Entwaffnung und Regimewechsel

Die US-Regierung kommt immer stärker in Bedrängnis, was ihre Ziele bei der geplanten Irak-Inavsion betrifft, die kaum mit UN-Resolutionen in Einklang zu bringen sind

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Die UN-Resolution verlangt die Entwaffnung des Irak. Nach dem letzten Bericht der UN-Inspektoren, wird dem Irak zwar keine gute Kooperation attestiert. Aber es wird darauf hingewiesen, dass kleine Mengen an Senfgas vernichtet, zwei bislang vermisste Bomben gefunden und die Zerstörung der Samud-2-Kurzstreckenraketen akzeptiert wurde. Es sei schwer zu verstehen, so Hans Blix, warum der Irak eine Reihe von Maßnahmen nicht schon früher begonnen habe, da diese jetzt schon zu Ergebnissen geführt haben würden.

Für die US-Regierung genügt die Zerstörung der Raketen allerdings nicht. Präsident Bush hatte schon mehrmals darauf hingewiesen, dass nach amerikanischer Sicht der Irak die UN-Resolutionen bereits verletzt hat. Im Grunde genommen kann also der Irak den schwerwiegenden Konsequenzen nicht mehr entgehen, gleich, was er unternimmt - wenn nicht aufgrund anhaltender Kritik doch noch ein Gesinnungswandlung stattfinden sollte.

Zwar verkündet Präsident Bush noch immer - vermutlich bis der Einmarsch beginnt -, dass noch keine Entscheidung gefallen sei und Hussein noch immer einen Krieg vermeiden könne. Aber was von Bush verlangt wird, übersteigt jedenfalls die in den UN-Resolutionen gesetzten Ziele der Entwaffnung. Hussein müsse sich, so gab zumindest Ari Fleischer, der Sprecher des Weißen Hauses, am Freitag die Haltung von Bush wieder, den Irak entwaffnen und abtreten. Weil aber die Kombination dieser Ereignisse unwahrscheinlich sei, ist aus Sicht der USA ein Krieg unvermeidlich. Allerdings musste er einräumen, dass die Entwaffnung das Ziel des Sicherheitsrats und der Regimewechsel das Ziel des US-Präsidenten sei. Dem Hussein-Regime war Fleischer erneut vor, dass seine Aktionen, wie die Zerstörung der Kurzstreckenraketen, lediglich Propaganda seien. Dem Verdacht setzt sich freilich auch die US-Regierung aus, wenn sie hinter der angeblichen Absicht, die UN-Resolutionen umzusetzen, nur ihre eigenen Interessen verfolgt.

Was in der Diskussion eigenartiger Weise zu kurz kommt

Jetzt könnte man natürlich fragen, ob die US-Regierung, wenn sie den Irak angreift - selbst wenn dies mit der Rückendeckung des Sicherheitsrats geschehen sollte - und dies nicht mit dem Ziel der Entwaffnung, sondern mit dem Ziel betreibt, Hussein und sein Regimes zu stürzen, nicht eigenmächtig ebenfalls wie das Schurkenregime die UN-Resolutionen schwerwiegend verletzen würde. Es ist eigenartig, dass die von der US-Regierung stets offen artikulierte Verbindung zwischen Regimewechsel und Entwaffnung, die ja auch allen Plänen für das Post-Saddam-Irak impliziert ist, nicht stärker in Frage gestellt oder diskutiert wird. Bei aller Sympathie für die Befreiung eines Landes von einem Tyrannen wäre diese Verletzung der Sicherheitsresolution auch eine Missachtung des Völkerrechts.

Seltsam undiskutiert bleibt in diesem Zusammenhang auch die Frage, warum die USA und ihre Alliierten, sollten sie vom Sicherheitsrat legitimiert handeln, mehr oder weniger alleine darüber bestimmen können, wie das "nation building" abzulaufen hat, während die internationale Gemeinschaft dann aber vermutlich für die humanitäre Hilfe bereit stehen, vermutlich auch weitere Aufgaben übernehmen soll. Als etwas naiver Zeitgenosse wundert man sich jedenfalls, warum beim Geplänkel über eine zweite Resolution dieser Text dann nicht nähere Bestimmungen über die Art der Entwaffnung, die gegebenen Voraussetzungen für einen Regimewechsel und schließlich, falls dieser notwendig werden sollte, Grundlagen für den Aufbau einer demokratischen Regierung enthalten soll? Wollen die Kriegsverweigerer damit nichts zu tun haben, auch wenn alle wissen, dass eine Vermeidung des Kriegs höchst unwahrscheinlich ist, falls Hussein nicht doch noch ins Asyl gehen würde? Man könnte natürlich sagen, wenn die Bush-Regierung den Krieg unbedingt will, dann soll sie auch für die Folgen verantwortlich sein. Aber auch das ist naiv, denn die Folgen werden sich auf die ganze Welt auswirken, wie dies der noch nicht einmal gestartete Krieg jetzt schon macht.

Ist das Ziel der US-Regierung Entwaffnung oder Regimewechsel oder Neuordnung des Nahen Ostens?

Der russische Außenminister Iwanow hatte vor allem wegen der immer deutlicher explizit gemachten Verbindung von Entwaffnung und Machtwechsel darauf hingewiesen, dass Russland vom Veto-Recht Gebrauch machen würde, wenn dies im "Interesse der internationalen Stabilität" notwendig sei: "Rusland wird nicht eine Resolution oder Resolution unterstützen, die direkt oder indirekt den Weg zu einer militärischen Lösung des Irak-Problems eröffnet." Doch natürlich versucht die US-Regierung Russland entgegen zu kommen, beispielsweise auch dadurch, dass sie nun drei tschetschenische Organisationen, die angeblich Verbindungen mit al-Qaida haben, auf die Liste der Terrorgruppen setzen ließ. Allerdings betonte der Sprecher des Außenministeriums, Richard Boucher, dass nicht alle tschetschenischen Rebellen auch Terroristen seien und dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden könne.

Doch offenbar ist man sich auch in der US-Regierung über die Ziele oder zumindest über die Kommunikation der Ziele nicht so ganz einig. Hatte Präsident Bush gerade noch seine Vision verkündet, dass der Stutz Husseins zu einem demokratischen Umbau der gesamten Region dienen könnte, so meinte jetzt Außenminister Powell, dass man nicht nur den Inspektoren mehr Zeit gewähren wolle, sondern dass die US-Regierung auch kein Interesse daran hätte, die Region umzubauen. Man wolle lediglich die Entwaffnung durchsetzen, dabei aber könne es notwendig werden, Hussein zu stürzen.

Das klingt dann schon wieder anders als die Äußerungen von Fleischer: "Ich muss gleichwohl sagen", so Powell, "dass eine militärische Aktion notwendig würde, um das Regime zu stürzen und die Massenvernichtungswaffen zu zerstören, wenn wir den Irak nicht zwingen können, seine Verpflichtungen einzuhalten." Aber dann sucht er doch wieder den Anschluss an die Interessen der US-Regierung zu finden: "Für mich ist klar, dass ein neues Regime den Wünschen der Iraker besser entsprechen würde. Dieses neue Regime wird in Frieden mit seinen Nachbarn leben. Vielleicht würde das helfen, dass die gesamte Region Frieden, Stabilität und Wohlstand findet."