Erdbeeren aus Spanien: Der Kampf um Wasser

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Gier und Geschäft, "Amnestie für illegale Erdbeerfarmen": Dem Unesco-Kulturerbe Doñana-Nationalpark droht der Untergang, weil Landwirtschaft dem Naturwunder Wasser abgräbt. Indessen eskaliert der Streit um Wasser im Nachbarland Frankreich.

Sogar die EU-Kommission in Brüssel hat die Regierung in Andalusien und die spanische Zentralregierung kürzlich zum Weltwassertag gewarnt und mit Sanktionen gedroht.

Einen "eklatanten Verstoß" gegen EU-Recht wirft die EU-Generaldirektorin für Umwelt, Florika Fink-Hooijer der Rechtsregierung im südspanischen Andalusien vor. Die will illegale Brunnen in und um den Doñana-Nationalpark legalisieren. Damit würde gegen ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) verstoßen.

Das Schreiben der EU-Generaldirektorin liegt der Zeitung Público vor. Fink-Hooijer hatte es an den spanischen Botschafter bei der EU, Marcos Alonso, geschickt. Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera hat es dann an die Rechtsregierung in Andalusien weitergeleitet.

Diese bittet im Süden nun um "Verständnis" von der rechten Volkspartei (PP), die im Schlepptau der rechtsradikalen Vox das Vorhaben zum zweiten Mal vorantreibt.

Gesetz zur Legalisierung von illegalen Grundwasserentnahmen

Ribera fordert die Regionalregierung und die PP auf, ein Gesetzesvorhaben aufzugeben, mit dem Tausende Hektar illegal bewässerte Landwirtschaftsfläche, vor allem im Erdbeeranbau um Huelva, legalisiert werden sollen.

Fink-Hooijer fand ungewöhnlich klare Worte in ihrem Schreiben. Sie drückt die "Besorgnis und Fassungslosigkeit" der Kommission angesichts des zweiten Versuchs in Andalusien aus, "illegale Bewässerungskulturen im Doñana-Gebiet zu legalisieren".

Sie erinnerte dabei an das EuGH-Urteil vom Juni. Spanien wurde schon vor zwei Jahren verurteilt, da es gegen die Verpflichtungen der Wasser-Richtlinie durch eine "illegale Wasserentnahme und die Entnahme von Wasser für die städtische Versorgung" verstößt.

Es seien keinerlei Maßnahmen zur Verhinderung einer Störung der im Schutzgebiet "Doñana" gelegenen geschützten Lebensraumtypen durch die Entnahme von Grundwasser ergriffen worden. Es seien auch "keine geeigneten Maßnahmen" ergriffen worden, um die Wasserentnahme zu verhindern, heißt es im Urteil.

Ohnehin ist das sensible Gebiet auch durch Minentätigkeiten gefährdet wie auch durch fehlende Klärung von Brauchwasser, das nach dem Klärprozess zur Bewässerung genutzt werden könnte.

Todesurteil für "außergewöhnliche Naturwerte"

Der Schutz des Unesco-Weltkulturerbes Doñana "ist eine Angelegenheit von höchstem ökologischem, sozialem und rechtlichem Interesse, sowohl für die Spanier als auch für die europäischen Institutionen und die Naturliebhaber weltweit", schreibt die Generaldirektorin. Die Kommission werde deshalb in Anbetracht dieser Situation "alle erforderlichen Maßnahmen in Betracht ziehen", damit das EuGH-Urteil umgesetzt wird.

Ein strikter Schutz der außergewöhnlichen Naturwerte von Doñana muss unverzüglich gewährleistet werden.

Florika Fink-Hooijer

Fink-Hooijer hebt auch auf den Klimawandel ab, der zu "zunehmend unregelmäßigen Niederschlägen führt". Aktuell fördert auch eine anhaltende Dürre auf der Iberischen Halbinsel dazu, dass der Naturpark am Austrocknen ist. Wie schlecht es um die Wasservorräte dort schon steht, wurde im September 2022 deutlich, als alle Süßwasserlagunen austrockneten.

Auf das Handeln der EU hatte zuvor die Umweltschutzorganisation WWF gedrängt. Sie hatte die Kommission in einem Brief auf das Gesetzesvorhaben aufmerksam gemacht.

Der WWF schrieb, dass in den neuen Plänen "eine Amnestie für illegale Erdbeerfarmen" vorgesehen ist, mit dem "eines der größten Naturwunder der Welt dem Untergang" geweiht sei.

Besonders vom Austrocknen wären auch "Hunderttausende Zugvögel", die das Feuchtgebiet als Rastplatz auf dem Weg von Nordeuropa nach Afrika brauchen.

Die Feuchtgebiete von Doñana sind unersetzlich für die Klimaresilienz der iberischen Halbinsel und die biologische Vielfalt. Die Amnestie für den Wasserraub käme einem Todesurteil gleich.

WWF

Doñana sei auch ein Indikator dafür, wie es um die Wassersituation in der Region bestellt ist. Geht der Doñana heute das Wasser aus, treffe es morgen die Landwirtschaft.

Dass die ultrakonservative PP und die ultrarechte Vox das Vorhaben noch vor den Kommunalwahlen am 28. Mai ins Regionalparlament einbringen wollen, sei "ein dreister Versuch, auf Kosten von Doñana auf Stimmenfang zu gehen", erklärt der WWF.

Das kurzfristige Profitstreben gefährdet die Wasserversorgung der Region und die Zukunft der gesamten legalen Beerenproduktion, die von Huelva aus die europäischen Supermärkte beliefert

Johannes Schmiester, Süßwasser-Experte des WWF

Gehe Doñana das Wasser aus, sei schnell auch die Landwirtschaft der Region am Ende, warnt Schmiester. Für Juan Carlos del Olmo, den Geschäftsführer des WWF-Spanien, solle nun sogar "Landraub und Plünderung" belohnt werden. Das geplante Gesetz "verhöhnt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes und sogar die Europäische Kommission", meint der WWF-Geschäftsführer.

Der Erdbeerplan

Juan Carlos del Olmo fordert die Einhaltung des EuGH-Urteils. Einhergehen müsse damit "die Schließung der illegalen Farmen einerseits und verstärkte Anstrengungen zum Schutz von Doñana andererseits". Eine Amnestie für illegale Brunnen stehe auch dem sogenannten "Erdbeerplan" entgegen.

Der ist seit 2014 in Kraft. Er sucht den Ausgleich zwischen allen Interessengruppen und verfolgt das Ziel, das Wachstum illegaler Farmen zu stoppen. Allerdings hatte auch die sozialdemokratische Vorgängerregierung die illegale Wasserentnahme seit Jahrzehnten geduldet und damit unter der Hand auch gefördert.

Insgesamt wird problematisiert, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Frucht wie die Erdbeere, damit sie früh in deutschen Supermarktregalen landen, unter einem Meer von Plastikfolien im trockenen Südspanien anzubauen.

Ungefähr 300 Liter Wasser werden für die Herstellung von einem Kilo Erdbeeren verbraucht – so viel passt in eineinhalb Badewannen und wird von den Tieren und Pflanzen im Feuchtgebiet Doñana dringend gebraucht.

Juan Carlos del Olmo, Geschäftsführer WWF-Spanien

In Deutschland sei die Wasserverfügbarkeit wesentlich höher. Hinzu kommt der Einsatz von Pestiziden und die Emissionen von Klimagasen auf langen Transportsportwegen in den Norden. Von den fatalen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die zu den Umweltproblemen hinzukommen, sprechen allerdings weder der WWF noch die EU. Denn die sorgen dafür, dass die Früchte noch bezahlbar in den Supermarktregalen ankommen.

Seit drei Jahren geht die linke Arbeitsministerin Yolanda Díaz etwas gegen das vor, was man als "moderne Form der Sklaverei" auch auf den Erdbeerplantagen um Huelva oft findet. Massive sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen von Frauen gehören auch dazu. Da es verstärkt zu Inspektionen kommt, erhält sie sogar Morddrohungen.

Vor drei Jahren hatte der UNO-Sonderberichterstatter für extreme Armut auf Lage von Tagelöhnern hingewiesen. Wie "Tiere" müssten Flüchtlinge und Einwanderer dort leben, die als Tagelöhner in der Erdbeerernte eingesetzt werden.

Besonders erschreckt hatten Philip Alston die Hüttendörfer in Andalusien. "Ich habe schlechtere Siedlungen als in Flüchtlingscamps gesehen", berichtete der Professor der New York University School.

In Spanien handelt es sich um einen Versuch, Wasser für kurzfristige Profitinteressen einzelner Profiteure zu privatisieren, was sogar zur Zerstörung eines einzigartigen Gebiets mit unabsehbaren Folgen führen dürfte.

Einen anderen Fall, gegen den es massiven Widerstand gibt, sehen wir in Frankreich. Dort ist der Konflikt ums Wasser schon fast mit tödlichen Folgen eskaliert.

Frankreich: Proteste gegen Mega-Wasserspeicher von Landwirten

Vor einer Woche demonstrierten nach Angaben der Veranstalter trotz eines Demonstrationsverbotes etwa 30.000 Bürger gegen den Bau neuer Wasserspeicher für die Landwirtschaft.

Inzwischen hat sich sogar der UN-Sonderberichterstatter für Rechte von Umweltschützern nahe dem Dorf Saint-Soline im westfranzösischen Department Deux-Sèvres eingeschaltet, wie die Tageszeitung Le Monde berichtet. Michel Forst hält die Lage in Frankreich für "besorgniserregend" und kündigte an, dass die Vereinten Nationen bald "offiziell" reagieren würden.

Zwei Demonstranten fielen infolge der Brutalität französischer Polizisten, die man dort offensichtlich nicht nur bei Protesten gegen die Rentenreform für angebracht hält, ins Koma.

Im ganzen Land kam es in der letzten Märzwoche zu starken Protesten vor den Präfekturen, um gegen die Polizeibrutalität und die Mega-Wasserspeicher zu demonstrieren.

Der Konflikt hat sich am Bau von 16 großen Mega-Bassins durch eine Genossenschaft von gut 400 Landwirten aufgeheizt. Die wollen aus diesen Speichern in trockenen Monaten ihre Felder bewässern. Dagegen wenden sich viele Organisationen, wie der Kleinbauernverband oder Umweltgruppen.

"Nicht ein Speicherbecken mehr" fordern die Gegner, da darüber das öffentliche Gut Wasser privatisiert werde. Die Landwirte hoffen dagegen, wegen der mit der Klimakatastrophe zunehmenden Dürreperioden, ihre Ernten retten zu können.

Winterdürre und der Wasserbedarf des Atomparks

Die künstlichen Speicher sollen im Winter bei hohem Grundwasserstand mit Wasser aufgefüllt werden. Allerdings herrschte gerade in Frankreich sogar eine Winterdürre, die auch die Grundwasserspiegel schon deutlich abgesenkt hat.

Aus den Speichern sollen nur die Genossenschaftsbetriebe in Trockenperioden ihre Felder bewässern dürfen. Sie wären damit auch von Restriktionen ausgeschlossen. Ein zusätzliches Problem ist, dass es sich um offene Speicher handeln soll, wo viel Wasser verdunstet.

Es ist bekannt, dass auch Frankreich unter einer anhaltenden Dürre leidet, die sogar schon im vergangenen Frühjahr zu ersten Abschaltungen von Atomkraftwerken führten, weil auch Kühlwasser fehlte. Im Sommer spitzte sich die Lage sogar dramatisch zu.

Weniger bekannt ist, dass die Kraftwerke im Land 16 Milliarden Kubikmeter Wasser zur Kühlung verbrauchen. Da es fast alles Atomkraftwerke sind, verbrauchen diese den "Löwenanteil des Trinkwassers".

Das fehlt deshalb zusehends auch in der Landwirtschaft, die Konkurrenz nimmt zu und damit steigt auch der Preis. Nur gut fünf Milliarden Kubikmeter verbrauchen französischen Haushalte und drei Milliarden die Landwirtschaft.

Macron: Wasser sparen!

Es ist angesichts dieser Lage schon fast Realsatire, dass der schwer angeschlagene Präsident Emmanuel Macron seine Landsleute landesweit zum Wassersparen aufruft.

"Wegen des Klimawandels werden wir bis 2050 etwa 30 bis 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung haben als heute", erklärte Macron im weiträumig von Hunderten Polizisten abgesperrten Savines-le-Lac in den französischen Alpen.

"Deswegen müssen wir uns langfristig auf das Wassersparen einstellen", meinte er. Ein Einsatz von erneuerbaren Energien, die kein Wasser verbrauchen und billigen Strom erzeugen, zieht der Atomkraft-Fan natürlich nicht in Betracht. Er will lieber neue extrem teure und unsichere Atomkraftwerke bauen.