Energiekrise: Warum die Golfregion keine fossile, nur eine erneuerbare Zukunft hat
Seite 2: Weitere fossile Energieförderung ist aus Klimaschutzgründen untragbar
- Energiekrise: Warum die Golfregion keine fossile, nur eine erneuerbare Zukunft hat
- Weitere fossile Energieförderung ist aus Klimaschutzgründen untragbar
- Auf einer Seite lesen
Neben dem Problem der Ressourcenverknappung und den damit einhergehenden geopolitischen Spannungen ist dieser fossile Ersatz aber insbesondere auch aus Klimaschutzgründen untragbar. Bereits heute zeichnen sich die Katastrophen durch den Klimawandel auf der ganzen Welt und in der Golfregion ganz besonders deutlich ab: Schlimmste Hitzeperioden mit Temperaturen über 50 Grad Celsius, die gefährliche Folgen für die Bewohner:innen und viele Hitzetode nach sich ziehen.
Schätzungen zufolge wird die Region bis Ende des Jahrhunderts unbewohnbar sein, mit Temperaturen von 55 bis 60 Grad Celsius. Katar und andere Länder der Golfregion hatten kürzlich zudem mit zerstörerischem Starkregen und Überflutungen zu kämpfen.
Mit jedem Zehntel Grad Steigerung der Erdtemperatur werden sich diese extremen Bedingungen massiv ausweiten, sodass ein Leben im Freien dort kaum mehr möglich ist. Hauptursache ist der seit Jahrzehnten ungebrochene exzessive Verbrauch von Erdöl, Erdgas und Kohle. Es ist unverständlich, dass die Regierungen dieser Zerstörung der menschlichen Zivilisation auch in der Golfregion mit einem Ende der fossilen Energienutzung nicht endlich Einhalt gebieten.
Lösung aus den Krisen
Die einzige nachhaltige Lösung für die beiden genannten Probleme ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien, sowohl in der Golfregion selbst als auch in den Ländern, die die fossilen Energieträger aus der Region beziehen, allen voran Europa und die USA. Die Transformation hin zu einem erneuerbaren Energiesystem findet in Europa und den USA bereits jetzt schon statt, und genau auf diese Ausbaugeschwindigkeit ist die Golfregion ökonomisch bisher nicht vorbereitet.
Die Länder der Golfregion werden in den kommenden Jahren starke Einnahmeverluste erleiden – denn letztlich vermeidet jedes Elektroauto und jede Solarheizung für immer den Bezug von Erdöl und Erdgas. Und genau auf diese Strategie setzen nun Europa und die USA, auch weil die fossilen und atomaren Energieträger wesentlich teurer für die Konsument:innen sind als erneuerbare Energien. Dabei ist das Solarstrahlungsangebot gerade in den Wüsten der Golfregion extrem hoch und führt damit zu den mit Abstand niedrigsten Energiekosten, mit denen Erdöl und Erdgas nie mithalten können.
Gemäß einer Studie der Energy Watch Group aus dem Jahr 2021 gilt bereits heute für Deutschland, dass eine verlässliche ganzjährige Energieproduktion mit einem Mix aus erneuerbaren Energien und Speichern günstiger ist als die fossile/ atomare Energiegewinnung. Ferner zeigt die Studie auf, dass es noch vor dem russischen Krieg in der Ukraine zu Energiepreissteigerungen kam, die die erneuerbare Energien im Vergleich zu fossiler und atomarer Energie unschlagbar billig gemacht haben. Dies gilt umso mehr für die Golfregion.
Der Ersatz russischer Energie wird daher nicht durch fossile Energie aus der Golfregion gelingen, auch wenn es noch so viele Besuche europäischer Politiker dazu gibt, sondern nur durch den Aufbau einer erneuerbaren, verlässlichen Versorgungsinfrastruktur – eben auch, weil dies viel kostengünstiger ist.
Die Golfregion ist wie der Rest der Welt gut darin beraten, den Ausbau von erneuerbaren Energien im eigenen Land auch als Chance für die eigene industrielle Entwicklung zu begreifen. Mit dem Aufbau von Fabriken, insbesondere in der Solarindustrie, aber auch bei Speicher- und Meerwasserentsalzungstechnologien auf dem rasch wachsenden Weltmarkt könnte die Region eine große industrielle Wirtschaft aufbauen. Damit würden nicht nur Arbeitsplätze und Exportchancen kreiert, sondern auch China ein Stück weit Paroli in seiner Technologieführerschaft geboten.
Vor diesem Hintergrund sollte die Golfregion rasch ihre eigene Energieversorgung auf 100 Prozent erneuerbare Energien umstellen und in eine eigene erneuerbare Industrie investieren – denn nur so kann die Region zukünftig überleben:
- Ganz buchstäblich, indem so die Auslöschung der menschlichen Zivilisation durch den Klimawandel abgewendet wird
- Wirtschaftlich, da Erdgas und Erdöl im Vergleich zu den Erneuerbaren zu teuer sind und die Abnehmer:innen in den kommenden Jahren ohnehin reihenweise abspringen werden.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.