Energiekrise: Kommt bald Erdgas über neue Sahara-Pipeline nach Europa?

Symbolbild: Pipeline zieht sich durch eine Landschaft. Bild: David Mark auf Pixabay

Vertreter der Europäischen Union suchen nach Alternativen zu russischem Erdgas. Nigeria ist dabei von besonderem Interesse. Doch das Pipeline-Projekt ist mit Schwierigkeiten verbunden.

Der Europäischen Union fehlt Erdgas, sollten die russischen Lieferungen ausbleiben. Schon jetzt ist es knapp: Bisher deckte russisches Erdgas etwa 40 Prozent des EU-Bedarfs, derzeit kommen aber nur etwa die Hälfte davon an.

Die fehlenden Mengen sollen aus anderen Quellen gedeckt werden. Der Löwenanteil wird bislang mit teurem Flüssiggas aus den USA und Kanada gedeckt, auch aus Norwegen kommt mehr Gas. Doch auch andere Länder geraten zunehmend ins Blickfeld.

Mit Ägypten und Israel wurden Absichtserklärungen unterzeichnet; beide Länder sollen ebenfalls Flüssiggas in die EU liefern. Für Juli sind entsprechende Gespräche mit Aserbaidschan geplant. Auch aus Katar, Algerien und Nigeria erhoffen sich die EU-Länder mehr Gas.

Nigeria ist der zweitgrößte Gasexporteur Afrikas und die europäischen Begehrlichkeiten lassen dort wieder alte Ideen aufkeimen, um mehr Energie in Richtung Norden zu pumpen.

Im Mittelpunkt steht die Trans-Sahara-Pipeline. Die Pläne stammen schon aus den 1970er-Jahren, doch immer wieder vereitelten Probleme den Bau der 4.000 Kilometer langen Leitung. Wenn das rund 21 Milliarden US-Dollar teure Projekt einmal fertiggestellt sein sollte, dann werden voraussichtlich 36 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr vom Nigerdelta bis nach Algerien gepumpt; von dort soll es über die bestehenden Leitungen nach Europa gelangen.

Trans-Sahara-Pipeline ist nicht kurzfristig zu realisieren

Die Idee der Trans-Sahara-Pipeline wurde bislang stiefmütterlich behandelt. Bis in jüngster Vergangenheit hatte die EU Nigeria und andere afrikanische Staaten gedrängt, Abschied von den fossilen Energien zu nehmen – und stattdessen sollten sie auf "grünen" Wasserstoff und andere "grüne" Technologien setzen. Rund 90 Prozent der Energierohstoffe aus Nigeria wurden deshalb nach China verschifft.

Doch mit dem Krieg in der Ukraine kam das Projekt wieder auf die Tagesordnung – doch es wird für die Staaten der Europäischen Union keine kurzfristige Lösung sein. Der nigerianische Energieexperte Zakka Bala sagte dem Handelsblatt, dass es "mindestens drei bis fünf Jahre" dauern werde, um die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Schließlich sei sie wegen der Armut des Landes, der fehlenden Finanzierung und Wartung verfallen.

Die Armut in Nigeria ist es aber auch, die den Aufbau der Pipeline unrealistisch erscheinen lassen. Denn die Armut der Menschen fördert Vandalismus und Terrorismus im Land. Bislang konzentrierte sich Terror und Gewalt auf den muslimischen Norden des Landes, in dem die Einwohner sehr arm sind und wo es immer wieder Entführungen durch die Terrorgruppe Boko Haram gab. Autobahnen sind unsicher, und auch Züge werden immer öfter überfallen.

Armut wird zum Problem für den Transport von Öl und Gas

Es ist wahrscheinlich auch die Armut im Land, die den Öldiebstahl hat blühen lassen. Der örtliche Leiter von Shell hatte Anfang Juli auf einer Energiekonferenz gesagt, dass der Diebstahl von Rohöl eine existenzielle Bedrohung für die Ölindustrie darstellt. Schon zwei große Pipelines des Konzerns mussten deswegen geschlossen werden.

Allein im ersten Quartal dieses Jahres seien dem Land wegen des Öldiebstahl Einnahmen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar verloren gegangen, berichte kürzlich die Nachrichtenagentur Reuters und berief sich dabei auf die zuständige Regulierungsbehörde.

Wirtschaftlich liegt Nigeria am Boden und droht im Chaos zu versinken. Mit fast 200 Millionen Einwohner ist es das bevölkerungsreichste Land in Afrika. Nach Schätzungen der Weltbank könnte die Zahl der Nigerianer, die unter der internationalen Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar am Tag leben, in diesem Jahr noch auf 100 Millionen anwachsen.

Damit Armut und Gewalt in Nigeria zurückgehen, müsste die Wirtschaftsleistung des Landes enorm steigen. Experten sprechen laut Handelsblatt über ökonomische Zuwachsraten von zehn bis 15 Prozent über einen längeren Zeitraum. Und solange sich das Land nicht stabilisiert, ist es unwahrscheinlich, dass es zur Gastankstelle Europas werden kann.

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