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Energie-Partnerschaften und Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030

Deutscher Energie-Imperialismus und der Klimaschutz. Teil 2 und Schluss

Um Wasserstoff in großen Mengen zu importieren, müsste zuvor entsprechende Technologie in Deutschland entwickelt und exportiert werden. Dieses betrifft vor allem Elektrolyseverfahren, die zwar prinzipiell auf dem Markt bereits vorhanden sind, aber für großtechnische Anwendungen erst in einem jahrelangen Prozess optimiert werden müssen. Zudem sind dafür größtenteils neue Pipelinesysteme erforderlich. Die grundsätzliche Kritik des 2010 verstorbenen Hermann Scheer an Desertec kann teilweise direkt auf die heutige Nationale Wasserstoffstrategie übertragen werden. Bei dem im ersten Teil bereits genannten Interview 2009 sagte er:

Der Aufbau der Anlagen und des Transportnetzes ist ein so gigantisches Unterfangen mit so vielen Beteiligten, dass die Kosten kaum planbar sind. Jeder Transitstaat der Transportleitungen wird taktieren, um für sich das Beste herauszuholen, und es wird Widerstände vor Ort geben. Das kostet Zeit und letztlich Geld, weil sich der Return on investment (ROI) immer wieder verzögern wird. Das können Sie bei praktisch jedem Großprojekt beobachten, sei es ein Kernkraftwerk in Finnland, sei es das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 oder der Eurofighter.

Teil 1: Deutsche Energiewendungen: Vom EEG über Desertec zur Wasserstoffstrategie [1]

Auf ein ganz anders gelagertes Problem, das damit verbunden ist, hat z.B. BDI-Präsident Kempf im Kontext der virtuellen Sicherheitskonferenz 2020 hingewiesen (nach Handelsblatt vom 14.2.2020 [2]): Da 61 Prozent der Industriearbeitsplätze vom Export abhängig seien, müsse die deutsche Exportwirtschaft durch militärische Aufrüstung geschützt werden, um damit Handelswege militärisch abzusichern.

Gemeint ist damit aber keineswegs eine Nebenwirkung deutscher Exportfixierung. Denn aus dem Wirtschaftsministerium gibt es nicht nur eine Nationale Wasserstoffstrategie, sondern bereits aus dem Jahr 2015 auch ein Strategiepapier "zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland", das bereits im Februar 2020 als Neufassung mit einer integrierten Behandlung von "Sicherheits- und Verteidigungsindustrie" vorgelegt wurde.

Dort spielt die Nennung von "verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien" eine zentrale Rolle, wobei "Nationale Schlüsseltechnologien" besonders hervorgehoben werden. Man beachte, dass dieses bei Rüstungsprojekten eine nicht unwesentliche Rolle spielt, vor allem auch im Sinne von deren Exportfähigkeit.

Dass aber bereits heute eine entsprechende Priorisierung im Bundeshaushalt vorhanden ist, sieht man mit einem Blick auf die dortige Funktionsgruppe "Allgemeine Dienste" [3], d.h. den Ausgaben für Institutionen des Bundes mit personellen und materiellen Ressourcen. Bei einem Gesamtumfang von ca. 104 Mrd. Euro im Haushaltsjahr 2021 entfallen davon 47 Mrd. Euro für Verteidigung und dem gegenüber 12 Mrd. Euro für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit. Wichtigstes Einsatzgebiet der Bundeswehr ist nach dem Abzug auf Afghanistan bereits jetzt Westafrika, mit Absichtsbekundungen zu dessen Ausweitung zwecks "Stabilisierung der Region".

"Energiepartnerschaften" mit Nordafrika

Mit der am 13. Juli 2021 von Peter Altmaier eingestandenen Lücke in der Energieversorgung auf Basis des klimapolitisch notwendigen Verzichts auf fossile Brennstoffe erfolgte auch der Hinweis, dass dieses erst nach den Bundestagswahlen mit einer neuen Regierungskoalition angegangen werden könne. Dieses kann man als Anspielung darauf verstehen, dass dann eine schwarz-grüne Bundesregierung wahrscheinlich ist.

Sicher ist jedenfalls, dass bei der anstehenden Bundestagswahl die Hoffnungen auf eine neue Klimapolitik zu einem massiven Zugewinn an Wählerstimmen bei den Grünen führen werden. Was von diesen programmatisch zu erwarten ist, kann man im beschlossenen Wahlprogramm unter Kapitel 6: "International zusammenarbeiten [4]" wie folgt nachlesen:

Wir verfolgen eine ambitionierte, nachhaltige und menschenrechtskonforme Klimaaußenpolitik. Sie ist klimapolitisch notwendig, kann nachhaltige Entwicklung fördern, Ressourcenkonflikten vorbeugen und Frieden sichern. Sie bedeutet zum einen, dass wir Europäer*innen unseren Bedarf an grüner Energie durch Klimapartnerschaften decken helfen: grüner Wasserstoff statt Öl- und Gasimporte. Andererseits werden wir so endlich unserer historischen Verantwortung gerecht, indem wir Elektrifizierung und Technologietransfers insbesondere in afrikanischen Ländern vorantreiben und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in diesen Ländern unterstützen. […]
Gemeinsam wollen wir im Rahmen ambitionierter Energiepartnerschaften den Mittelmeerraum zu einer Plus-Energie-Region machen.

Noch eindeutiger als im Wahlprogramm hat die Grünen-Spitzenkanditatin Annalena Baerbock diese als Klimaschutzpolitik bemäntelte Technologieförderung am 18.6.2021 als "Pakt zwischen Industrie und Politik [5]" formuliert. Dazu heißt es:

Für Deutschland und die gesamte EU besteht hier die große Chance, sich durch entschlossenes Vorangehen entscheidende Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und damit klimagerechten Wohlstand zu sichern und Standards zu setzen. Annalena Baerbock schlägt daher einen Pakt zwischen Industrie und Politik vor, in dessen Zentrum Klimaschutzverträge stehen.
Der globale Wettbewerb der führenden Wirtschaftsregionen EU, USA und China ist in vollem Gange. Klimaneutralität ist die entscheidende Größe auf den Märkten der Zukunft. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wer hier die Nase vorn hat.

Kontrastprogramm: Chinesische Partnerschaftskonzepte

Durch das im Wahlprogramm an verschiedenen Stellen festgeschriebene Dogma des Feindbildes China ist man aber bei den Grünen bezüglich China nicht auf der Höhe der Zeit. Das gilt auch für die Agenda 2030 der UNO mit den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Developement Goals - SDG‘s), die im Grünen-Wahlprogramm nur am Rande erwähnt werden.

Ganz anders hingegen stellt sich eine chinesische Initiative dar, die 2015 als "Global Energy Interconnection" (GEI) von Präsident Xi Jinping initiiert wurde. Mittlerweile hat diese Initiative feste organisatorische Strukturen als "Global Energy Interconnection Development and Cooperation Organization" (GEIDCO), die seit 2018 fest eingebunden ist im "High-Level Political Forum" der UNO.

Der Fokus besteht hierbei auf Lösungen zur Umsetzung der Agenda 2030 bzw. der Sustainable Development Goals (SDG's), die Ende 2015 von allen UN-Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen wurden. Bei dem jüngsten Treffen dieses UN-Forums vom 6. bis 15. Juli 2021 in New York stand die Integration von Energie-, Transport- und Informationsnetzen (ETI) als Vorschlag der GEIDCO im Vordergrund, wie aus deren Homepage zu entnehmen ist.

Während die Nennung der Agenda 2030 in Deutschland meistens nur als schmückendes Beiwerk zu unverbindlichen Absichtsbekundungen zu sehen ist, wurden in diesem Forum "Policy Briefs" vorgelegt, mit verschiedenen Anwendungsszenarien und Fallanalysen, die sich auf die SDG beziehen. Konkret sind dieses das SDG 7 zum universellen Zugang zu Energie, das SDG 9 zur Entwicklung einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Infrastruktur und das SDG 13 zur Bekämpfung des Klimawandels.

Zu sehen ist dieses sicherlich - auch wenn an dieser Stelle nicht explizit benannt - als Bestandteil der "Belt and Road Initiative" bzw. der "Neuen Seidenstraße". Kern dieser Initiative sind schließlich multimodale, globale Transportverbindungen, bei denen der elektrifizierte und mit erneuerbaren Energien gespeiste Schienenverkehr eine zunehmende Rolle spielt. Dieser wiederum ist nur in einem engen Zusammenspiel mit dezentral vorhandener Stromversorgung und digitaler Steuerung von Einspeisung und Abnahme des elektrischen Stroms möglich.

Generell ist in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse afrikanischer Staaten an wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit China festzustellen, was durch diese Initiative noch beschleunigt werden dürfte. Wie bereits erwähnt, ist schließlich ist die fehlende Elektrifizierung eines der größten Entwicklungsprobleme speziell in Afrika.

Doch welches Interesse hätten dann noch afrikanische Länder daran, deutsche Interessen mit deutschen Großprojekten zu bedienen, abgesehen von den o.g. speziellen Interessen Marokkos? Zumal die negativen Erfahrungen speziell in Westafrika mit EU-Freihandelsabkommen sicherlich sehr gegenwärtig sind. Ein erstes Pilotprojekt auf Basis der Nationalen Wasserstoffstrategie wurde bisher erst mit Chile abgeschlossen, das am 29. Juni 2021 von Wirtschaftsminister Altmaier und seinem chilenischen Amtskollegen unterzeichnet wurde [6].

Die historische Energiepartnerschaft mit Russland

Handelt es sich bei den bisherigen Plänen für eine Energiepartnerschaft mit Nordafrika deshalb eher um Wunschvorstellungen, so muss an dieser Stelle auch die seit 1970 real existierende Energiepartnerschaft mit Russland genannt werden. Damals wurden Erdgaslieferungen auf Basis des Röhren-Erdgas-Geschäftes vereinbart. Dieses geht sogar noch auf die 50er Jahre und entsprechende Bemühungen des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft zurück, scheiterte aber lange an dem heftigen Widerstand der USA, deren strategisches Ziel schon immer darin bestand, eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit Russland (bzw. der Sowjetunion) zu verhindern.

Auch innenpolitisch gab es in Deutschland im Zeichen des Kalten Krieges dagegen heftige Widerstände. Die Vertragsunterzeichnung kam erst nach der Regierungsübernahme von Willi Brandt zustande und bereitete den Weg für die historische Entspannungspolitik der 70er-Jahre. Als 1982 ein weiteres Großprojekt dieser Art zustande kam, ging diesem erneut ein heftiger Widerstand der USA voraus.

Bei Nordstream 2 reichen die Planungen bereits zurück bis in das Jahr 2013, d.h. noch vor der Ukraine-Krise. Die heftige Kontroverse darüber, die schließlich zu der kürzlichen Einigung zwischen US-Präsident Jo Biden und Angela Merkel führte, entwickelte sich aber erst in jüngster Zeit. So forderten im Kontext der Navalny-Debatte die Grünen mit einem (kommentarlosen!) Antrag vom 15.9.2020 im Bundestag dessen Stopp und starteten einen Unterschriftenappell [7], in dem es heißt:

Wir brauchen keine neuen Gaspipelines, sondern den Ausbau der Erneuerbaren und mehr Energieeffizienz. Das schützt das Klima und macht uns unabhängiger von Energieimporten und autoritären Regimen.

Richtig ist durchaus, dass Nord­stream 2 ebenso wie andere geplante Pipeline-Projekte für fossile Brennstoffe dem Klimaschutz zuwider läuft, denn in den nächsten 10 bis 20 Jahren muss der Verbrauch fossiler Brennstoffe drastisch gesenkt werden.

Die Entscheidung zum Bau dieser Pipeline bedeutete deshalb eine falsche Weichenstellung, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bei ihrer gerichtlichen Klage gegen Nordstream 2 im letzten Jahr durchaus richtig feststellte. Damals wäre diese Kritik durchaus angebracht gewesen, ist aber im Fahrwasser der derzeit eskalierenden anti-russischen Propaganda unglaubwürdig.

Natürlich lässt sich darüber streiten, inwieweit man Erdgas gegenüber Braunkohle als saubere Energie bezeichnen kann, jedoch sollte man die Gesamtbewertung beachten, wie sie in einem Beitrag des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft anlässlich 50 Jahre Erdgas-Röhren-Vertrag [8] formuliert wurde:

Europa braucht bezahlbare und saubere Energie, Russland braucht Verkaufserlöse. Politisch mag man das als gegenseitige Abhängigkeit betrachten. Aber aus wirtschaftlicher Sicht ist das ganz einfach die Basis für eine verlässliche Partnerschaft. Denn jede gute Partnerschaft basiert auf gegenseitigen Interessen und Bindungen.

Im ersten Teil dieses Beitrages wurde auf die politisch motivierte und energiepolitisch äußerst fragwürdige Energiepartnerschaft mit Marokko hingewiesen. Noch absurder ist es jetzt aber, wenn im Zuge des Deals zwischen Jo Biden und Angela Merkel für die Ukraine quasi als Kompensation eine Energiepartnerschaft zur Lieferung von Wasserstoff propagiert wird. Bernd Müller hat dieses in seinem Telepolis-Artikel vom 24. Juli 2021 ("Die Suche nach dem 'Hebel gegen Russland' und das Klima [9]") eingehend analysiert.

Seine im vorliegenden Kontext relevanten Aussagen sind, dass die Ukraine angesichts einer wirtschaftlich relevanten Stahlproduktion bereits jetzt unter Energiemangel leidet und allenfalls auf Basis von Verstromung in Kohlekraftwerken Export-Wassserstoff erzeugen könnte. Zum Aufbau neuer Anlagen für erneuerbarer Energien fehlen der Ukraine nicht nur potenzielle Investoren angesichts eines dramatischen Schuldenberges, sondern auch das politische Umfeld.

Zwischen Worthülsen und definierten Zielen

Auffallend ist, dass in der Nationalen Wasserstoffstrategie zwar viel von Klimaschutz die Rede ist, bezüglich der Wasserstoff- bzw. PtX-Programmatik im Detail nur von "Klimaneutralität". Auch im Wahlprogramm der Grünen wird dieser Begriff ebenso häufig verwendet wie "Klimaschutz". Der "Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen" (WBGU) hat deshalb vor wenigen Wochen ein im Auftrag des Umweltministeriums erstelltes "Politikpapier" unter dem Titel "Über Klimaneutralität hinausdenken [10]" vorgelegt.

Darin wird angemahnt, das in der Bundespolitik noch immer eine Langzeitstrategie zum Klimaschutz fehlt und dem Begriff Klimaneutralität keine eindeutige Definition zugrunde liegt. Dieser Hinweis zeigt, dass der Begriff geradezu einladend ist für Greenwashing-Strategien von Unternehmen und politische Worthülsen in Wahlprogrammen.

Auch der Begriff Nachhaltigkeit wird mittlerweile inflationär genutzt, obwohl diesem eine eindeutige Definition zugrunde liegt. Korrekt umschrieben wird Nachhaltigkeit mit den drei begrifflichen Elementen Suffizienz, Konsistenz und Effizienz.

Unter Suffizienz (lat. "sufficere" - ausreichen, genügen) versteht man meist die individuelle Beschränkung der Ressourcennutzung auf ein tatsächlich notwendiges Maß, mit dem vorhandene Grundbedürfnisse dennoch ausreichend befriedigt werden können. Hierbei geht es aber nicht nur um individuelle Verhaltensweisen, sondern um soziokulturelle und politische Rahmenbedingungen.

Unter Konsistenz versteht man, dass Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Entwicklung vorhanden sind, d.h. dass gemessen am Umfang der verwendeten Ressourcen diese auch langfristig verfügbar sind.

Effizienz heißt, dass die für einen definierten Zweck benötigten Ressourcen so optimal eingesetzt werden, dass eine Verschwendung vermieden wird. Das heißt: Ressourcen einsparen, ohne hierbei Abstriche an vorhandenen Bedürfnissen vorzunehmen. In der Praxis bedeutet dieses im Regelfall technische Verbesserungen, z.B. Verbesserungen an Produktionsprozessen sowie energiesparende Geräte und Ausrüstungen bei gleichbleibender Nutzung.

Während im allgemeinen Sprachgebrauch zwar viel von Effizienz die Rede ist, taucht der Begriff Suffizienz leider eher selten auf. Doch gerade dieses ist das Schlüsselelement für tatsächlichen Klimaschutz. Denn es geht um eine Beschränkung der Ressourcen auf das tatsächlich notwendige Maß und nicht um eine nebulöse "Sicherung unseres Wohlstandes", was von einzelnen Kritikern auch als "imperiale Lebensweise" zu Lasten anderer Weltregionen bezeichnet wird.

Partnerschaften: Auch eine Frage der Ethik

Sozioökonomische Partnerschaften können auch vor dem Hintergrund der Agenda 2030 nur dann als solche bezeichnet werden, wenn sie nicht von wirtschaftlich Stärkeren diktiert werden und als Rohstoffausbeutung des Schwächeren in Verbindung der Erschließung von Absatzmärkten eigener Produkte dienen. Ansonsten werden sowohl die Klimakrise verschärft als auch globale militärische Konflikte geschürt.

Während mittlerweile in China strategisch von zwei Wirtschaftskreisläufen - regional und global - gesprochen wird, versucht man es in Deutschland immer noch mit einem "Weiter so" der Import-Export-Fixierung. Noch vor 10 Jahren war man hier aber mit der regionalen Wertschöpfung durch den dezentralen Ausbau erneuerbarer Energien bereits auf dem besten Wege zu dieser notwendigen Kehrtwende, bevor dieses von Konzerninteressen geleitet wieder abgewürgt wurde. Den Irrsinn der Nationalen Wasserstoffstrategie mit fachlichen Argumenten zu widerlegen, was lediglich einige mathematische und physikalische Grundkenntnisse erfordert, reicht leider nicht aus.

An dieser Stelle kommen ethische Grundsatzfragen ins Spiel, wobei auch das Prinzip der Suffizienz eine zentrale Rolle spielt. 2008 wurde von dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt [11]" herausgegeben.

Bemerkenswert daran ist zunächst die Herausgeber-Konstellation mit dem Umweltverband BUND, Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst. Bereits die Vorläuferstudie aus dem Jahr 1996 mit dem BUND und Misereor als Herausgeber sorgte durch das Zusammenwirken eines großen Umweltverbandes mit einer kirchlichen Entwicklungsorganisation für Aufsehen.

Immer noch aktuell ist darin ein Passus, der auf die Rolle der fossilen Brennstoffe abhebt:

Schließlich leistet der fossil-zentrale Pfad einer weiteren Polarisierung der Welt Vorschub. Weil er auf der Versorgung über Ressourcenketten beruht, die um die halbe Welt gehen, begünstigt er politische Blöcke aus ressourcenreichen Produzenten und ressourcenarmen, aber wirtschaftlich starken Verbrauchern. Denn in Zeiten erkennbarer Knappheit geht es darum, Nachschub zu sichern und Konkurrenten außen vor zu halten. Langfristige Lieferverträge sind die Basis solcher Blöcke, Pipelines und Versorgungsnetze ihre Infrastruktur. Bei einer Vertragsdauer von mehreren Jahrzehnten ist die Bindung zwischen Produzent und Verbraucher exklusiv, die Pipelinestruktur selbst schließt andere Verbraucher aus. […]
Dies führt zu einer weiteren Marginalisierung armer Staaten. Solche Blöcke dürften dazu neigen, die Sicherung der Energieversorgung unter Umständen mit militärischen Mitteln zu garantieren, sowohl um die Verlässlichkeit der Versorgungsketten innerhalb des Blocks zu gewährleisten, als auch um Konkurrenten von außen fernzuhalten.

Die im wesentlichen auf neue Pipeline-Strukturen aufbauende Nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands erfüllt deshalb alle Kritikpunkte am globalen Fossilismus. Nachhaltige Entwicklung muss hingegen dem Prinzip der Suffizienz in der Ressourcennutzung und dem übergreifenden Ziel 17 der Agenda 2030 entsprechen: (Nicht ausgrenzende) Partnerschaften für die Erreichung der Einzelziele.


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[1] https://www.heise.de/tp/features/Deutsche-Energiewendungen-Vom-EEG-ueber-Desertec-zur-Wasserstoffstrategie-6149528.html
[2] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/muenchener-sicherheitskonferenz-bdi-chef-kempf-verlangt-technologie-statt-bodentruppen-/25542726.html
[3] https://www.bundeshaushalt.de/#/2021/soll/ausgaben/funktion/0.html
[4] https://www.gruene.de/artikel/kapitel-6-international-zusammenarbeiten
[5] https://www.gruene.de/artikel/ein-pakt-zwischen-industrie-und-politik
[6] https://www.energypartnership.cl/newsroom/chile-and-germany-sign-green-hydrogen-agreement/
[7] https://www.gruene.de/aktionen/nord-stream-2-stoppen
[8] https://neue-entspannungspolitik.berlin/50-jahre-erdgas-roehren-vertrag-wirtschaft-und-entspannungspolitik/
[9] https://heise.de/-6146878
[10] https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/pp12-2021
[11] https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/3016/file/3016_Zukunftsfaehiges_Deutschland.pdf