Eingekesselt in Donezk
Seite 2: Das Schweigen der OSZE-Beobachter
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Viele Menschen in Deutschland setzen Hoffnungen in die OSZE, die mit 700 Beobachtern im Donbass zu beiden Seiten der Demarkationslinie präsent ist. Doch trotz OSZE kommt es täglich bis zu tausend Beschießungen, wie der Leiter der OSZE-Beobachter-Gruppe im Donbass, Alexander Hug, selbst mitteilt.
Der Film zeigt auf, dass Alexander Hug nicht neutral ist. Er arbeite zum Nutzen "der Ukraine", erklärte der Missionschef auf einer Pressekonferenz. Der Film weist nach, dass Hug den wichtigsten Fragen immer wieder wortreich ausweicht. Trotz mehrfachen Nachfragens von Bartalmai will der OSZE-Missions-Chef nicht sagen, wer die Wohnhäuser in Donezk beschießt, und er will auch nicht sagen, welche der beiden Seiten im Donbass-Konflikt es ablehnt, mit der anderen Seite in einen direkten Kontakt zu treten.
Man merkt, dass die Filmemacher dem Zuschauer möglichst viel von dem realen Leben in der DNR vermitteln wollen. Es wird fast pausenlos gesprochen und erklärt. Man wünscht sich während des Schauens Pausen, um das Gehörte zu verarbeiten und seine Frage zu formulieren. Gut wäre es auch gewesen, wenn man die einzelnen Episoden durch wiederkehrende Gesichter verbunden und nicht einfach aneinandergereiht hätte.
"Propaganda im Sinne der Menschlichkeit"
Wie wurde "Frontstadt Donezk" in Deutschland aufgenommen? Im Facebook berichteten die Filmemacher, ein Teil der Zuschauer in Deutschland reagiere feindselig. Es käme zu "hasserfüllten Angriffen". Es werde gar nicht versucht "die Filminhalte zu widerlegen."
Zu dem Vorwurf, der Film mache Propaganda, erklärte Mark Bartalmai bei einer Diskussion mit Zuschauern nach einer Filmvorführung in der Moskauer Turgenjew-Bibliothek, es sei eine Illusion zu glauben, dass man über einen Krieg völlig objektiv berichten kann, "denn hinter der Kamera steht immer ein Mensch". Ja, er mache Propaganda, "aber im Sinne der Menschlichkeit".
Ich fragte Bartalmai, ob er mit seinen beiden Filmen über den Donbass trotz der Vorwürfe Erfolg habe? Der Filmemacher antwortete, es sei schon merkwürdig, dass ARD und ZDF zur besten Sendezeit vor einem Film warnen, der nur von zwei Leuten gemacht wurde. Aber damit hätten sie "die Leute erst neugierig gemacht, weshalb sie den zweiten Film jetzt völlig verschweigen".
Einer der Zuschauer fragte, "wann Merkel endlich abtritt" und was dann kommt. Bartalmai antwortet, dass die Partei von Angela Merkel bei den nächsten Wahlen "viele Stimmen bekommen wird". Er sagte auch, dass die Alternative für Deutschland eine "sehr gefährliche, ultraliberale und ausländerfeindliche" Partei sei. In dieser Partei gäbe es zahlreiche Neonazis. Die Leute von der AfD sähen in Wladimir Putin vor allem "den starken Führer". Das einzige, was die AfD von den anderen Parteien in Deutschland unterscheide, sei, dass sie gegen die Russland-Sanktionen ist.
Ein Zuschauer fragt, wie es kommen könne, dass der Antifaschismus in Deutschland zum gesellschaftlichen Grundkonsens gehöre, "aber die Faschisten in der Ukraine unterstützt werden". Dazu der Filmemacher: "Wenn man das auf der Ebene der Ideologie analysiert, ist es ein Widerspruch." Die Deutschen würden das aber nicht ideologisch sehen.
Ihre finanzielle Situation beschrieben die beiden Dokumentarfilmer als sehr schwierig. Nur 40 Prozent der Ausgaben für den Film "Frontstadt Donezk" seien durch Spenden und den Verkauf der DVD wieder reingekommen. Anfang März wurde der Film zweimal im ausverkauften Berliner Kino Union gezeigt. Doch weitere Kinos wollen nicht zusagen. Einige Kinos hätten Drohbriefen erhalten, erzählt die Filmemacherin Neljy Oystrakh.
Zwischen den Stühlen
Während den beiden Dokumentarfilmern von deutschen Medien vorgeworfen wird, sie machten "Propaganda für Russland", begegnen ihnen offizielle russische Stellen "mit vornehmer Zurückhaltung", sagte Bartalmai. Russische Fernsehkanäle wollten den Film "Frontstadt Donezk" nicht zeigen. "Wir sitzen zwischen den Stühlen, weil man uns in Deutschland das Leben schwer macht. Und von russischer Seite gibt es bürokratische Hürden.“
Etwas genervt sind die Filmemacher auch wegen eines "gestiegenen Interesses" des russischen Geheimdienstes. Immer wenn sie aus Russland in die DNR fahren oder aus der DNR nach Russland zurückkehren, seien sie "stundenlangen Verhören" ausgesetzt. Die Situation sei "surreal", denn man arbeite ja nicht gegen Russland.
Der Autor dieser Zeilen weiß wovon die beiden reden. Er wurde im Februar dieses Jahres zweimal von russischen Beamten an der Grenze zur DNR verhört. Offenbar ist das Sicherheitsbedürfnis am Rande des Kriegsgebietes Donbass gestiegen.
Doch für Bartalmai und Oystrakh gab es nicht nur Grund zur Klage. Die kritischen Veröffentlichungen zum militärischen Vorgehen der ukrainischen Armee gegen die Zivilbevölkerung in Donezk und Lugansk hätten immerhin "Unruhe in die deutsche Medienlandschaft" gebracht, sagt der Filmemacher. Sehr gefreut haben sich die beiden Dokumentarfilmer auch darüber, dass sie für ihren neuen Film Ende Mai auf dem internationalen Filmfestival in Sewastopol zwei Auszeichnungen bekamen. Von der russischen Administration bekamen sie einen Preis für "die talentierte Widerspiegelung zeitgenössischer Ereignisse und die ethische kreative Haltung". Außerdem erhielten sie den Festival-Hauptpreis in der Kategorie "Kriegs- und Geschichtsdokumentationen".
"Frontstadt Donezk - Die unerwünschte Republik". Ein Dokumentarfilm von Mark Bartalmai und Nelja Oystrakh. Koseo Media, Nuoviso-Filmproduktion. DVD-Fassung 137 Minuten, Kino-Fassung 90 Minuten.