Eine Reform für gerechtere Strom-Netzentgelte kommt in Sicht

Seite 2: Bundesnetzagentur wartet auf Reformbefugnis

Angesichts dieser regional unterschiedlichen Kostenbelastung haben sich die nord- und ostdeutschen Länder in den vergangenen Monaten zunehmend für eine Netzentgelt-Reform eingesetzt. Damit sollen die Netzausbau-Kosten, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien verursacht werden, bundesweit fair verteilt werden.

Eine entsprechende Protokollerklärung hatten die Länder Brandenburg, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen im Juni nach der Ministerpräsidenten-Konferenz in Berlin veröffentlicht.

Auf Verständnis stoßen sie damit bei der Bundesnetzagentur. Präsident Klaus Müller hat bereits eine Reform der Strom-Netzentgelte angekündigt, sobald seiner Behörde die Befugnisse übertragen werden, die dafür nötig sind. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt dem Bundestag bereits vor und könnte demnächst verabschiedet werden.

Auch der Bundesrat hat sich deutlich dafür ausgesprochen:

Faire Netzentgelte sind die Grundlage für die Akzeptanz der Energiewende, für das Funktionieren der Sektorenkopplung in EE-Erzeugungsregionen und für Chancengerechtigkeit unter den Wirtschaftsregionen. Da insbesondere im Verteilnetzbereich die Netzentgelte zwischen den unterschiedlichen Netzbetreibern signifikant auseinanderfallen, ist es dringend notwendig, bereits für das Jahr 2024 Abhilfe zu schaffen.

Siehe hier die Stellungnahme des Bundesrates vom 7. Juli 2023.

Die Netzentgelt-Reform gilt als eine gut umsetzbare Möglichkeit, um die unterschiedlichen regionalen Kostenbelastungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien auszugleichen.

Mögliche Entlastungen im Norden

Den Berechnungen von Verivox lässt sich ungefähr entnehmen, wie sich ein solcher Ausgleich auf den Modell-Haushalt mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch auswirken würde: Demnach zahlt ein solcher Haushalt derzeit im bundesweiten Durchschnitt jährlich 350 Euro für Strom-Netzentgelte. Weiter heißt es bei dem Vergleichsportal:

Würde dieser Durchschnitt in allen Bundesländern gelten, lägen die Kosten für einen Drei-Personen-Haushalt in Schleswig-Holstein und Brandenburg um 27 Prozent niedriger, was einer Entlastung von 130 bzw. 127 Euro entspricht. In Mecklenburg-Vorpommern würden sich die Netzgebühren um 22 Prozent (99 Euro) reduzieren. Stark steigende Stromnetzgebühren gäbe es in Bremen mit einem Plus von 38 Prozent (96 Euro). In Baden-Württemberg würden die Netzentgelte um 9 Prozent (29 Euro) ansteigen, in Bayern wären es 8 Prozent (27 Euro).

Siehe hier die Verivox-Pressemitteilung vom 17.08.2023.

Widerstände gegen regionale Strompreiszonen

Ein noch weitergehendes Modell für die Bewältigung der zunehmenden regionalen Ungleichgewichte im deutschen Stromsystem wird schon lange in Fachkreisen diskutiert. Die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hatten es in den vergangenen Monaten auch noch einmal ins Gespräch gebracht.

Danach könnte die bisher einheitliche deutsch-luxemburgische Preiszone für den Strombörsen-Großhandel in zwei oder mehr Preiszonen aufgeteilt werden. Im Norden und Osten würde eine solche Preiszone wohl dazu führen, dass sich durch ein Überangebot von Solar- und Windstrom niedrigere Großhandelspreise als bisher ergeben.

In Süddeutschland gibt es dagegen immer wieder zeitweise Strommangel-Situationen, die in einer eigenen Preiszone vermutlich zu zeitweise höheren Preisen führen würden. Dann könnte es in den Südländern beispielsweise interessanter werden, mehr Windparks als bisher zu bauen.

Das Modell der regionalen Preiszonen wird auch von der Europäischen Kommission und der Europäischen Energie-Regulierungsagentur ACER befürwortet. Es stößt aber auf starke Widerstände in Bayern und inzwischen auch in anderen süd- und westdeutschen Bundesländern.