"Einschläge" des Klimawandels kommen immer näher
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Die Energie- und Klimawochenschau: Teil zwei unseres Jahresrückblicks
Ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende, ein, wie wir bereits letzte Woche angemerkt haben, für den Klimaschutz verlorenes Jahr, ein Jahr, wie es sich die Menschheit eigentlich schon lange nicht mehr erlauben kann.
Ein Jahr, der neuen Hitzerekorde in Deutschland mit 42,6 Grad Celsius, die am 25. Juli in Lingen im Emsland gemessen wurden, das heißeste Jahr Russlands, und ein Jahr dramatischer Hitzewellen, Dürren und Waldbrände in Australien.
Ein Jahr rücksichtsloser Brandrodung im Amazonasbecken, großflächiger Waldbrände in Sibirien und Afrika, ein Jahr, in dem Venedig gleich mehrfach unter Wasser stand, und die USA die Grenze für Klimaflüchtlinge von den Hurrikan-verheerten Bahamas schloss.
Ein weiteres verlorenes Jahr, in dem immer klarer wurde, dass inzwischen ein langsamer, behutsamer, allmählicher Übergang in ein neues Energie- und Verkehrssystem kaum noch möglich ist, wenn das Klima noch halbwegs geschont werden soll. Der Übergang wird zunehmend disruptiv, mit schnellen heftigen Veränderungen erfolgen müssen, wie die Ökonomin Claudia Kemfert im Focus feststellt.
Veränderungen unausweichlich
Aber schauen wir noch einmal in einem zweiten Teil unseres Jahresrückblicks auf 2019 (siehe: Ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz). Das Jahr war nicht zuletzt durch eine neue, frische, geradezu kulturrevolutionäre Jugendbewegung geprägt, die zwar die Regierungen noch nicht ausreichend unter Druck setzen konnte, aber die öffentliche Debatte in vielen Länder aufgemischt hat, sodass jetzt fast überall zumindest über den Klimaschutz diskutiert wird.
Interessant an dieser Fridays-For-Future-Bewegung der Schüler ist unter anderem, dass sie sich so eigenständig organisiert und von Anfang an international vernetzt hat, und vielleicht auch, dass sie auf einen detaillierten Forderungskatalog verzichtet, sondern vielmehr von der Regierungen im Wesentlichen nur zwei Dinge fordert. Erstens: Hört auf die Wissenschaft. Und zweitens: Nehmt die in der Pariser Übereinkunft eingegangenen Verpflichtungen ernst.
Und sie legt den Finger in die Wunden, in dem sie uns daran erinnert, dass sich im kommenden Jahrzehnt und in den darauffolgenden sehr viel ändern wird und es jetzt mit Hochdruck darum gehen muss, diese Veränderungen für alle Menschen erträglich zu gestalten.
Das hört sich für viele sehr unangenehm an, zumal die Jugendbewegung - übrigens mit zum Teil massiver Unterstützung aus anderen Teilen der Gesellschaft und nicht zuletzt aus den Wissenschaften - an Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte erinnert. Dass die Probleme schon sehr lange bekannt sind, lässt sich unter anderem im Telepolis-Archiv gut in Erinnerung rufen.
Jedenfalls mag dieser für manchen unangenehme Aspekt - neben den bedrohten Geschäftsmodellen der Energie-, Auto- und Erdölkonzerne sowie der Großagrarier - die Ursache für den Hass und die Aggressionen sein, die der Jugendbewegung aus der konservativen und reaktionären Ecke von Brasilien über Deutschland bis nach Russland entgegenschlägt.
Der eingeforderte ernsthafte Klimaschutz ist jedenfalls weit und breit bisher nicht in Sicht. Die Jugendlichen werden sich also nicht nur wegen des eisigen Windes, der ihnen aus der gewaltbereiten rechtsextremen Ecke entgegen bläst, warm anziehen müssen. Sie werden auch einen langen Atem benötigen.
Zu wenig Regen
Die Einschläge des Klimawandels kommen jedenfalls immer näher. Für Deutschland war 2019 nach 2018 und 2014 das drittwärmste Jahr seit 1881, dem ersten Jahr von dem ausreichend Messungen für ein landesweites Mittel vorliegen. Das geht aus der Jahresbilanz des Deutschen Wetterdienstes DWD hervor.
Mit durchschnittlich 10,2 Grad Celsius (Durchschnitt über den ganzen Tag, das ganze Jahr und die ganze Landesfläche) war das Mittel zwei Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990, der international jeweils als Referenz genommen wird. Insbesondere eine schwere Hitzewelle im Juli in der die erwähnten neue Temperaturrekorde aufgestellt wurden, drückte den Durchschnitt nach oben. Der Sommer 2019 war der heißeste bisher in Deutschland registrierte, so der DWD.
Zugleich war die Hitze auch mit einem erneuten Niederschlagsdefizit verbunden, sodass sich die seit 2017 anhaltende Dürre zunächst fortsetzte. Erst ab dem Spätsommer besserte sich die Situation langsam. Mit rund 730 Litern pro Quadratmeter fiel im Landesdurchschnitt aber wiederum zu wenig Regen, sodass die überdehnten Reservoire noch nicht wieder aufgefüllt sind.
Den geringsten Niederschlag gab es in einem Bogen vom Thüringer Becken bis zur Leipziger Tieflandsbucht, wo 2019 örtlich zum Teil nur etwa 350 Liter pro Quadratmeter fielen. Viel Regen und Schnee gab es hingegen erneut am Alpenrand, wo von Dürre nicht viel zu spüren gewesen sein dürfte.
Australien brennt
In Australien begann das Jahr mit einer dramatischen Hitzewelle und endete mit einer noch schlimmeren, begleitet von den schwersten Waldbränden in der Geschichte des Landes.
Am 17.12. wurde mit 40,9 Grad Celsius auf dem fünften Kontinent ein neuer Rekord für die Landesdurchschnittstemperatur aufgestellt, nur um einen Tag später um einen weiteren Grad überboten zu werden.
Das ging und geht zum Jahresende noch immer einher mit verheerenden Waldbränden, denn die abnorme Hitze wird auch noch von ausbleibenden Niederschlägen begleitet, was Böden und Wälder austrocknet. So brennt es inzwischen auch in eher tropisch- und gemäßigt-feuchten Gebieten, die nicht zu den üblichen gefährdeten Regionen gehören.
Sydney scheint auf Satellitenaufnahmen von allen Seiten vom Feuer bedroht, aber noch ist es nicht wie zu Weihnachten im chilenischen Valdivia zu einem Übergreifen des Feuers auf die Stadt gekommen. Aber auch so ist allein im am stärksten betroffenen Bundesstaat New South Wales bereits eine Fläche von der Größe Belgiens zerstört.
Atomkraft am Ende
In den letzten Wochen wurde hier und da einmal mehr die Atomkraft als Wundermittel aus dem Hut gezaubert, aber das ist eigentlich keine Nachricht weiter wert, sondern mehr oder weniger regelmäßig eintretendes Ergebnis intensiver Lobbyarbeit rund um die alljährlich in der zweiten Herbsthälfte stattfindenden UN-Klimakonferenzen. Tatsächlich geht es mit der Atomkraft in Europa und in den USA im Wesentlichen in eine Richtung: abwärts.
In Schweden und in der Schweiz wurde zum Beispiel dieser Tage jeweils ein Atomkraftwerk stillgelegt. Zum einen handelt es sich um Ringhals 2 im AKW Ringhals bei Göteborg, der seit Anfang der 1970er Jahre lief und damit mehr als 45 Betriebsjahre auf dem Buckel hat. Betreiber ist Vattenfall, dessen diverse AKW-Störfälle - auch in Ringhals - Gegenstand von Telepolis-Beiträgen waren.
Zum anderen wurde das AKW Mühlenberg an der Schweizer Grenze zu Deutschland stillgelegt. Mit 47 Jahren - AKW sind für gewöhnlich auf 40 Jahre Betrieb ausgelegt - handelte es sich um einen der ältesten Atommeiler der Welt und den ersten, der in der Schweiz dauerhaft vom Netz geht. Dort ist der Neubau von AKW inzwischen verboten. Somit wurde mit der Stilllegung Mühlenbergs auch beim Nachbarn das Ende des Atomzeitalters eingeläutet.
Fast gleichzeitig kam es am 29.12. im Schweizer AKW Leibstadt erneut zu einer Schnellabschaltung aufgrund technischer Probleme, wie der Deutschlandfunk berichtet Ein solches Manöver ist nicht ganz ohne Risiko und wird daher nur im Notfall gefahren. In Leibstadt habe es bereits im April und Mai 2019 Schnellabschaltungen gegeben, so der Sender.
Auch etwas nördlich davon in Baden-Württemberg ging zum Jahresende, wie berichtet das Atomkraftwerk Philippsburg 2 vom Netz. Damit verbleiben hierzulande noch sechs AKW, von denen drei Ende 2021 und drei 2022 abgeschaltet werden.
So sieht es jedenfalls zur Zweit das Atomgesetz vor, aber man darf wohl fast sicher sein, dass kurz vor Ablauf dieser Fristen noch einmal viel Geschrei um Versorgungssicherheit und Ersatz gemacht werden wird. Schließlich sind die Anlagen längst abgeschrieben und reine Gelddruckmaschinen.