Eine Spezies ist von Ozeanerhitzung und Meereisverlust besonders betroffen
Meereiskonzentration Antarktis, 27.8.2023. Die grüne Linie zeigt die mittlere Meereisausdehnung August 1981-2010. Bild: Meereisportal
Energie und Klima – kompakt: Weitere Hitzewelle für die Meere. Wissenschaftler berichten von Rekordtief beim Antarktis-Eis. Diese Folgen drohen für das Weltklima.
Den Kaiserpinguinen schmilzt das Meereis, auf dem sich ihre Brutkolonien befinden, unter den Füßen weg. Der sich stark erwärmende Südliche Ozean könnte außerdem stärkere Rückkopplungseffekte auf das globale Klima haben. Vor Tasmanien wird eine starke marine Hitzewelle prognostiziert.
In vier von fünf Kaiserpinguinkolonien in der antarktischen Bellinghausensee haben die Jungvögel im Frühjahr 2022 nicht überlebt, so das Fazit einer soeben im Fachjournal "Communications Earth & Environment" veröffentlichten Studie. Der Misserfolg bei der Aufzucht der Jungen sei direkt auf den noch nie dagewesenen Rückgang des Meereises zurückzuführen, heißt es in einer Pressemitteilung zur Studie.
Die Kaiserpinguine brauchen für ihre Kolonien stabiles und fest mit dem Land verbundenes Meereis von April bis Januar. Sie legen ihre Eier im Winter, im Mai oder Juni, bis zum Schlüpfen braucht die Brut 65 Tage.
Ihr wasserdichtes Erwachsenengefieder entwickeln die Jungen aber erst im antarktischen Sommer zwischen Dezember und Februar. Vorher können sie entweder gar nicht schwimmen oder würden erfrieren, wenn sie ins Wasser gingen.
Im antarktischen Sommer 2022 war das Meereis in der Bellinghausensee jedoch bereits im November aufgebrochen. Anhand von Satellitenbildern konnte das Forschungsteam um Peter Fretwell sehen, dass die Kolonien, in denen das Eis aufgebrochen war, bereits vor dem Gefiederwechsel der Jungvögel verlassen worden waren, was mit ziemlicher Sicherheit bedeutet, dass keines der Jungtiere dieser Kolonien überlebt hat. Lediglich in der Pinguinkolonie auf Rothschild Island gab es Reproduktionserfolge.
Wir haben noch nie einen Brutmisserfolg der Kaiserpinguine in diesem Umfang in einer Saison erlebt. Der Verlust des Meereises in dieser Region während des antarktischen Sommers machte es sehr unwahrscheinlich, dass die vertriebenen Küken überleben würden. Wir wissen, dass Kaiserpinguine in einem sich erwärmenden Klima sehr gefährdet sind – und die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass extreme Meereisverluste wie dieser immer häufiger auftreten werden,
… erklärte Leitautor Peter Fretwell von der British Antarctic Survey.
Beim Zusammenbrechen des Meereises ziehen die Pinguine gewöhnlich im folgenden Jahr zu stabileren Plätze um. Diese Strategie werde aber nicht mehr funktionieren, wenn ihr gesamtes Habitat betroffen sei, meinen Wissenschaftler.
Während andere Spezies in der Regel verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt seien, werde die Populationsentwicklung der Kaiserpinguine im Wesentlichen vom Verlust des Meereises bedroht. Sollte die Erwärmung ihres Lebensraums in bisherigem Maße fortschreiten, werden über 90 Prozent der Kolonien bis zum Ende des Jahrhunderts praktisch verschwunden sein, teilt die British Antarctic Survey mit.
Fatale Rückkopplungseffekte
Das Rekordtief bei der Meereisausdehnung in diesem Winter macht dabei wenig Hoffnung auf eine erfolgreichere Brutsaison 2023. Aktuell ist eine Fläche von 16,35 Millionen Quadratkilometern von Eis bedeckt. Das sind circa zwei Millionen Quadratkilometer weniger als im Mittel der Jahre 1981 bis 2010 und auch weniger als im vergangenen antarktischen Winter, wie dem Meereisportal des Alfred-Wegener-Instituts zu entnehmen ist.
Auch außerhalb der Antarktis könnte sich der Ozean auf der Südhalbkugel in nächster Zeit stark erwärmen, wie einem Bericht des Guardian zufolge befürchtet. Demnach steht insbesondere im Ozean südöstlich des Kontinents und östlich von Tasmanien zwischen September 2023 und Februar 2024 eine marine Hitzewelle bevor.
Die Meerestemperaturen könnten dabei um 2,5 Grad Celsius oder mehr über den Durchschnitt zu dieser Jahreszeit steigen, mit schwer absehbaren Folgen für die dortigen Meeresökosysteme, beispielsweise auf die bereits stark dezimierten Kelpwälder vor Tasmanien.
Die Erwärmung des südlichen Ozeans könnte auch stärkere Rückkopplungseffekte auf das gesamte Klima der Erde haben, die in bisherigen Klimamodellen noch nicht berücksichtigt sind. Das geht aus einer soeben in "Nature Geoscience" veröffentlichten Studie eines Wissenschaftsteams unter der Leitung von Sarah Kang, einer der Direktorinnen am Max-Planck-Institut für Meteorologie, hervor.
Demnach bilden die Modellsimulationen die Entstehung von niedrigen Stratocumulus-Wolken und deren Fernwirkungen auf das gesamte Erdklima nicht ausreichend ab. "Dadurch werden die vom Südlichen Ozean angetriebenen Effekte in entfernten Regionen und der damit verbundene Einfluss auf die globale Rückkopplungsstärke unterschätzt", heißt es in der Pressemitteilung des Instituts.
Die Modellsimulationen müssten daher für die Zukunft eine beschleunigte Erwärmung des Südlichen Ozeans vorhergesagt wird. Eine Abkühlung im Südlichen Ozean zwischen 1979 und 2013 trotz globaler Erwärmung könnte zu einer verstärkten tropischen Bewölkung und damit einer Verlangsamung der globalen Erwärmung beigetragen haben. Erwärmt sich diese Meeresregion jedoch stärker, könnte dieser die Erwärmung verlangsamende Effekt wieder entfallen.