Elon Musk nimmt Disney ins Visier

Sebastian Wessels

Der Hollywood-Schriftzug vom Grifith Park aus gesehen. Bild: Jon Sullivan, CC0

Seit vergangenem Herbst schießt sich Elon Musk auf den Disney-Konzern ein. Nun flirtet er mit der Idee einer Übernahme. Wird Disney das nächste Twitter?

Ein Überraschungsgast auf der Premiere des Films Lola in Los Angeles, dem Regiedebüt der Schauspielerin Nicola Peltz, war Anfang Februar Elon Musk.

Er sei "mit Freunden hier", erklärte er einem Reporter, und fügte hinzu: "nach Firmen Ausschau halten, die ich übernehmen kann". Dann ließ er scherzend die Kinnlade sinken, als hätte er etwas Skandalöses gesagt, und wandte sich ab.

Firmen, die ich übernehmen kann

Später machten in sozialen Medien Fotos die Runde, auf denen Musk strahlend mit Nicola Peltz, ihrem Bruder Will und dem Vater der Geschwister posiert, Nelson Peltz.

Das erklärte einiges.

Musk hatte just in diesen Tagen seine Verbalattacken auf den schwächelnden Disney-Konzern intensiviert – gegen den Peltz derzeit mit seiner Vermögensverwaltungsgesellschaft Trian Partners einen sogenannten "Proxy Fight" führt.

Ein Proxy Fight ist ein Wettstreit um Aktionärsstimmen, ein übliches Mittel sogenannter aktivistischer Investoren wie Peltz. Deren Geschäftsmodell: sich in Firmen einkaufen, dort Reformen durchsetzen, die den Unternehmenswert steigern, und die Gewinne mitnehmen.

Nun will er Disney einer solchen Kur unterziehen. Dazu wirft er seinen Einfluss als Aktionär mit Anteilen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar und eine Präsentation der schlechten Performance Disneys in die Waagschale, um möglichst viele Aktionäre von seinen Reformvorschlägen zu überzeugen und Sitze im Board des Konzerns zu erkämpfen.

Eine explosive Entschuldigung

Die Fehde zwischen Musk und Disney begann Mitte November, als das Unternehmen zusammen mit anderen alle Werbeaktivitäten auf X, ehemals Twitter, einstellte.

Grund dafür war, dass Musk auf der Plattform einem antisemitischen Beitrag seine Zustimmung ausgedrückt und einen entsprechenden Skandal ausgelöst hatte, der sich auch durch etwas später angefügte Entschärfungen seiner Aussage nicht mehr einfangen ließ.

Zwei Wochen später bestritt Musk auf der DealBook-Wirtschaftskonferenz der New York Times im Interview jede antisemitische Gesinnung. Er sei Philosemit. Er schreibe manchmal Dummheiten und der betreffende Post sei vielleicht sein bisher dümmster gewesen, aber nicht antisemitisch motiviert. Dass er so verstanden wurde und tatsächliche Antisemiten sich bestätigt fühlten, tue ihm leid.

Zugleich ging er zum Gegenangriff auf die Werbetreibenden über. Auf deren Rückzug angesprochen, schnappte er zum Erstaunen des Interviewers, er wolle gar nicht, dass sie auf X werben.

Eine F-Bombe

Dann zündete er das, was man im angloamerikanischen Raum eine F-Bombe nennt: "Wenn jemand versucht, mich mit Werbung zu erpressen, mich mit Geld zu erpressen – fickt euch! Fickt. Euch. Ist das klar? Ich will es hoffen." Und fügte hinzu: "Hallo Bob!"

"Bob" war der ebenfalls anwesende Disney-Chef Bob Iger, der in einem früheren Interview auf der Veranstaltung die Distanzierung Disneys von X kommentiert hatte.

Seither erinnert Musk auf X regelmäßig daran, was er von Iger und Disney unter dessen Führung hält. Iger sollte sofort gefeuert werden, heißt es da, Walt Disney drehe sich im Grab um, fast das gesamte angekündigte Programm sei ungenießbar, Disney sei das weltweit größte Beispiel für "go woke, go broke" und vieles mehr.

Mitte Januar antwortete er auf einen Beitrag von Restore the Magic, der Kampagne, mit der Peltz seinen Proxy Fight gegen Disney führt: "Brutale Bilanz", schrieb er. "Die Aktionäre sind vom Disney-Board unglaublich schlecht vertreten worden."

Starke Frauen, aber doch nicht so

Vergangene Woche gab die Schauspielerin und ehemalige Kampfsportlerin Gina Carano bekannt, dass sie Disney und Lucasfilm verklagt – mit freundlicher Unterstützung von Elon Musk, der die Kosten übernimmt.

Carano hatte in den ersten beiden Staffeln der Serie The Mandalorian die beliebte Figur Cara Dune gespielt, bis sie 2021 gefeuert worden war.

Auslöser war ein Instagram-Beitrag, in dem sie die Überlegung anstellte, die Judenverfolgung in Nazideutschland habe mit Hass auf die eigenen Nachbarn aufgrund von deren jüdischer Identität begonnen. Von dort zog sie eine Parallele zum Hass auf Nachbarn aufgrund politischer Ansichten in der Gegenwart.

Gleichsetzung von Republikanern mit verfolgten Juden

Da sich Carano bei Themen wie Coronamaßnahmen, Pronomen im Twitterprofil und Black Lives Matter immer wieder auf eher konservativen Linien bewegt hatte, wurde dies von manchen als ungeheuerliche Gleichsetzung von Republikanern mit verfolgten Juden interpretiert.

Das ist nachvollziehbar, obwohl sie im Beitrag weder Republikaner noch Konservative erwähnte und den aktuellen politischen Hass in den USA nicht mit der Judenverfolgung gleichsetzte, sondern nahelegte, Verfolgung sei eine spätere Eskalationsstufe eines Prozesses, der mit Hass auf Nachbarn beginne.

Sie erklärte später, sie habe naiv angenommen, dass es sich um eine versöhnliche Botschaft handele, die auch so aufgefasst werden würde.

Pedro Pascal ist auch nicht schüchtern

Carano löschte den Beitrag innerhalb eines Tages, doch der war ohnehin nur der berühmte Tropfen gewesen. Sie hatte aufgrund ihrer politischen Äußerungen bei Lucasfilm schon länger auf der Abschussliste gestanden. Der Hollywood Reporter zitierte einen Insider des Studios, der angab, man suche seit zwei Monaten nach einem Grund, sie zu feuern.

Caranos Anwälte werfen den beteiligten Studios nun unrechtmäßige Entlassung und Geschlechtsdiskriminierung vor. Die Klageschrift verweist darauf, dass sich Caranos männliche Co-Stars mindestens so pointiert politisch äußerten wie sie, ohne dafür gemaßregelt, geschweige denn gefeuert zu werden.

Pedro Pascal beispielsweise, der Hauptdarsteller von The Mandalorian, stellte nicht nur wiederholt Donald Trump mit Adolf Hitler und seine Anhänger mit den Nazis auf eine Stufe, sondern auch angebliche Kinder illegaler Einwanderer hinter Gittern (in Wirklichkeit zeigte das verwendete Bild einepalästinensische Suppenküche) mit Juden im Konzentrationslager.

Eindrücke vom DEI-Minenfeld

Musk verbreitete Caranos Stellungnahme zur Klage auf X und forderte dazu auf, sich anzuschließen, wenn man von Disney diskriminiert worden sei. Dazu postete er Dokumente über die "Inklusionsstandards" Disneys, die vorschreiben, wie viele Mitarbeiter aus "unterrepräsentierten Gruppen" vor und hinter der Kamera sowie in den erzählten Geschichten selbst in welcher Weise vorkommen müssen.

Es sei kein Wunder, kommentierte er, dass der Großteil der Inhalte der letzten Jahre schrecklich gewesen sei ("sucked"). Der Versuch, durch das DEI-Minenfeld zu navigieren, zerstöre den kreativen Prozess. DEI steht für "Diversity", "Equity" und "Inclusion".

Mit letzterer Einschätzung ist Musk allerdings nicht allein. Auch namhafte Regisseure wie Todd Philipps und Quentin Tarantino haben sich bereits darüber beklagt, dass die DEI-Philosophie Vorrang vor dem kreativen Schaffen habe und dieses erschwere.

Eine Recherche unter Hollywood-Autoren und -Produzenten zeichnete 2022 ein in dieser Hinsicht desaströses Bild. Es herrsche ein Klima der Angst, gegen die "neue Orthodoxie" zu verstoßen. In den Autorenteams ersticke gegenseitiges Misstrauen die Kreativität.

Mehr Botschaft als Geschichte

In dem Magazin Film Threat berichtet ein Hollywood-Autor, durch Quoten würden die traditionell mehrheitlich männlichen Kreativen durch "vielfältige", aber unerfahrene junge Nachfolger ersetzt. Diese seien mehr Aktivisten als alles andere und ihre Arbeit zu kritisieren sei schwierig, da man sich schnell Rassismusvorwürfe oder Ähnliches einhandele.

In diesem Klima sei selbst die stets gepriesene Diversität der Ideologie untergeordnet, beobachtet der Filmjournalist Alan Ng auf Basis von Innenansichten Disneys.

Es ist nicht genug, wenn eine Animationskünstlerin eine begabte dunkelhäutige Frau ist, sie muss auch den Segen der WiA (der aktivistischen Organisation ‚Women in Animation‘) haben und auf Linie sein.

Alan Ng

Kreative Krise

Das würde die kreative Krise erklären, die auch von außen augenfällig ist. Lucasfilm, Pixar, Marvel – alle ehemaligen Spitzenmarken produzierenteure Flops, wie es vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Krieg der Sterne findet nur noch auf dem Streamingdienst Disney+ statt, dem die Abonnenten davonlaufen, die Fangemeinde ist geschrumpft und gespalten, die Spielzeuge bleiben in den Regalen liegen.

Dass bei allzu vielen Produktionen die Diversity stark und die Geschichte schwach ist, hat auch Bob Iger erkannt, der es höflich ausdrückte: Man habe sich zu sehr auf Botschaften fokussiert. Was er dagegen zu tun gedenkt, ist unklar. Seine Reformbemühungen konzentrieren sich bislang auf Einsparungen.

Ein DisneyX ist unwahrscheinlich

Droht Disney nun die Twitter-Therapie? Auch das Ego von Elon Musk dürfte nicht groß genug sein, um es für eine gute Idee zu halten, bei Disney persönlich das Zepter in die Hand zu nehmen, selbst wenn er die Mittel dazu hätte. Wahrscheinlicher ist, dass er Geld einsetzt, um die Position Peltz’ zu stärken.

Der vorläufige Showdown dieser Auseinandersetzung ist im April zu erwarten, wenn die Aktionäre über Neuzugänge zum Board abstimmen.

Iger gibt sich einstweilen unbeeindruckt, wobei ihm zugute kommt, dass die letzten Quartalszahlen für Disney besser waren als erwartet. Vor deren Präsentation fragte ihn vergangene Woche ein Journalist, was er über die Musk-finanzierte Klage gegen Disney denke.

Seine Antwort: "nichts".