Eisbaden macht grandios gute Laune

Thomas Pany
Nahaufnahmen von Beinen im Schnee vor einem Wasser, vielleicjht einem See

Bild: Shutterstock.com

Eiskaltes Wasser ist der neue Trend. Immer mehr Menschen tauchen im Winter in Seen und Flüsse ein. Was der Körper dabei wirklich gewinnt.

Eisbaden macht beste Laune. Wer jemals breit grinsende, jauchzende Köpfe auf den Wellen der rotzgrünen, winterlich kalten Irischen See zur Weihnachtszeit auf- und abtanzen gesehen hat, der weiß, dass körperliche Fitness nicht unbedingt die Hauptsache bei diesem Treiben ist. Sondern ein irrsinniges Gefühl (und vielleicht der Hot Toddy danach).

Die Köpfe waren alarmierend rot, die Körper offenbar übergewichtig. Die Badenden waren keine Fitness-Jünger, viele hatten offensichtliche Problem mit dem Bluthochdruck, versprachen sich aber keine entscheidende Veränderung an dieser Stelle durch ihr regelmäßiges Baden im eiskalten Wasser. Nur dass es gesund ist und sie abhärtet, davon waren sie überzeugt.

Das Treffen mit den fröhlich prustenden Winterschwimmern in der Irischen See ist zwanzig Jahre her. Mittlerweile hat sich viel geändert. Eisbaden macht nach wie vor beste Laune und großes Körperglück.

Aber es sind jetzt mehr geworden, die ins eiskalte Wasser gehen – eben nicht nur in der Irischen See, sondern auch in deutschen Gewässern oder in Tonnen, die mit Eiswasser gefüllt sind – und irgendwie scheint ihnen Glück nicht mehr zu genügen. Sie wollen mehr wissen und vor allem Genaueres, was ihre Fitness angeht.

Was wird besser?

Etwa, ob das Schwimmen im Eiswasser das Immunsystem verbessert? Ob regelmäßiges Schwimmen im Kalten besondere Trainingseffekte gibt, Kraftzuwachs, größere Ausdauer? Oder, naheliegend in Zeiten, in denen der "perfekte Körper" unseren Selbst- und Marktwert derart prägt, dass sich auch intellektuelle Kunstmagazine wieder um das Thema kümmern: Ob das Schwimmen im Superkalten auch supergut fürs Abnehmen ist?

Unbestritten ist das Glücksgefühl, das jede(r) Eisbadende selbst erfährt und kennt. Das liegt, wie etwa Dr. Josephine Worseck, promovierte Molekularbiologin, im Interview mit der Krankenkasse IKK , erklärt, an einem ganzen Bündel von Stoffen:

Wissenschaftler vermuten, dass durch den plötzlichen Kältereiz ein ganzer Cocktail von Hormonen ausgeschüttet wird, darunter Adrenalin und verschiedene Endorphine, aber auch Stoffe, die entzündungshemmend wirken, wie bestimmte Kortikoide und der Botenstoff Noradrenalin. Gerade Menschen, die unter chronischen Erkrankungen wie Rheuma oder Arthritis leiden, profitieren davon.

Josephine Worseck, Interview ikkclassic

Wer über seine/ihre Erfahrungswerte hinaus Präzises und Abgesichertes erfahren will, der oder die wird hier etwas stutzen, da nur von einer "Vermutung" der Wissenschaftler die Rede ist und die Molekularbiologin beim Thema selbst nicht unbefangen ist. Die "Eisbadelehrerin" hat ein Buch "Die Heilkraft der Kälte" verfasst.

Die Forschungslage

Tatsächlich scheint die Forschungslage, was die Abhärtung anbelangt, insofern Eisbaden also einen größeren Schutz vor Krankheiten gewährt, ähnlich wie bei Sauna, nicht wirklich abgesichert zu sein.

Die Wirkung von Kaltwasser auf das Immunsystem ist umstritten. Einige Studien deuten darauf hin, dass Kältereize das Immunsystem alarmbereit machen und Infektionen effektiver bekämpft werden. Andere Ergebnisse zeigen, dass eine regelmäßige Kaltwasser-Exposition die Immunfunktion sogar schwächen kann, so die Zusammenfassung von Studien, die unter dem Titel Effekte von Kaltwasserschwimmen und Eisbadenin der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin im Dezember 2023 erschienen ist.

Regelmäßiges Kaltwasserschwimmen beeinflusst Hormone, erfährt man auch dort. Das könne das kardiovaskuläre System durch Senkung von Triglycerid- und Homocysteinwerten unterstützen, wird präzisiert.

Aber Forschungen ergeben kein eindeutig, kristallklares Bild. Zwar zeige sich, dass eine Abkühlung der Gewebetemperatur und der hydrostatische Druck auf die Muskulatur zwar Entzündungsreaktionen und Ödeme verringern können, wodurch eine schnellere Reparatur nach Anstrengung möglich wird.

Diese Wirksamkeit sei jedoch in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt und variiere stark.

Das Ausmaß dieser Effekte ist in Studien variabel und reicht von Null bis hin zu signifikanter Wirksamkeit. So bescheinigen Metaanalysen und ein Cochrane Review Kaltwasserbädern eine Schutzwirkung vor starkem Muskelkater, wobei bedacht werden muss, dass eine gute Placebokontrolle in derartigen Studienszenarien schwierig ist. Vergleiche von Kaltwasserbädern mit aktiven Regenerationsmaßnahmen fanden keine signifikanten Unterschiede.

Andere Studien stellen den Nutzen von Eisbaden komplett in Frage, weil sie Belege dafür fanden, dass kaltes Wasser trainingsinduzierte Entzündungsprozesse abschwächt, die für eine Anpassung an Trainingsreize notwendig sind.

Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin

Das Zitat wie auch andere Untersuchungsergebnisse, die im genannten Artikel referiert werden, bestätigt zunächst einmal das Naheliegende, nämlich dass Eisbaden, Eisschwimmen, Schwimmen im kalten Wasser oder auch das Sitzen in mit Eiswasser gefüllten Fässern ganz unterschiedliche Tätigkeiten sind – mit unterschiedlichen Effekten – und dass die Aussagen zu Trainingseffekten genauer angeschaut werden müssen, dass pauschale Aussagen über verbesserte Trainingsergebnisse nicht ohne Weiteres möglich sind.

Gefahren

Zudem warnen Forscher auch vor einer Belastung für das Herz. Wer in sehr kaltem Wasser schon einmal weiter hinausgeschwommen ist, bekommt eine Ahnung davon, wie sehr hier mit größter Vorsicht zu agieren ist.

Trotz der potenziellen Vorteile dürfen die Risiken nicht ignoriert werden. Kälteschockantwort und Tauchreflex können zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen. Zudem ist die Gefahr einer Unterkühlung, insbesondere bei unvorbereiteten Personen, nicht zu unterschätzen.

Abnehmen

Die Hoffnung, dass Kälte beim Abnehmen hilft, stützt sich auf die Aktivierung von braunem oder der Umwandlung von weißem Fettgewebe in beiges Fettgewebe durch Kältereize. Jedoch ist der Energieverbrauch durch braunes Fettgewebe gering, und die Bedeutung für die Gewichtsreduktion ist fraglich, heißt es.

Fallbeschreibungen deuten auf einen positiven Einfluss von regelmäßigem Kaltwasserschwimmen auf die psychische Gesundheit hin, allerdings fehlen hierzu große Studien. Es zeigen sich summa summarum positive Einflüsse, es braucht jedoch noch weitere Forschung, um die Wirkung auf das Immunsystem und die Gewichtsreduktion verlässlich wissenschaftlich festzustellen.

Erfahrungswerte gibt es dazu offenbar viele. Wie auch einzelne Studienergebnisse, die nahelegen, dass der Kältereiz beim Schwimmen in kühlem Wasser (idealerweise unter 20°C), die Bildung von braunen Fettzellen stimuliert und damit Gewichtsabnahmeprozesse fördert.

Neue Athletik und ein Leben in guter Form

Aber das ist bislang vor allem ein Versprechen. Als Erkenntnis bleibt das sichere subjektive Gefühl, dass das Schwimmen im eiskalten Wasser die Laune hebt.

Ob man damit auch seinen Geist – sprich: die mental power – derart stärken kann, dass man, wie es hier herausgestellt wird, stundenlang unter größten Schmerzen ruhig und konzentriert bleiben kann, ist eine Form der Athletik, die eher mehr mit unserem martialischen Zeitgeist ("kriegstüchtig") und den danach ausgerichteten Wünschen und Ansprüchen an unsere Fähigkeiten zu tun hat als mit einem guten Leben in guter Form.