Ein virtuelles Teleskop für das simulierte Universum
Das Projekt Sloan Digital Sky Survey hat mit den ersten gesammelten Daten seiner Teleskope das virtuelle Observatorium eröffnet, auf das alle Internetbenutzer zugreifen können
Während des Treffens der American Astronomical Society (AAS) gaben die Wissenschaftler des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) bekannt, dass sie alle Daten und Bilder, die sie im Laufe eines Jahres gesammelt haben, im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. Im Rahmen des insgesamt fünfjährigen Projekts, an dem unter anderem auch das Max-Planck-Institut für Astronomie und das Max-Planck-Institut für Astrophysik beteiligt sind, soll eine vielfarbige und dreidimensionale Karte des gesamten Universums der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
Schon jetzt kann das Projekt auf Erfolge verweisen. Nicht nur bietet SDSS mit Bildern und Spektren von 14 Millionen Objekten die bislang größte astronomische Datenbank, mit den zwei Teleskopen in Apache Point, New Mexico, wurde auch die bislang am weitesten entfernten Objekt entdeckt. Dabei handelt es sich um zwei Quasare, die 800 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind und eine Rotlichtverschiebung von 6.0 bzw. 6.2 aufweisen. Die Rotlichtverschiebung eines Objekts gibt die relative Größe des Universums bei Aussendung des Lichts an. Quasare sind frühe Galaxien mit Schwarzen Löchern im Zentrum, die einen Einblick in die Geschichte des Universums gewähren.
Bislang wurden im Rahmen des Projekts mehr als 13.000 Quasare entdeckt, darunter 26 von den 30 am weitesten entfernten Quasaren. Ziel von SDSS ist allerdings die Beobachtung von 100.000 Quasaren. Der Erfolg von SDSS beruht nicht nur auf der Zusammenarbeit der zwei Teleskope, sondern wesentlich auch auf den genauen digitalen Daten, die eine Darstellung in fünf Farben erlauben und es den Astronomen so ermöglichen, Quasare von schwach leuchtenden Sternen zu unterscheiden.
Die an SDSS beteiligten Astronomen konnten überdies den ersten Beweis für chemisch unterschiedliche Asteroiden zwischen Mars und Jupiter liefern. Unterscheiden lassen sich steinige Silikat-Asteroiden und einfachere kohlenstoffhaltige Asteroiden, die räumlich getrennt in Gürteln mit einer Entfernung von 2.8 bzw. 3.2 astronomischen Einheiten um die Sonne kreisen. Diese Verteilung lege nahe, so Tom Quinn von der University of Washington, dass in unserem Sonnensystem keine Wanderung von Planeten stattgefunden hat, was in anderen Planetensystem aber häufig vorkomme. Festgestellt werden konnte auch, dass es in dem Asteroidengürtel weniger Asteroiden als bislang angenommen mit einem kleineren Durchmesser von 4 Kilometern gibt. Dadurch sinke auch die Wahrscheinlichkeit, wie Zeljko Ivezic von der Princeton University sagt, dass Asteroiden mit der Erde kollidieren.
Die Veröffentlichung der ersten Daten des Projekts ist bereits eine Rekordleistung: 500 Gigabytes an Bildern, Präzisionsmessungen von 14 Millionen Objekten und Spektren von 50.000 Galaxien und 5.000 Quasaren werden der internationalen Gemeinschaft der Astronomen und der Allgemeinheit auf Datenbanken des Fermilab und des Space Telescope Science Institute in Baltimore zugänglich gemacht. Das Ziel ist eine dreidimensionale Karte eines Viertels des Himmels, durch die dann jeder navigieren und auch Entdeckungen machen kann: eine Demokratisierung der Astronomie gewissermaßen. Zumindest erwartet Marc Postman vom Space Telescope Science Institute, dass die nicht direkt am SDSS beteiligten Wissenschaftler mit dem Datenarchiv mehr Entdeckungen machen werden als die Mitarbeiter des Projekts. Umfassen soll die Datenbank dann Bilder von 100 Millionen Himmelskörpern mitsamt ihrer genauen Position und Helligkeit oder 40 Terabytes an Daten.
Den wichtigsten Zugang zu den Daten stellt SkyServer her, der zusammen mit dem Bay Area Research Center von Microsoft entwickelt wurde. Mit dieser interaktiven Schnittstelle lässt sich das Archiv, das simulierte Universum, durchsuchen. SkyServer entspricht einem virtuellen Teleskop, mit dem man jeden erfassten Teil des Himmels beobachten und näher heranzoomen kann. Anders als bei Microsofts Terraserver, der Satellitenbilder der gesamten Erde anbietet und auf dessen Vorarbeit SkyServer aufbaut, geht es im astronomischen Projekt nicht nur darum, Terabytes an Daten in Form von Bildern in einer Datenbank zu speichern und interaktiv zugänglich zu machen. Die astronomischen Daten setzen bei der Suche zwar bei Bildern an, aber genauso entscheidend sind die angefügten Beschreibungen der Objekte: bis zu 400 Parameter pro Objekt. Der von SDSS explizit gewünschte Zugang über die Bilder, also über die visuelle Beobachtung des Himmels, soll auch Nicht-Astronomen und Kindern einen Zugang ermöglichen und für die Astronomie begeistern. Insofern ist die digitale Astronomie populärer als die digitale Genforschung mit den für Laien undurchsichtigen Annotationen der Gensequenzen, auch wenn die informationstechnischen Aufgaben vergleichbar sind (Gendatenbanken versinken in der Datenflut).