Einblick in den Geist

Muster der Gehirnaktivität lassen erkennen, welches Objekt eine Person gerade sieht

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Das menschliche Gehirn weist aufgrund seiner extremen Komplexität eine enorme Zelldichte auf. Dank des effektiven und in seinen Einzelheiten bislang nicht nachvollziehbaren Zusammenspiels bestimmter Zellen in bestimmten Regionen unseres Gehirns können wir sprechen, riechen, fühlen, schmecken und denken - letzteres jedoch wohl nur mit Abstrichen. Wie Wissenschaftler des National Institute of Mental Health in der neuesten Science-Ausgabe berichten, ist es ihnen jetzt gelungen, anhand der Aktivität des Gehirns festzustellen, was eine Versuchsperson gerade im einzelnen optisch erfasst, also mit den eigenen Augen betrachtet.

Die Muster der Gehirnaktivitäten, die so genannten "Landschaften" starker, mittlerer und schwacher Antworten, sind für jede Objektkategorie wie Gesicht, Haus, Schuh oder Sessel in einer bestimmten Gehirnregion verschieden. Diese Muster könnten einen Schlüssel für die Entzifferung des Gehirncodes für das Erkennen von Gesichtern und Objekten liefern.

Die Wissenschaftler untersuchten, wie sie in "Distributed and Overlapping Representations of Faces and Objects in Ventral Temporal Cortex" (Science 2001 293) ausführen, die Reaktionsmuster mittels funktioneller Kernspinresonanztomografie (fMRI). Während die sechs Teilnehmer der Studie Bilder von Gesichtern, Katzen und fünf Kategorien künstlicher Objekte wie Häuser, Sessel, Scheren, Schuhe und Flaschen ansahen, wurde das Gehirn via fMRI gescannt. Zur Kontrolle wurden zusätzlich gezielt abstrakte Bilder gezeigt. Die Ergebnisse waren überraschend: Insgesamt konnten die Muster der fMRI-Antworten die Kategorie mit einer Genauigkeit von 96 Prozent voraussagen. Bei Gesichtern, Häusern und unsinnigen Bildern lag die Erfolgsrate bei 100 Prozent. Wurden die Bereiche maximaler Aktivierung ausgeschlossen, verringerte sich die Genauigkeit auf 94 Prozent.

Der leitende Wisssenschaftler James Haxby erklärte, dass bildgebende Verfahren nicht nur zeigen könnten, wo die Verschlüsselung stattfindet, sondern auch wie das Gehirn komplexe Informationen kodiert. Das Team des NIMH Laboratory of Brain and Cognition konzentrierte sich auf die funktionale Architektur des so genannten ventralen temporalen Lappens der Sehrinde. "Die Magnetresonanzuntersuchungen können uns nicht nur Auskunft darüber geben, welche Gehirnregionen beim Bildersehen aktiv sind, sondern auch wie das Gehirn komplexe Information kodiert", so Haxby. Ist dieser Code erst einmal geknackt, wäre dies die Vorstufe zum Gedankenlesen, spekulieren die Forscher.

Es stellte sich heraus, dass, anders als in früheren Studien angenommen, auch in den "spezialisierten" Regionen wie zum Beispiel der "Ort-Region" ausgeprägte Reaktionsmuster auf andere Objekte wie Schuhe, Katzen oder Sessel festgestellt werden können. Die Wissenschaftler bezeichneten dieses Modell als "Object Form Tomography".

Frühere Studien hatten gezeigt, dass jene Gehirnregionen, die am meisten auf eine bestimmte Objektkategorie reagieren, bei verschiedenen Menschen einheitlich sind. Jetzt wurde nachgewiesen, dass das gesamte Reaktionsmuster bei einer Person für eine Objektkategorie gleich ist. Zusätzlich stellte sich heraus, dass auch die schwachen Reaktionen Informationen über die Eigenschaften einer Kategorie transportieren. Auch wenn die Bereiche maximaler Aktivierung bei der Analyse nicht berücksichtigt werden, kann aus der charakteristischen Anordnung der schwächeren Reaktionen auf eine Kategorie geschlossen werden.