"Ende Gelände"-Proteste gegen Fracking-Gas-Importterminal
Unter dem Motto "Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge" starten Klimaschützer in Brunsbüttel Aktionen des zivilen Ungehorsams
Erdgas ist nicht klimafreundlicher als Kohle - diese Aussage stammt nicht aus einem Pamphlet des Aktionsbündnisses "Ende Gelände", das ab dem heutigen Donnerstag unter dem Motto "Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge" auch mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel protestieren will. Die Aussage stammt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Dessen Mitarbeiterinnen Prof. Franziska Holz und Prof. Claudia Kemfert befanden zudem schon vor einem Jahr neue Gaspipelines und Flüssiggas-Terminals in Europa für überflüssig. Der abnehmende Erdgasbedarf könne mit der bereits existierenden Infrastruktur gedeckt werden.
Auch, wenn der bisher für 2038 geplante Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen wird? - Ja, sagt der energie- und klimapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Lorenz Gösta Beutin. "Entscheidend ist ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren Energiequellen - sonst bekommen wir tatsächlich Probleme." Dazu gebe es aber keine vertretbare Alternative, so Beutin, der die "Ende Gelände"-Proteste als parlamentarischer Beobachter begleitet.
LNG steht für Liquefied Natural Gas. Die Art und Weise, wie das Flüssigerdgas, das im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel umgeschlagen werden soll, in den USA gefördert wird, gilt als besonders "dreckig": Beim "Hydraulic Fracturing" - kurz Fracking - wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und teils giftigen Chemikalien unter Hochdruck in tiefliegende Gesteinsschichten gepumpt, um Risse zu erzeugen und Öl oder Gas herauszupressen. Dass die Nutzung von Fracking-Gas zumindest ähnlich klimaschädlich ist wie die Kohleverstromung, räumt auch auch die Bundesregierung ein. Darüber hinaus weisen Umweltverbände und das Umweltbundesamt auf mögliche Gefahren für das Grundwasser hin.
Grüne als Blitzmerker
Auch Landwirte aus der Region sind dagegen. Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits 2019 ein Gutachten der Umweltrechtlerin Cornelia Ziehm vorgestellt, die das LNG-Terminal in Brunsbüttel wegen der Nähe zu einem Atomkraftwerk im Stilllegungsbetrieb und zahlreichen großen Industriebetrieben für nicht genehmigungsfähig hielt. Auch "das dort weiter befindliche Standortzwischenlager für hochradioaktive Abfälle sowie das dort im Zuge des Rückbaus des Atomkraftwerks geplante Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle" wurden in dem Gutachten als K.-o.-Kriterien genannt.
Die besondere Pikanterie an dieser Auseinandersetzung: Schleswig-Holstein wird von einem "Jamaika-Bündnis" aus CDU, Grünen und FDP regiert, das in seinem Koalitionsvertrag das Vorhaben schon besiegelt hatte, als im vergangenen Jahr ein Grünen-Parteitag davon abrückte. Zur Begründung hieß es, seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages mehr als drei Jahre zuvor gebe es wichtige neue Erkenntnisse über klimaschädliche Wirkungen. Fracking stand allerdings in der Umweltbewegung schon länger in der Kritik; und der aktuelle Grünen-Ko-Chef Robert Habeck war in Schleswig-Holstein bis Februar 2018 Erster Stellvertreter des Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU).
Aktionskonsens: ziviler Ungehorsam, ohne Menschen zu gefährden
"Ende Gelände" empfiehlt daher, den Klimaschutz "selbst in die Hand zu nehmen" und hat für angereiste Protestteilnehmer bereits ein Klimacamp im Bürgerpark mitten in Brunsbüttel errichtet.
"Wir blockieren dort Infrastruktur, die in Verbindung mit Erdgasgewinnung und neokolonialen Strukturen steht", heißt es im Aufruf von "Ende Gelände" zu den Aktionstagen. Der Vorwurf es Neokolonialismus bezieht sich darauf, dass ehemals kolonisierte Länder des Globalen Südens früher und stärker unter den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels leiden als die Hauptverursacher im Globalen Norden.
Im Aktionskonsens heißt es: "Absperrungen von Polizei oder Werkschutz werden wir durch- oder umfließen. Unsere Aktion wird ein Bild der Vielfalt, Kreativität und Offenheit vermitteln. Unsere Aktion richtet sich nicht gegen die Arbeiter:innen. (…) Wir gefährden keine Menschen, verhalten uns ruhig und besonnen, und achten aufeinander." Ein Hygienekonzept soll außerdem gewährleisten, dass sich dabei niemand mit dem Coronavirus infiziert - Menschen mit leichten Erkältungssymptomen oder Risikokontakten in den letzten 14 Tagen werden von "Ende Gelände" gebeten, nicht anzureisen.