Einheit 8200: So wurde der israelische Spionagechef enttarnt
Yossi Sariel wurde ein Buch auf Amazon zum Verhängnis. Geheimdienst für Versagen am 7. Oktober 2023 mitverantwortlich. Kritik auch an Zielauswahl im Krieg.
Die Identität des Kommandanten der israelischen Einheit 8200, vergleichbar mit der US-amerikanischen National Security Agency, wurde lange Zeit streng geheim gehalten. Nun wurde bekannt, dass der Spionagechef Yossi Sariel seine Identität unbeabsichtigt durch ein bei Amazon veröffentlichtes Buch preisgegeben hat. Das berichte unlängst der Guardian in einem ausführlichen Beitrag, der von vielen internationalen Medien aufgegriffen wurde.
Ein Buch und ein digitaler Pfad
Sariel ist Autor des Buches "The Human Machine Team", in dem er eine radikale Vision für den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in der Beziehung zwischen militärischem Personal und Maschinen entwirft. Das Buch, das unter dem Pseudonym "Brigadegeneral YS" veröffentlicht wurde, beschreibt die fortschrittlichen KI-gestützten Systeme, die von den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) während des sechsmonatigen Krieges in Gaza entwickelt wurden.
Eine elektronische Version des Buches enthielt eine anonyme E-Mail-Adresse, die leicht zu Sariels Namen und Google-Konto zurückverfolgt werden konnte. Als der Guardian daraufhin die israelischen Streitkräfte (IDF) kontaktierte, erklärte ein Sprecher, die E-Mail-Adresse gehöre nicht Sariel, sondern sei "speziell für Fragen im Kontext des Buches selbst" eingerichtet worden.
Später bezeichnete die IDF die Veröffentlichung von Sariels persönlichen Daten durch das Buch in einer Stellungnahme gegenüber israelischen Medien als "Fehler" und fügte hinzu: "Das Problem wird untersucht, um ähnliche Fälle in der Zukunft zu vermeiden."
Druck auf Spionagechef wächst
Die Sicherheitspanne dürfte den Druck auf Sariel erhöhen, dessen Amtszeit als Chef der Elite-Division für Cyber-Intelligenz der IDF umstritten ist. Die Einheit 8200, die in der nachrichtendienstlichen Community einst für ihre nachrichtendienstlichen Fähigkeiten bewundert wurde und international führend war, hat einen umfassenden Überwachungsapparat aufgebaut, um die palästinensischen Gebiete genau zu beobachten.
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Die Einheit steht in Israel jedoch in massiver Kritik, weil sie den tödlichen Angriff der Hamas auf Südisrael am 7. Oktober letzten Jahres nicht vorhersehen und verhindern konnte. Bei diesem Angriff töteten militante Palästinenser fast 1.200 Israelis und entführten rund 240 Menschen. Seit den Angriffen der Hamas werden Vorwürfe laut, die "technologische Arroganz" der Einheit 8200 sei auf Kosten konventioneller Aufklärungsmethoden gegangen.
KI im Kriegseinsatz
Im laufenden Israel-Krieg in Gaza scheinen die israelischen Streitkräfte Sariels Vision einer Zukunft, in der militärische Technologie eine neue Grenze darstellt, in der KI eingesetzt wird, um immer komplexere Aufgaben auf dem Schlachtfeld zu erfüllen, vollständig umgesetzt zu haben.
In den letzten sechs Monaten hat die IDF mehrere KI-gestützte Entscheidungsunterstützungssysteme eingesetzt, die von der Einheit 8200 unter Sariels Leitung schnell entwickelt und verfeinert wurden.
Dazu gehören Gospel und Lavender, zwei Zielerkennungssysteme, die in Berichten des israelisch-palästinensischen Magazins +972, seiner hebräischsprachigen Ausgabe Local Call und des Guardian enthüllt wurden.
Die IDF sagt, dass ihre KI-Systeme menschliche Geheimdienstoffiziere unterstützen sollen, die überprüfen müssen, ob militärische Verdächtige legitime Ziele nach internationalem Recht sind. Ein Sprecher erklärte, das Militär verwende "verschiedene Arten von Werkzeugen und Methoden" und fügte hinzu: "Offensichtlich gibt es Werkzeuge, die dazu dienen, Geheimdienstmitarbeiter mit künstlicher Intelligenz zu unterstützen".
Buch über KI und Kriegsführung
Sariel argumentierte in dem vor drei Jahren veröffentlichten Buch, dass seine Ideen über die Nutzung maschinellen Lernens zur Transformation der modernen Kriegsführung in den Mainstream gelangen sollten. "Wir müssen sie nur von Rand in die Mitte der Bühne bringen", schrieb er.
In einem Abschnitt des Buches lobt er das Konzept einer KI-gestützten "Zielmaschine", deren Beschreibungen stark an die Zielerkennungssysteme erinnern, die die israelische Armee bekanntermaßen bei der Bombardierung von Gaza einsetzte.
Sariel schrieb das Buch mit Erlaubnis der IDF nach einem Jahr als Gastforscher an der National Defense University in Washington DC, wo er sich für den Einsatz von KI zur Transformation moderner Kriegsführung einsetzte.
Das Buch richtet sich an hochrangige Militärkommandeure und Sicherheitsbeamte und formuliert ein Konzept des "Human-Machine-Teaming", das eine Synergie zwischen Menschen und KI anstrebt, anstatt vollständig autonome Systeme zu konstruieren.
Kritik und Verantwortung im Krieg
Das Bekanntwerden von Sariels Sicherheitslücke kommt für den Geheimdienstchef zu einem schwierigen Zeitpunkt. Im Februar geriet er in Israel in die öffentliche Kritik, als die israelische Zeitung Maariv einen Bericht über Vorwürfe innerhalb der Einheit 8200 nach den Anschlägen vom 7. Oktober veröffentlichte.
In dem Artikel wurde Sariel nicht namentlich genannt, sondern nur als "Y" bezeichnet. Die seltene öffentliche Kritik rückte jedoch eine Spaltung innerhalb der israelischen Geheimdienstgemeinschaft über ihr größtes Versagen in einer Generation in den Fokus.
Sariels Kritiker glauben laut Bericht, dass die Priorisierung von "süchtig machender und aufregender" Technologie durch die Einheit 8200 über traditionellere Nachrichtendienstmethoden zur Katastrophe geführt hat. Ein erfahrener Beamter sagte der Zeitung, die Einheit unter Sariel habe "der neuen Nachrichtendienstblase gefolgt".
Sariel selbst wird mit den Worten zitiert, der 7. Oktober werde ihn "bis zu seinem letzten Tag verfolgen". "Ich übernehme die Verantwortung für das, was vorgefallen ist, im tiefsten Sinne des Wortes", sagte er. "Wir wurden besiegt. Ich wurde besiegt."