journalisten sind sich nicht nur in Deutschland nicht grün
Der griechische Rechtsanwalt Alexis Kougias beschäftigt wieder einmal die dortige Medienszene. Anlass genug, einen Blick auf die Chronik eines angekündigten Verbrechens zu werfen.
Im Skandal um Teile der orthodoxen Kirchenführung (Staat, Kirche, Sex and Crime und Von Richtern, die in Kirchen gehen) trat Kougias als Anwalt des Patriarchen von Jerusalem in Erscheinung. Vor allem in seiner Funktion als Anwalt des Patriarchen ließ er kaum eine Talkshow oder Nachrichtensendung aus, in der er nicht gegen die Offenlegung der seiner Ansicht nach gefälschten Straftatbestände der Kirchenführung wetterte.
Er dementierte jeden Kontakt zwischen dem Erzbischof von Athen Christodoulos und dem Patriarchen von Jerusalem mit dem gesuchten Apostolos Vavylis, obwohl der Pressesprecher des Patriarchen diese Kontakte bereits eingeräumt hatte. Überall vermutete Herr Kougias Verschwörungen fremder Geheimdienste und mafiöser Banden, die dunkle Ziele verfolgen würden.
Auch sonst ist der Anwalt ein Freund klarer Worte. So hatte Alexis Kougias in den letzten Monaten anlässlich des Schiedrichterskandals in Deutschland und Europa die Meinung geäußert “Schiedsrichter sollte man prügeln oder schmieren".
Da Herr Kougias bereits in der Vergangenheit für Gesprächstoff gesorgt hatte, als er gewaltsam während einer Livesendung des investigativen Journalisten Makis Triantafyllopoulos in ein Fernsehstudio eindrang, um seinen Standpunkt zu dem gerade diskutierten Themenbereich einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, und da darüber hinaus eine Intimfeindschaft mit der griechischen Ausgabe von Stefan Raab, Herrn Lakis Lazopoulos besteht, nahm Herr Lazopoulos in seinen Sendungen im Januar und Februar 2005 Herrn Kougias als medienversessenen Psychopathen satirisch aufs Korn.
Unter anderem ließ sich Herr Lazopoulos zu dem (frei übersetzten) Slogan „Kougia, Du Mann, mach Dich einmal lang, spring mal über eine Mauer, mit ausgestrecken Händen biste grad mal ein 1,30 m grosser Schlauer“ hinreißen. Er fragte sich öffentlich, ob Herr Kougias in der Lage wäre, seine hübsche Frau sexuell zu befriedigen, denn das medienversessene Auftreten würde auf sexuelle Störungen hinweisen. Kurz, selbst für einen parteiischen Beobachter ging die Satire etwas zu weit.
Doch Herr Kougias besann sich nicht auf seinen Beruf. Als Anwalt, noch darüber hinaus als prominenter Vertreter seiner Zunft, standen ihm sämtliche Rechtswege offen, aber im Gegensatz zu den Sitten in Deutschland folgte nun zunächst einmal keine Abmahnung oder einstweilige Verfügung. Auch ein anderer möglicher Weg der Rache blieb unbegangen: Lazopoulos war auf einer Yacht, deren Besitzer wegen Drogenbesitzes verhaftet worden ist.
Eine vormittägliche Talk- und Nachrichtenshow des privaten Rundfunksender Mega („Die Gesellschaft um 8 Uhr“) am 25. Februar 2005 nutzte Herr Kougias stattdessen, um seine eigene Angriffswelle gegen Herrn Lazopoulos zu starten. Er warf Herr Lazopoulos Volks- und Jugendverführung vor. Denn Herr Lazopoulos hätte im vergangenen Jahrzehnt mit seiner Sendung Die zehn kleinen Mitsos die Homosexualität in Griechenland eingeführt. In dieser mittlerweile eingestellten Sendereihe analysierte Herr Lazopoulos in satirischer Form die griechische Gesellschaft, indem er in zehn verschiedene Charaktäre schlüpfte, unter anderem auch in den eines Homosexuellen.
Herr Kougias begrentzte seinen Zorn nicht nur auf die Sendungen und Vita des Herrn Lazopoulos – dem drohte er einen gewaltsamen Tod an. Er ging einen Schritt weiter. Er bezeichnete die Homosexualität als Grundübel der Menschheit und sprach den Homosexuellen jegliche Daseinsberechtigung ab. Einigen zaghaften Argumentationsversuchen für mehr Toleranz seitens des Moderators der Sendung Nikolaos Kakaounakis entgegnete er, dass er als Vater dazu verpflichtet sei, seine Kinder von bösartigen Einflüssen fern zu halten.
Privates Fernsehen verdient an Quoten, ein derartiger Auftritt eines prominenten Anwalts zieht Zuschauer magisch an. Folgerichtig wurde das Interview den ganzen Tag lang in den in Griechenland üblichen, magazinartigen Nachrichtensendungen wiederholt, zitiert, analysiert und von Herrn Kougias kommentiert.
Wie kann die Quote erhöht werden, fragten sich die Fernsehredakteure, und luden am nächsten Morgen den Vorsitzenden eines Homosexuellenverbands Griechenlands, den Journalisten Grigoris Valianatos in die Sendung von Kakaounakis. Als Journalist erwies er sich als Kenner der Wirkung des Wortes und entschuldigte das Verhalten des Rechtsanwalts mit einer unglücklichen homoerotischen Liebschaft, die dem Herrn Kougias zugesetzt habe. Er betonte, für diese Aussage ausreichende Beweise zu haben.
Die weiteren Auftritte der beteiligten Personen enthielten lediglich eine Wiederholung der Beschimpfungen, die Quote der Sender flachte ab, das „öffentliche Interesse“ erlosch. Herr Kougias ließ allerdings keine Gelegenheit aus, Herrn Valianatos körperliche Züchtigung anzudrohen.
Mittlerweile war Herr Kougias vom Posten des Rechtsvertreters des Patriarchen von Jerusalem zurück getreten. Er fühlte sich offensichtlich getäuscht – nicht vom Patriarchen, sondern von dessen verschwörerischen Umfeld. Kurz, es wurde still um ihn.
Am 11. April 2005 sollte sich das ändern. Herr Kougias traf in der noblen Kaffeehausgegend von Athen, Kolonaki (vergleichbar mit München Schwabing), auf Herrn Valianatos. Dieser ahnte nichts von seinem Glück, da er, ein Telefonat führend, etwas gedankenverloren über den Bürgersteig schlenderte.
Der relativ klein gewachsene Anwalt (etwa 1,60 m) nutzte die Gunst der Stunde, sprang den Journalisten von hinten an und schlug ihn nieder. Das Medienecho ist natürlich wieder groß, die Quoten steigen.
Darüber hinaus droht der Anwalt unter anderem dem privaten Fernsehsender Alpha Abmahnungen an, sollte dieser „dem Objekt Valianatos ein Forum zur Darstellung seiner Lügen“ bieten. Er hätte als Mann, Vater und Mensch das Recht, wie geschehen im Affekt, Selbstjustiz zu üben, um seine Ehre zu verteidigen.
Valianatos stellte Strafanzeige. Beide erschienen am Abend des 11.4.2005 als virtuelle Einblendung in einer Nachrichtensendung und tauschten ihre Argumente aus. Lazopoulos gibt zusammen mit anderen Prominenten Medienvertretern munter Interviews und kommentiert das Geschehen. Leider war gerade kein Kamerateam anwesend, dass die Schlägerei hätte aufzeichen können, doch dafür haben die meisten privaten Fernsehsender „Augenzeugen“ gefunden, die „gerade dabei waren, ein Schaufenster zu betrachten als sie hörten, dass sich zwei Prominente prügeln...“
Vielleicht sollten die Griechen für das Gerichtsverfahren Frau Salesch engagieren. Als Werbepartner wäre dann eine Sprachschule für Deutsch angebracht. Der ansonsten in vielen Staaten Europas nicht sonderlich beliebte öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt sich lediglich auf eine Kurzmeldung. Die Privatsender wittern Quote und diskutieren das Thema ausführlich.
Das Thema würde sicher als solches besser in eine Boulevardzeitung passen. Es wirft aber einige Fragen auf, die sicherlich interessante Diskussionen auslösen werden. Wer ist für solche Zustände verantwortlich? Das Privatfernsehen, mysteriöse Geheimdienste oder die voyeristischen Gelüste der Zuschauer? Ist Deutschland besser, dank Presserat und weitgehend verantwortungsbewussten Moderatoren? Prügelnde Blaublüter und streitbare Rechtsanwälte gibt es schliesslich überall.