Emissionshandel: Verschmutzungsrechte als Spekulationsobjekt
Handel mit CO2-Zertifikaten lockt Spekulanten an. Für deutsche Klimaforscher wird das erst zum Problem, wenn die Preise bewusst in die Höhe getrieben werden
Der Preis für Verschmutzungsrechte in der EU kannte in diesem Jahr nur einen Weg: nach oben. Wer ein von der Europäischen Union ausgegebenes Emissionszertifikat erwerben wollte, musste Ende November mehr als 74 Euro zahlen. Damit kletterte der Preis für das Recht, eine Tonne Kohlendioxid in die Luft blasen zu dürfen, auf ein neues Rekordhoch. Anfang des Jahres waren dafür nicht einmal 30 Euro nötig.
Im Verdacht für diesen gravierenden Anstieg stand einmal mehr die Spekulation von Akteuren an den Finanzmärkten. Unter anderem der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte das beim Rat der EU-Staats- und Regierungschef angeführt. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dem widersprochen: Die Kommission habe die Marktbewegungen untersucht, schrieb sie in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), man habe aber keine offensichtlichen und belastbaren Belege für unlautere Spekulationen finden können.
Nun hat sich auch das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) den Spekulationen zugewandt. Dessen Forscher haben nun Methoden vorgeschlagen, um preisverzerrende Spekulationen besser erkennen zu können. Denn bisher seien Finanzspekulationen zwar für die Preisentwicklung verantwortlich gemacht worden, aber es fehlte "der Nachweis, ob Spekulation tatsächlich das Funktionieren des Handelssystems gefährden" könnte.
Gesteigertes Interesse bei Investmentfonds
Die Forscher um Michael Pahle, Ökonom am PIK, stellten in ihrer Untersuchung fest, dass der Handel mit Emissionszertifikaten ein großes Interesse bei Investmentfonds geweckt hat. In den letzten drei Jahren hätte sich deren Zahl am CO2-Markt verdreifacht. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er am Freitag: Dass Finanzinvestoren an steigenden CO2-Preisen verdienen wollen, gehöre im Prinzip zum normalen Marktgeschehen.
In der PIK-Untersuchung unterscheidet Pahle zwischen nützlichen und schädlichen Spekulationen. Mit den nützlichen würden sich Unternehmen gegen künftige Preisschwankungen schützen. Schädliche Spekulationen könnten dagegen zu übermäßigen Preisschwankungen führen, "zu Preisblasen und möglicherweise zu einem strategischen Horten von Zertifikaten durch große Investmentfonds, um die Preise zu treiben". Diese Risiken würden mit der Zeit zunehmen, da die Zertifikate zwangsläufig – und politisch gewollt – am Markt knapper würden.
Investmentfonds und -banken könnten durchaus zu diesen schädlichen Spekulationen neigen und Preise treiben – ohne sie funktioniere aber der Markt nicht, sagte er dem Sender. Das habe man zum Beispiel in Südkorea gesehen, wo diese Akteure lange Zeit ausgeschlossen wurden. "Da passierte nicht viel an den Börsen", so Pahle, und Preisänderungen hätten sehr lange gebraucht, um sich durchzusetzen.
Das sei auch einer der Hauptgründe, weshalb man diese Akteure in der EU im Markt haben möchte. Entsprechend sind auch die Vorschläge, die in der Untersuchung vorgeschlagen werden: Am Marktprinzip darf nicht gerüttelt werden. Stattdessen müsse man genau hinschauen, ab welchem Punkt und in welchem Maß deren Aktivitäten schädlich würden und es einzugreifen gelte.
Die Vorschläge zeigen noch etwas anderes: Die Europäische Kommission ist offenbar bislang gar nicht in der Lage, schädliche Spekulation zu erkennen. Deshalb schlagen die PIK-Forscher vor: Es müssten genauere Daten erfasst und besser ausgewertet werden. Außerdem solle eine spezielle Marktaufsichtsbehörde geschaffen werden, "die Umwelt- und Finanzmarktgesichtspunkte integriert betrachtet". So könne der Emissionshandel vor "exzessiven Finanzspekulationen" geschützt werden – und das eigene System in anderen Ländern wie die USA und China zum Vorbild werden.