Eingebildete Widersprüche

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18 Prozent der Wahlberechtigten zeigen Sympathien für Linkspartei und eine deutliche Mehrheit von ihnen will Soziales und Klimaschutz gleichrangig behandelt sehen

Zu den gängigen Erzählungen über Umwelt- und Klimaschutz gehört für gewöhnlich, dass diese im Gegensatz zu Wohlstand, Arbeitsplätzen und sozialen Fragen stünden. Viele Journalistinnen und Journalisten reproduzieren diese Sicht ein ums andere Mal – unbeeindruckt von allen Fakten und alle Widerlegungen souverän ignorierend –, unter anderem, weil sie ein bequemes Instrument bietet, ohne viel Nachdenken einen kleinen Spannungsbogen aufzubauen.

Auch sozialdemokratische und ein Teil der Linken-Politiker bedienen diese Klischees immer wieder gerne, die einen, um ihre industriefreundliche Politik als sozial zu kaschieren, die anderen, weil sie das ewige Variieren dieser Erzählung zu einem Geschäftsmodell entwickelt haben und das damit betriebene Diskreditieren der eigenen Partei mediale Aufmerksamkeit garantiert.

Die andere Sicht

Die potenziellen Wählerinnen und Wähler der Linkspartei haben interessanterweise eine ganz andere Sicht auf die Beziehung von Ökologischem und Sozialen, wie kürzlich eine Meinungsumfrage ergab. Deren Ergebnisse wurden jetzt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung vorgestellt, die die Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Kantar (ehemals Emnid) im Auftrag gegeben hatte.

Die Befragungen erfolgten zwischen dem 5. und 12. April. Demnach spricht sich eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wählerinnen und Wähler der Linkspartei dafür aus, dass diese Forderungen nach Beschäftigung und guter Arbeit gleichrangig mit Klimaschutz behandelt.

Immerhin acht Prozent aus dem potenziellen Wählerreservoir, also von jenen 18 Prozent der Befragten, die angaben, sich ein Kreuzchen bei der Linkspartei vorstellen zu können, würden dem Klimawandel sogar den Vorrang einräumen.

Je geringer das Einkommen, desto ernster wird der Klimaschutz genommen

Interessanterweise geben unter den viel geschmähten linken Boomern sogar 19 Prozent dem Klimaschutz den Vorrang. Und noch interessanter: Offenbar gilt, je geringer das Einkommen, desto ernster wird der Klimaschutz genommen.

In der Gruppe mit einem monatlichem Nettohaushaltseinkommen von weniger als 1.500 Euro war der Anteil derjenigen potenziellen Linkspartei-Unterstützerinnen und Unterstützer, die dem Klimaschutz den Vorrang geben, mit 21 Prozent am größten.

Schließlich kam auch heraus, dass unter den der Linkspartei zuneigenden Gewerkschaftsmitgliedern die Unterstützung für eine gleichrangige Behandlung sozialer Fragen und Klimaschutz mit 65 Prozent noch etwas größer als unter dem Rest der (potenziellen) Anhängerinnen und Anhänger ist.

Vielleicht wird es also einfach Zeit, mit den alten Klischees aufzuräumen, Konservatismus zur Seite zu schieben und sich mehr um den Umbau der Industriegesellschaft zu kümmern. Aufgabe der Linken könnte es sein, dafür Sorge zu tragen, dass dieser nach den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung statt nach den kapitalkräftigen Profit-Interessen kleiner Minderheiten ausgerichtet wird.