Ein Wurm auf dem Weg zur Unsterblichkeit
Amerikanische Wissenschaftler entdecken lebensverlängerndes Enzym
Der Fadenwurm C. elegans ist der am besten untersuchte Modellorganismus und das Lieblingsobjekt von Evolutionsbiologen, Gentechniker, und Neurobiologen. Erst vor kurzem machte der nur 1mm lange Wurm als das erste mehrzellige Lebewesen, dessen Erbgut vollständig aufgeschlüsselt wurde, Schlagzeilen.
Da voraussichtlich 40 Prozent der ca. 19.000 Gene des Wurms im Erbgut des Menschen vertreten sind, könnten weiterführende Untersuchungen zur Funktion der einzelnen Gene wichtige Erkenntnisse für den Menschen liefern. So wird bereits seit längerem an mutierten C. elegans - Versionen gearbeitet: Würmer, bei denen mit Hilfe gentechnischer Methoden gezielt Gene abgeschaltet bzw. verändert wurden, um herauszufinden, welche Auswirkung die veränderten Gene auf den Organismus haben. Mittlerweile gibt es etwa eine halbe Millionen verschiedener C. elegans Exemplare, die dahingehend manipuliert wurden.
Wissenschaftler der New Yorker Columbia Universität stellten in der neuesten Ausgabe von Natureeine C. elegans - Mutante vor, die bis zu vier Mal länger lebt als ihre normalen Artgenossen, deren Lebenserwartung unter günstigen Ernährungsbedingungen gerade mal drei Wochen beträgt. In den genetisch veränderten Würmern fanden die Forscher große Mengen eines Enzyms, das die Zellen vor oxidativen Prozessen schützt und auf diese Weise den Alterungsprozeß der Zelle verlangsamt. Das Enzym, eine Katalase, wurde in dieser Form bisher „ausschließlich in Pflanzen und Pilzen gefunden, in tierische Zellen noch nie".
Die Entdeckung bestätigt die derzeit favorisierte Theorie über Alterungsprozesse der Zelle, die besagt, daß reaktive Chemikalien und freie Radikale Zellbestandteile, insbesondere die DNA, angreifen und so die Lebensdauer einer Zelle begrenzen.
Normalerweise wird die Katalase während eines Dauerstadiums, das ausschließlich während der larvalen Entwicklung des Wurms eintreten kann, gebildet. Ausgelöst wird die bis zu drei Monate dauernde Ruhephase durch Nahrungsmangel und eine zu hohe Populationsdichte. Während dieses Dauerstadiums ist die Wurmlarve von einer schützenden Hülle umgeben, nimmt keine Nahrung auf und der Stoffwechsel ist stark reduziert. Damit ist der Wurm in der Lage, seine Lebensspanne vor dem Eintritt der Reproduktionsfähigkeit zu verlängern, vorausgesetzt Enzyme schützen die Zelle vor oxidativen Prozessen. Während das Katalse-Gen bei den normalen Würmern durch Nahrungsknappheit aktiviert wird, vermuten Dr. Chalfie und seine Kollegen von der Columbia University, daß es bei der Mutante durch die Veränderung zweier Gene auch im erwachsenen Tier zu der Mobilisierung des versteckten Gens kommt.
Ob das Gen für die lebensverlängernde Katalase auch im menschliche Genom vertreten ist, konnte noch nicht geklärt werden. Derzeit werden alle Datenbanken, die die bereits bekannten Sequenzen der menschlichen DNA enthalten, nach der Gensequenz durchsucht - bisher ohne Erfolg. Laut Chalfie ist das Ergebnis der Forschergruppe jedoch kein Beweis dafür, daß ein bestimmtes Gen die Lebensdauer einer Zelle terminiert. „Die Untersuchung beweist lediglich, daß die gefundene Katalase Zellen vor oxidativen Schäden schützt". Sollte im menschlichen Genom wider Erwarten das Katalase-Gen gefunden werden, so würde C. elegans vielleicht endgültig den Status der (medialen) Unsterblichkeit erlangen.