Ein bisschen schuldig geht nicht
Das Urteil im Hamburger al-Qaida-Prozess kann eigentlich nur Höchststrafe oder Freispruch lauten, in ihren Plädoyers verlangen die Anwälte von Mzoudi Freispruch
Seit August 2003 muss Abdelghani Mzoudi sich vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. Am Donnerstag vergangener Woche beantragten Bundesanwaltschaft und die Nebenklagevertreter aufgrund der Vorwürfe die Höchststrafe für Mzoudi (Auf Lügen programmiert [1]). Donnerstag dieser Woche standen die Plädoyers von Mzoudis Anwältin Gül Pinar und ihrem Kollegen Michael Rosenthal auf dem Programm. Beide stellten fest, dass die Beweiserhebung keinerlei Bestätigung für die schweren Vorwürfe gegen ihren Mandanten erbracht hätten und forderten daher Freispruch.
"Das Leid und das Grauen durch die Anschläge vom 11. September ist unvorstellbar", begann Gül Pinar ihr Schlusswort. "Und es ist schwer, historische Wahrheit mit juristischen Mitteln herauszufinden."
Das Besondere an dem Prozess, so die Anwältin weiter, sei dessen innen- und außenpolitische Wirkung. Dieser Tatsache sei geschuldet, dass das Interesse der Bundesrepublik an einem guten Verhältnis zu den USA über das Recht ihres Mandanten auf ein faires Verfahren gestellt und ihm die Ladung wichtiger Entlastungszeugen verweigert worden sei. In einem Strafprozess dürfe es aber um nichts anderes gehen, als die Frage der individuellen Schuld des Angeklagten.
Mehrere Stunden hörten wir im Plädoyer der Bundesanwaltschaft, was bis dahin unstrittig war: Mohammed Atta war einer der Todespiloten. Wir hörten eine Anklage, die nicht mehr zu bieten hatte als bezahlte Semesterbeiträge und GEZ-Gebühren. Wir hörten eine Anklage, die historische Wahrheiten, nämlich dass die Anschläge vom 11. September in Afghanistan und nicht in Hamburg geplant wurden, auf den Kopf stellt.
Die US-Behörden hätten die Wahrheitsfindung eher behindert als gefördert, so Pinar weiter. Die bundesdeutschen Behörden hätten sich angemaßt zu entscheiden, welche Informationen der US-Geheimdienste prozessrelevant seien und welche nicht.
"Der Umgang der Justiz mit geschichtlichen Ereignissen ist ein Thema, bei dem man ab und an depressiv werden kann", stellt Rosenthal zu Beginn seines Plädoyers fest. "Nicht nur im Hinblick auf die Aufarbeitung der Zeit zwischen 33 und 45."
Es sei nicht das erste Mal in einem Prozess, so Rosenthal weiter, dass er mit einer Bundesanwaltschaft konfrontiert werde, die aus 5 Gebeten am Tag und einem Bart etwas herleite. Dabei befände sich die oberste Strafverfolgungsbehörde in bester Gesellschaft mit den Medien: "Baut irgendwo ein arabisches Land eine Atombombe, haben wir eine islamische Bombe", konstatierte Rosenthal. Ein Gewehr in der Hand eines Arabers werde als islamisches Gewehr wahrgenommen, auch bei einem christlichen Palästinenser. Den Trumpf, Moslems lügen von Glaubens wegen, plus einer Wissenschaftlerin, die dem Gericht dies bekunden könne, habe die Bundesanwaltschaft immer in der Tasche.
Seinem Mandanten werde Fanatismus vorgeworfen. Das leite die Bundesanwaltschaft aus von Mzoudi geäußerter Kritik an den Vereinigten Staaten und Israel ab. Beides müsse jedoch zulässig sein, so Rosenthal. Zur Bestätigung des Fanatismus-Vorwurfs werde eine Beamtin, eine Expertin für islamischen Terror, hinzugezogen, die nicht einmal über arabische Sprachkenntnisse verfüge.
"Die Nebenklage hat - vielleicht auch bewusst - vollkommen darauf verzichtet, uns zu erklären, wie sie die Forderung nach Höchststrafe zu begründen glaubt", beendete Rosenthal sein Plädoyer und schloss sich der Forderung seiner Kollegin Pinar an, die Freispruch für Mzoudi gefordert hat.
Der Angeklagte selbst hatte sich während des gesamten Prozesses nicht zu den Vorwürfen geäußert und verzichtete am vergangenen Donnerstag auf sein Recht auf das letzte Wort. Damit ist der Prozess abgeschlossen. Nun müssen Richter Klaus Rühle und seine Beisitzer ein Urteil fällen. Ein bisschen schuldig geht nicht, deshalb gilt dabei die Devise "ganz oder gar nicht": Entweder hält der 3. Strafsenat des hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Mzoudi für schuldig, dann gibt es lebenslänglich, oder für unschuldig, dann kann das Urteil nur Freispruch lauten.
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