Ein "letzter Versuch" in Minsk?
Zaghafte Hoffnungen auf's "Einfrieren" der Kämpfe in der Ukraine - starker Druck in Richtung auf Eskalation
Am Mittwoch treffen sich noch einmal die deutsche Politikchefin und ihre Kollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine - in der Hauptstadt von Belarus, einem Land, das vor einiger Zeit noch in der westlichen Öffentlichkeit als "letzte Diktatur Europas" galt. Dort geht es nun um einen wohl letzten Versuch, die Kämpfe in der Ukraine "einzufrieren", wie Angela Merkel das Ziel der Gespräche definiert. Ihre Begründung: Eine "militärische Lösung" sei unrealistisch.
Den Politikern in den USA gefällt das deutsch-französische diplomatische Vorgehen nicht; als "Moscow Bullshit" bezeichnete es Victoria Nuland, zuständig für Europa und Eurasien im US-Außenministerium und berühmt wegen ihres "Fuck EU" zur US-Ukrainepolitik. Der Präsident der Vereinigten Staaten äußert sich da weniger rüde im Ton; er wird vermuten, dass in Minsk sowieso kein haltbares Abkommen zustande kommt, und außerdem weiß er selbst noch nicht genau, wie eine "robuste" Unterstützung der Regierung in Kiew denn in der Praxis ausgestaltet werden soll, in Zeiten "hybrider Kriegsführung". Er selbst steht stark unter Druck im eigenen Lande; mehr "Härte" gegenüber Russland wird von ihm verlangt.
Ganz deutlich hervorgetreten sind nun, trotz mancher beschwichtigenden Sprüche, die Interessenkonflikte zwischen den herrschenden Interessen in den USA und denen in führenden Staaten der EU, insbesondere der Bundesrepublik. Um den Gegensatz in geopolitischen Prinzipien geht es dabei nicht; pazifistische Neigungen lassen sich der deutschen und französischen Regierungspolitik nicht nachsagen (übrigens der russischen auch nicht). Aber, wie es die Geografie gefügt hat: Berlin und Paris liegen näher dran als Washington bei kriegerischen Ereignissen in der Ukraine und einem möglichen direkten militärischen Konflikt mit Russland.
Und Deutschland sowie einige andere EU-Staaten werden die Folgen einer Eskalation des Konfliktes mit dem russischen Staat wirtschaftlich ganz anders zu spüren bekommen als die US-amerikanische Ökonomie. Die ist auf Handel und Wandel mit Russland nicht angewiesen. Zudem wird Washington die Kosten des Krieges und der Alimentation eines maroden ukrainischen Staates auf noch zögerliche EU-Staaten abladen. In der "westlichen Wertewelt" wird national kalkuliert bei den Finanzwerten. Und die Fluchtbewegungen aus der Ukraine nehmen je nach Terrain ihre Richtung eben nicht nur ins Russische, sondern auch gen Mitteleuropa...
Was immer in Minsk herauskommen mag, und wie nachhaltig ein Papier wirkt, das dort eventuell verfertigt wird - die Differenzen innerhalb des westlichen Bündnisses in Sachen Osteuropapolitik bleiben. Und die deutsche Bundeskanzlerin weiß jetzt, auch wenn sie es nicht ausspricht: Ganz selbstverständlich gehen die USA davon aus, dass sie es sind, die auf der "Atlantikbrücke" den politischen Verkehr regeln.
Apropos, damit Angela Merkel da keine Zweifel mehr hat, bekam sie jetzt in Washington noch einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl: Energischer müsse sie dafür wirken, dass die Bedenken gegen das TTIP-Projekt in der EU dahinschwinden.