Elektrisch und autonom: So sieht die Zukunft des Lkw-Fernverkehrs aus
Elektro-Lkw revolutionieren den Güterverkehr. Autonomes Fahren folgt als nächster Schritt. Doch was bedeutet das für die Branche?
Vor Jahren wurde schon darüber diskutiert, die Autobahnen an Werktagen nur noch für Lastkraftwagen freizugeben und Pkw auf die Landstraßen zu verweisen. Die Lobby der Pkw-Fahrer hat diese Idee damals verhindert und so drängen sich Pkw und Lkw inzwischen in endlosen Schlangen über zunehmend marode Autobahnen.
Ein Problem bei dieser Entwicklung sind die Fahrzeitbeschränkungen, die chronisch fehlenden Parkplätze, um die Ruhezeiten einzuhalten und die grundsätzlich schlechten Arbeitsbedingungen auf den Lkw. Für die europäischen Lkw-Hersteller kommt in der aktuellen Lage ein weiteres Element dazu, eine Zeitenwende anzugehen.
Die Lkw-Flotten aus den osteuropäischen Billiglohnländern sind heute weitgehend modernisiert, sodass der Nachholbedarf auf Jahre gedeckt ist und Lkw-Produzenten wie Daimler Truck in Wörth ihre Produktion drosseln müssen.
Die Zeitenwende 1 bei den Lkw
In Wörth will man mit Kurzarbeit die Zeit überbrücken, in welcher man den Markteinbruch bewältigen muss. Dieser beträgt teilweise erdrückende 30 Prozent. Man geht jedoch davon aus, dass sich die Zeiten wieder bessern und man dann die heute beschäftigten Facharbeiter dringend benötigt.
Denn das Daimler Truck Werk in Wörth setzt auf Elektro-Trucks. Man konzentriert sich dort aktuell darauf, die Produktion der neuen elektrischen Langstrecken-Lkw vorzubereiten. Etwa der neue Actros L soll ab Jahresende in Serienfertigung in Wörth vom Band laufen. Der "Akku-Laster" kann aktuell bis zu 500 Kilometer weit ohne Nachladen fahren und kann so die Mehrheit der Diesel-Lkw im wichtigen Fernverkehrssegment ablösen.
Anders als im Pkw-Markt, der in der Hauptsache von der E-Mobil-Förderung getragen war und nach deren abruptem Ende zusammenbrach, zählen bei den Frachtunternehmen in erster Linie die Zahlen. Und die sehen für die Elektro-Lkw überzeugend aus.
Nach Aussagen der Unternehmensberatung PwC werden Elektro-Lkw in einem Jahrzehnt den Markt beherrschen. Schon 2030 seien sie bei den Gesamtkosten etwa 30 Prozent günstiger als Diesel-Lkw. In Europa, Nordamerika und China soll dann ein Drittel der neuen Lkw elektrisch fahren. Für das Jahr 2035 sollen E-Lkw in diesen Märkten einen Anteil von rund 70 Prozent an den Neuzulassungen haben.
Nachdem der Markt zu Beginn von verschiedenen eher kleinen Start-ups geprägt war, welche konventionelle Diesel-Lkw in E-Modelle umwandelten, sind inzwischen auch die großen Serienhersteller im E-Markt aktiv geworden und haben eigene Modelle entwickelt oder sich wie Volvo Trucks auch an Startupstups wie der Schweizer Designwerk beteiligt.
Für Lkw-Hersteller, von Volvo Trucks mit Renault Trucks, Daimler Trucks mit Fuso bis Traton mit den in Deutschland gebräuchlichen Marken MAN und Scania, scheint die Zukunft ganz klar im Bereich der Elektrofahrzeuge zu liegen und ihre Kunden, sind offensichtlich der gleichen Auffassung.
Da die Lade-Infrastruktur ein entscheidendes Kriterium für die Durchsetzbarkeit der E-Mobilität darstellt, haben Daimler Trucks, die Traton-Gruppe des VW-Konzerns sowie die Volvo-Gruppe ein Joint Venture für den Aufbau einer Lade-Infrastruktur in Europa realisiert. Sie wollen mindestens 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte für Ökostrom an und in der Nähe von Autobahnen sowie an Logistik-Hubs in Europa zu errichten und zu betreiben.
Die Zeitenwende 2 bei den Lkw
Die Elektrifizierung des Frachtverkehrs auf der Straße scheint allerdings nur der erste Schritt der anstehenden Zeitenwende zu sein.
Da die Umgebung für ausländische Lkw-Fahrer in Deutschland ungemütlicher wird, Fahrer aus der Ukraine jetzt verstärkt an der Heimatfront benötigt und Deutsche auch von den ÖPNV-Betreibern für ihren Busverkehr abgeworben werden, wird der Markt für Lkw-Fahrer hierzulande so eng, dass viele Fuhrparkbetreiber dringend nach Alternativen suchen, nicht zuletzt, weil ihre Kunden sich über steigende Frachtpreise erregen, die deutliche Inflationstreiber sind.
Der derzeit vielversprechendste Lösungsansatz für diesen Problemkreis zeigt sich aktuell in Bayern, wo MAN die erste Zulassung für den Einsatz von autonomen Lkw auf der Autobahn erhalten hat und Anfang 2024 erstmals autonome Lkw auf deutschen Autobahnen einsetzte.
Das Anfang 2022 gestartete und vom Bund geförderte Projekt Atlas-L4 soll bis Ende 2024 ein Konzept für fahrerlose Lkw auf deutschen Autobahnen entwickeln. Dabei soll anfangs zur Sicherheit noch ein Fahrer an Bord sein. Zum Projektabschluss will MAN dann bereit sein, selbstfahrende Lkw zumindest in Kleinserien zu produzieren.
Anders als bei den Pkw scheint diese verkehrstechnische Innovation nicht aus den USA oder China zu kommen, sondern aus Deutschland. Dazu kooperieren zwölf Partner. Das sind neben der Traton-Tochter MAN Truck & Bus die Zulieferer Bosch, Knorr-Bremse, Leoni, das Münchner Start-up Fernride sowie der TÜV Süd und verschiedene Universitäten und Forschungsinstitute sowie nicht zuletzt die Autobahn GmbH als Hausherr.
Es geht dabei nicht nur um assistiertes Fahren, das bei Bussen und Trucks bereits gebräuchlich ist, sondern um einen fahrerlosen Lkw-Betrieb auf Level 4. Auf dieser Autonomiestufe sollen autonome Lkw ohne menschlichen Lenker auskommen und nur noch im Sonderfall von einem Teleoperator aus einem Kontrollzentrum ferngelenkt werden.